LOKALMIX
Maßnahmenpaket: Reha-Kliniken schlagen Alarm
Oberberg – Durch das Coronavirus ist nicht nur der Besucherverkehr bei den Krankenhäusern im Oberbergischen eingeschränkt, auch die Auslastung und damit die finanzielle Seite ist betroffen – Besonders kritisch ist die Situation der Reha-Kliniken.
Von Lars Weber
Der Besucherverkehr ist stark eingeschränkt, planbare Operationen werden reduziert, Betten bleiben leer. Die Corona-Krise geht an den Krankenhäusern nicht spurlos vorüber. Zwar hat die Politik bereits Maßnahmenpakete geschnürt, diese gehen den Kliniken aber nicht weit genug. Besonders betroffen sind die Reha-Kliniken, die zwar Kapazitäten für den Krisenfall schaffen sollen, beim Krankenhausentlastungsgesetz aber noch gar nicht berücksichtigt werden.
[Foto: Dr. Becker Unternehmensgruppe --- Dr. Tim Kleiber fordert von der Politik eine Anpassung des Maßnahmenpakets.]
Dr. Tim Kleiber ist Verwaltungsdirektor der Dr.-Becker-Rhein-Sieg-Klinik in Nümbrecht. Bereits am vergangenen Mittwoch hatte die Klinikleitung dem lokalen Gesundheitsamt ihre Hilfe zugesagt und freie Betten in ihrer Einrichtung zur Verfügung gestellt. Zwei Tage später folgte dann auch ein Aufruf des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen an alle Rehakliniken im Land – mit der offiziellen Bitte, die Krankenhäuser im Kampf gegen Corona durch Entlastung zu unterstützen. „Wir halten hierzu Einzelzimmer und entsprechend ausgebildetes Pflegepersonal und Ärzte sowie die notwendige Infrastruktur, beispielsweise im Bereich Diagnostik, vor“, sagt Dr. Tim Kleiber. Aufnahmen seien nun auch für Krankenhauspatienten mit einfachen neurologischen oder orthopädisch-traumatologischen Erkrankungen möglich, die nicht überwachungspflichtig sind. „Damit sind wir das Backup für die benachbarten Krankenhäuser in Gummersbach und Waldbröl“, sagt Kleiber. Es seien auch bereits Patienten aufgenommen worden.
[Foto: Dr. Becker Unternehmensgruppe --- Die Reha-Klinik in Nümbrecht hat aus eigenen Mitteln Beatmungsgeräte angeschafft.]
Um diese Kapazitäten zu schaffen, wurden extra Rehamaßnahmen verschoben. „Wir haben unter anderen aus Eigenmitteln zwei Beatmungsgeräte angeschafft, um auch kurzfristig schwerere Fälle aus den Krankenhäusern zu übernehmen und schulen unser Personal bereits seit einiger Zeit darin“, so Kleiber weiter. Doch die finanzielle Situation sei durch die Umstrukturierung kritisch. „Der ‚Rettungsschirm‘ der Regierung gilt nur für Krankenhausbetten, die Reha ist gar nicht berücksichtigt und so wird die durch uns proaktiv angebotene Unterstützung am Ende sogar bestraft.“ Das Risiko in den Umsatzausfällen sei enorm, leere Betten werden von niemandem vergütet. „Für die Krankenhäuser hat Jens Spahn hier ja auch eine Regelung gefunden. Das muss jetzt auch für die Rehakliniken passieren.“ Um die Öffentlichkeit auf den Missstand hinzuweisen, haben die Mitarbeiter der Dr.-Becker-Klinikgruppe eine Social-Media-Kampagne gestartet.
Auch in der Mediclin-Klinik in Reichshof sind einige Betten frei, die sonst belegt wären, teilt Stephan Franz, kaufmännischer Direktor, mit. Das hinge auch damit zusammen, dass etwaige neue Patienten schon im Vorfeld telefonisch kontaktiert würden. Dabei werde abgefragt, ob diese sich in Risikogebieten aufgehalten haben oder Symptome eines grippalen Infekts zeigten. Die Mediclin-Klinik sei auch bereit, Patienten beispielsweise aus Gummersbach aufzunehmen. "Wir sind aufgrund der medizinischen Voraussetzung besonders für die Aufnahme und Versorgung von beatmeten Patienten sowie von Patienten mit Atemwegserkrankungen geeignet." Die Kollegen in der Kreisstadt wolle man unbedingt durch die Aufnahme von Patienten entlasten. Doch auch Franz kritisiert das bisherige Maßnahmenpaket. Voraussetzung für die Unterstützung sei auch ein praktikabler Rechts- und Finanzierungsrahmen, der bislang noch nicht existiere. "Hier ist die Politik noch gefordert. Für die Rehakliniken brauchen wir dringend ebenfalls eine Pauschale für freigehaltene Kapazitäten, um Ärzte und Pflegekräfte weiterhin bezahlen zu können."
Das Klinikum Oberberg mit den drei Standorten in Gummersbach, Waldbröl und Marienheide verzeichnet seit drei Wochen eine deutlich reduzierte Belegung in fast allen Bereichen, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. „Etwa 250 Betten sind täglich frei im Vergleich zur Durchschnittsbelegung in den Kreiskrankenhäusern Gummersbach, Waldbröl und in der Klinik für Seelische Gesundheit in Marienheide zusammen.“ In Gummersbach und Waldbröl seien zum Beispiel auf insgesamt drei Stationen Kapazitäten geschaffen worden, die für Covid-19-Patienten und Verdachtsfälle freigehalten werden.
Das Klinikum Oberberg kritisiert den Entwurf für das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz ebenfalls. Es bleibe trotz erster Nachbesserungen „immer noch weit hinter den Erwartungen zurück“. Immerhin sei eine Generalklausel in das Gesetz eingearbeitet, sodass das Bundesgesundheitsministerium die Auswirkungen des Gesetzes auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser prüfen muss und nachträglich noch per Rechtsverordnung die Beträge und Fristen abweichend regeln kann. „Ob das dann aber passiert oder die Krise zur Strukturbereinigung des Krankenhausmarktes genutzt wird, bleibt abzuwarten“, so das Klinikum Oberberg.
[Foto: kkvd/Jens Jeske --- Ingo Morell.]
Auch aus Sicht des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands (kkvd) bleiben mit dem Maßnahmenpaket zu viele, auch existenzielle Fragen für die Kliniken offen, so Ingo Morell, stellvertretender Vorsitzender des kkvd und Sprecher der Geschäftsführung der GFO, der Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe. Zum Verbund gehören acht Krankenhäuser mit 14 Standorten, darunter auch die Katholischen Kliniken Oberberg (KKO) mit dem St. Josef-Krankenhaus Engelskirchen. „Für Reha-Kliniken gibt es noch keine Kompensation. Für alle anderen Krankenhäuser bleiben Unsicherheiten bestehen und die Liquidität ist weiterhin nicht für alle Häuser gesichert.“ Besser wäre gewesen, den Kliniken in dieser schwierigen Situation für eine begrenzte Zeit durch eine pauschale Vergütung den Rücken freizuhalten. Das Maßnahmepaket sei schon vor Inkrafttreten viel zu eng gestrickt. Eine Überprüfung bis zum 30. Juni reiche nicht. „Sie muss direkt beginnen, sodass schnell Korrekturen vorgenommen werden können“, sagt Morell.
"Derzeit kann niemand genau abschätzen, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die Krankenhausversorgung und -finanzierung haben wird", teilt die Helios-Klinik Wipperfürth mit. Auch dort blieben Betten leer, um zusätzliche Kapazitäten für die Versorgung von schwer verlaufenden COVID-Erkrankungen zu schaffen und Intensivmedizinische und Beatmungskapazitäten zu erweitern. "Entscheidend ist dabei auch die Verantwortung jedes Einzelnen, durch Einschränkungen des eigenen Verhalten die weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Nur so kann das Gesundheitssystem eine weiter steigende Anzahl von Patienten mit schwer verlaufenden COVID-Erkrankungen bewältigen, die dringend auf eine intensivmedizinische Behandlung und künstliche Beatmung angewiesen sind."
Ungeachtet der Diskussionen um Maßnahmenpakete stellen sich die Kliniken auf eine Situation ein, wenn die Zahl der Corona-Infizierten, die im Krankenhaus intensiv betreut werden müssen, steigen sollte. In Gummersbach stehen aktuell 18 Beatmungsgeräte zur Verfügung, in Waldbröl sieben, in Wipperfürth verfügt die Klinik im Regelbetrieb über vier Intensivplätze mit Beatmungsmöglichkeit. Die Kapazitäten in Wipperfürth würden gerade erweitert. Von den zwölf Intensivbetten in Engelskirchen seien sechs mit Beatmungsgeräten ausgestattet.
Um im Fall der Fälle gewappnet zu sein, sollte die intensivmedizinische Versorgung von Coronavirus-Patienten nicht mehr standortbezogen betrachten werden, so die KKO. „Die Krankenhäuser werden sich regional, auf Landesebene und auf Bundesebene sinnvoll vernetzten, um der Herausforderung Stand zu halten.“ Das Robert-Koch-Institut (RKI), die Gesellschaft Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) schalten in diesen Tagen ein Portal frei, das die Kapazitäten tagesaktuell erfassen soll, heißt es weiter. „Alle Intensivstationen können in einem Online-Register ihre freien Kapazitäten angeben. So können im Extremfall Patienten einer Beatmung zugeführt werden, unabhängig von der Kapazität im direkten Umfeld.“ In Deutschland gibt es laut KKO-Mitteilung bundesweit 28.000 Intensivbetten, davon 20.000 mit Beatmungsmöglichkeit. Diese Zahl solle zudem mittelfristig erhöht werden.
KOMMENTARE
1
Im Augenblick stehen Kliniken mit Intensivversorgung im Mittelpunkt und das ist in der aktuellen Lage auch gut so. Völlig unbeachtet bricht aber zwischenzeitlich eine andere Säule unseres Gesundheitssystems weg. Und zwar die kleinen Ergo- und Physiotherapiepraxen. Da im Moment aus verständlichen Gründen viele Patienten auf eine Behandlung verzichten, stehen viele dieser Praxen vor einem wirtschaftlichen Kollaps. Auch da ist eine Unterstützung dringend notwendig, denn auch nach Corona wird es noch Bandscheibenvorfälle geben.
Michael Krampe, 25.03.2020, 13:18 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
ARTIKEL TEILEN