LOKALMIX

Karstadt: Wut, Trauer und Trotz

pn; 27.07.2020, 14:00 Uhr
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Foto: Lars Weber.
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Karstadt: Wut, Trauer und Trotz

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pn; 27.07.2020, 14:00 Uhr
Gummersbach - Karstadts Betriebsratsvorsitzender kritisiert die Informationspolitik der Konzernspitze.

Von Peter Notbohm

 

Am 31. Oktober feiert Roland Brockhoff, Betriebsratsvorsitzender beim Gummersbacher Karstadt-Kaufhaus, seinen Geburtstag. In diesem Jahr ist ihm die Lust auf eine Feier aber gewaltig vergangen. Denn nach 45 Jahren markiert dieses Datum auch den letzten Tag des Warenhauskonzerns in der Kreisstadt. Wut, Trauer, Empörung, aber auch Trotz herrscht seit Freitag bei den 80 Mitarbeitern. Dass ihre Filiale auf der Liste der Standorte steht, die geschlossen werden sollen, wussten sie zwar bereits seit Mitte Juni, mit der Kündigung des Mietvertrages im Bergischen Hof hat die Schließung trotz großen Kampfes aber endgültige Züge angenommen.

 

Besonders wütend macht die Belegschaft dabei die Tatsache, dass die Zentrale in Essen bis zum heutigen Montag kein offizielles Statement zum Standort Gummersbach herausgegeben hat, man über das endgültige Aus durch die Kündigung nur aus den Medien erfahren hat. Brockhoff hätte sich gewünscht, dass die Konzernspitze mit offenen Karten spielt. „Wir haben in den Gesprächen der vergangenen Wochen viele angeführte Schließungsgründe revidieren können. Eine Reaktion kam aber nie“, beklagt er Desinformation, die gleichzeitig aber auch Hoffnung im Oberbergischen geschürt habe. „Dann hätte man uns lieber gleich sagen sollen, dass wir so viel strampeln können, wie wir wollen und es nichts nützen wird.“

 

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Einen gewaltigen Mietnachlass über zehn Jahre sah der Rettungsplan unter anderem vor. Auch wirtschaftlich stehe der Standort mittlerweile gut da. Zudem habe die oberbergische Bevölkerung gezeigt, dass sie zur Karstadt-Filiale in der Kreisstadt steht. Seit Ankündigung der deutschlandweiten Schließungen sei der Umsatz im Oberbergischen an 31 Tagen in Folge im Vergleich zum Vorjahr gesteigert worden. „Das hat keine andere Filiale vollbracht“, sagt Brockhoff und verweist zudem auf die mittlerweile über 17.000 gesammelten Unterschriften – ebenfalls ein Rekordwert. „Eine gewaltige Zahl, die es ebenfalls in keiner anderen Region gab und die zeigt, dass die Menschen hinter uns stehen“, so der Betriebsratsvorsitzende weiter.

 

Zwölf Standorte haben den Absprung von der 62 Filialen füllenden Streichliste mittlerweile geschafft, Brockhoff hat immer noch die leise Hoffnung, dass auch im Oberbergischen die Wende noch möglich ist. Heute nimmt er an einer Telefonkonferenz des Gesamtbetriebsrates teil, der weiterhin für jede Filiale kämpfen will. Auch die Politik habe laut ihm über das Wochenende noch einmal mit der Konzernspitze verhandelt. „Noch weigere ich mich, endgültig abzuwinken.“

 

Unabhängig von allen weiteren möglichen Entscheidungen hat vergangene Woche der Abverkauf begonnen. Derzeit suche das Unternehmen sogar Aushilfen, um das Stammpersonal bei der Arbeit zu entlasten. „Am Samstag war so viel zu tun wie sonst in der Weihnachtszeit“, spricht Brockhoff von „verschärften Arbeitsbedingungen“. Bis Ende August wird der Standort trotz Preisnachlässen weiter mit frischer Ware beliefert.

 

Ein Großteil des Personals hat mittlerweile die Verträge für die Auffanggesellschaft ab 1. November unterschrieben. Ein halbes Jahr Zeit gewinnen sie hierdurch, um sich nach neuen Jobs umzuschauen. Brockhoff, selbst seit 39 Jahren im Unternehmen tätig, hofft, dass er und seine Kollegen im Falle der Schließung schnell neue Stellen finden. „Vielen droht ansonsten die Altersarmut“, berichtet er. Denn durch frühere Rettungsschirme haben viele Angestellte auf Lohn verzichtet und stehen weit hinter dem Tarif des Einzelhandels zurück. „Da muss ein Unternehmen auch einfach mal ein Gewissen haben und zu seiner sozialen Verantwortung stehen“, so Brockhoff.

KOMMENTARE

1

Mich würde nicht wundern, wenn René Benko (Eigentümer der Signa-Holding, zu der Galeria Karstadt Kaufhof gehört) einfach nur auf den richtigen Zeitpunkt wartet, um der Eigentümergesellschaft des Bergischen Hofs ein Kaufangebot zu machen, um diese Immobilie zu einem günstigen Preis zu übernehmen.
Das wäre zwar sehr dreist, aber gut möglich. Der Druck auf die Eigentümer der Immobilie Bergischer Hof wird jedenfalls wachsen, denn ein Mieter für die bald freiwerdenden großen Flächen wird so schnell wohl nicht gefunden werden und der Wert dieser Immobilie wird aller Voraussicht nach deutlich fallen.
In diesem Fall (Übernahme des Bergischen Hofs durch die Signa-Holding) würde wieder Hoffnung für Karstadt-GM bestehen ...
Gewissen und soziale Verantwortung haben in diesem Monopoly wenig Relevanz.

R. Gerhards, 27.07.2020, 15:53 Uhr
2

Das Antworten/Reaktionen auf gute, handfeste und nachweisliche Argumente und Fragen ausbleiben und man sich vor Konversation/Auseinandersetzung/Diskussionen scheut ist scheinbar heute gang und gäbe und kann leider vermehrt überall in der Arbeitswelt beobachtet und tagtäglich aufs Neue miterlebt werden.
Die absolut unfähigen Nieten in Nadelstreifen werden überall immer mehr und schaffen es gut funktionierende Systeme zu zerstören, dabei dummschwätzerisch, permanent Wasser zu predigen ("Kommunikation ist alles/Feedback geben/Opfer bringen") und Wein zu saufen (feige schweigen u. sich selbst die Taschen voll machen)!

M. Pack, 27.07.2020, 16:04 Uhr
3

Es ist traurig wenn sich jede Menge Leute für den Standort einsetzen und es doch am grünen Tisch entschieden wird was geschlossen wird.Es sind immer die die ganz oben sitzen und eigentlich keine Ahnung haben wie es in der Realität aussieht.Das schlimme ist diese Gewinngeilheit .Wobei ja komischer weise Gummersbach schwarze Zahlen geschrieben hat, und trotzdem geschlossen wird.Man könnte meinen Coronna käme genau recht um sich von einigen Filialen zu trennen.Es geht sich nur um Profit und Gewinn.Die Menschen und alles weitere sind Nebensache.Traurig aber wahr.Also es leben die Vorstände und alle anderern aus den Vorstandsetagen.Ach übrigens sollte einer von diesen Herren jetzt am Hungertuch nagen oder Hartz 4 bekommen haben Sie mein aufrichtiges Mitgefühl!!!!!

Ritter, 27.07.2020, 20:28 Uhr
4

Karstadt, Kaufhof .. es hat einen Grund warum die auch ohne Corona immer pleite waren. Niemand braucht diese Kaufhäuser wirklich. Maximal für technikferne gewissen Alters. Aber diese Käuferschicht ist nicht auf Dauer bzw. nur einen begrenzten Zeitraum noch vorhanden.

Dings, 27.07.2020, 23:14 Uhr
5

Ich (43) war schon als Kind oft mit meinen Eltern im Karstadt. Auch als Jugendlicher habe ich ihn regelmäßig besucht. Später hat sich nicht viel geändert, der Karstadt gehörte einfach immer "dazu". Auch meine Frau (ursprünglich aus Leipzig), hat die letzten 15 Jahre regelmäßig mit mir zusammen dort eingekauft. Wenn der Schwiegervater zu Besuch ist, wird ebenso aus Tradition im Karstadt "gebummelt" oder eingekauft, das "riesige" Forum ist dagegen eher zweitrangig, muß man ja zugeben.
Warum soll jetzt Schluß sein???
Es ist doch offensichtlich von mindestens 17000 Kunden erwünscht, daß der
Karstadt weiterhin zu Gummersbach gehört!
Wir haben auch unterschrieben. Die Gummersbacher sich sich einig!
Aber das Sagen hat wohl am Ende irgend so ein blöder "Knilch" in Essen!?
Einfach nur traurig!!!

S. Weyland, 28.07.2020, 01:12 Uhr
6

Das Karstadt auf der Strecke bleibt war leider schon abzusehen, als der Stadtkern auf das Steinmüllergelände verlagert wurde.
Mit dem neuen Stadtkern wollte sich ein Bürgermeister ein Denkmal setzen. Mit allen Mitteln.
Ein zweifelhaftes Gutachten, welches aussagt, dass das Forum Einkäufer aus den umliegenden Städten und Gemeinden anlocken soll. Dass dieses nicht funktioniert war eigentlich jedem klar, der einigermaßen denken kann. Es gibt in der Region weitaus attraktivere Einkaufsstädte als Gummersbach.
Man sieht ja, dass das Forum kaum von den Gummersbachern angenommen wird. Auch schon vor Corona gähnende leere im Forum, und viele Läden die nicht belegt sind.
Man hätte mal lieber den alten Stadtkern aufwerten müssen, und das Karstadt-Gebäude sanieren müssen und neuen Glanz verleihen.

Olaf B. aus L., 29.07.2020, 08:27 Uhr
7

Ich finde es extrem traurig. Erst die Lebensmittelabteilung,(keine Rücksicht auf die ältere Generation der umliehenden Einrichtungen ☹) , langsam, aber sicher, dann langsame Veränderungen! Karstadt wurde saniert, Treppen sind neu, schreibt keine roten Zahlen. Kinderabteilung- Spiele, Bekleidung, Schulbedarf. Alles da,gut sortiert. Sport, stark reduziert, aber da. Haushaltsgeräte, immer gute Beratung, viel Hilfe bei Problemlösung, Abteilung "selber Nähen " perfekt. Wie können all diese Abteilungen ersetzt werden, wo können all diese " Alltagsbedarf" Kleinigkeiten gekauft werden? Nicht alle Bewohner der Stadt ( Großeltern) können weit weg fahren, um ein kleines Geschenk zu kaufen. Warum? Warum?Warum? " nicht mehr wirschaftlich" stimmt nicht. Gummersbach wird langsam eine tote Stadt.

Alexandra Vulcu, 30.09.2020, 23:10 Uhr
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