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MVZ Derschlag: „Bis auf weiteres“ geschlossen - KVNO arbeitet an Lösung

pn; 11.07.2023, 11:30 Uhr
Foto: Peter Notbohm.
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MVZ Derschlag: „Bis auf weiteres“ geschlossen - KVNO arbeitet an Lösung

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pn; 11.07.2023, 11:30 Uhr
Gummersbach – Patienten des „MVZ DerArzt Hausarztzentrum Gummersbach“ bekommen seit heute nur noch den Anrufbeantworter zu hören und stehen vor verschlossenen Türen - KVNO arbeitet an Lösung zum 1. September (AKTUALISIERT).

Von Peter Notbohm

 

+++2. Meldung (Dienstag, 11:30 Uhr)+++

 

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) hat am Dienstagmorgen mit einer Pressemitteilung auf die Insolvenz der „MVZ DerArzt Nordrhein GmbH“ und der damit verbundenen Schließung des Hausarztzentrums Gummersbach in Derschlag reagiert. Demnach erarbeitet die KVNO derzeit gemeinsam mit dem Oberbergischen Kreis und der Stadt Gummersbach ein Alternativkonzept, um die hausärztliche Versorgung vor Ort zeitnah in einer neuen und langfristig stabilen Struktur sicherzustellen. Ziel sei dabei den ambulanten Praxisbetrieb am Standort in der Kölner Straße 2 „zeitnah, voraussichtlich ab 1. September, im Rahmen einer ‚normalen‘ vertragsärztlichen Zulassung als Einzelpraxis wieder vollumfänglich aufzunehmen“. Bürgermeister Frank Helmenstein betonte auf Nachfrage, dass es ungemein wichtig sei, dass es am Standort weitergehe.

 

Die dafür notwendigen Anträge und zulassungsrechtlichen Schritte seien bereits in Vorbereitung, ebenso stehe die KVNO dem künftigen Praxisteam bereits eng beratend zur Seite und stelle darüber hinaus Fördermittel aus dem Strukturfonds bereit. Für den Zeitraum der temporären Schließung der Praxisräumlichkeiten hätten sich auf Abfrage der KVNO mehrere Praxen im Umkreis von Gummersbach bereiterklärt, Patientinnen und Patienten des MVZ aufzunehmen bzw. hausärztlich zu versorgen. Informationen und Kontaktmöglichkeiten zu diesen Alternativ-Praxen können über die Kreisstelle Oberberg der KVNO telefonisch (Tel.: 0221/77 63 67 15) oder digital unter kreis.oberberg@kvno.de eingeholt werden.

 

Auf Nachfrage teilte die KVNO zudem mit, dass die Prüfungen der Auffälligkeiten bei den vertragsärztlichen Abrechnungen im Hinblick auf das MVZ in Derschlag noch nicht abgeschlossen seien. Es handle sich hierbei um ein aufwendiges Prüfverfahren.

 

 

+++1. Meldung (Montag, 19:20 Uhr)+++

 

Plötzlich ging es ganz schnell und heimlich, still und leise. Das Medizinische Versorgungszentrum „MVZ DerArzt Hausarztzentrum Gummersbach“ in Derschlag hat am Freitag seine Türen geschlossen. Bei einem Anruf in der Praxis am Montagmorgen, bekommen Patienten lediglich noch eine Tonbandaufnahme abgespielt, dass der Standort „bis auf weiteres“ geschlossen sei. Anfragen zu Patientenakten werden ausschließlich per Mail bearbeitet, heißt es dort noch. Mehr Informationen gibt es seitens des bisherigen Betreibers nicht.

 

Mitte Mai war öffentlich geworden, dass das Versorgungszentrum vor dem Aus stehe. Am 2. Juni wurde das Insolvenzeröffnungsverfahren angeordnet. Patienten wurden seitdem weiterversorgt und behandelt. Um das MVZ-Praxisteam zu entlasten, wurden vertretungsweise ambulante Notdienste durch Ärzte und Ärztinnen der Region übernommen.

 

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Auch der oberbergische Hausärzteverband und die Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) wurden am Freitagmittag um 12:52 Uhr lediglich mit einem kurzen Einzeiler per Mail über die erfolgte Schließung informiert. Leser von Oberberg-Aktuell berichten sogar, dass man ihnen am selben Vormittag noch gesagt habe, man solle am heutigen Montag für Behandlungen und Rezepte vorbeikommen.

 

Droht dem Oberbergischen nun eine gewaltige Versorgungslücke? Die hausärztliche Versorgung von mindestens 3.800 Patienten, darunter Schwer- und chronisch Kranke, steht vorerst auf tönernen Füßen. Dr. Ralph Krolewski, Vorstand des Oberbergischen Hausärzteverbands, überraschen die Entwicklungen in Derschlag nach den bisherigen Geschehnissen nicht mehr: „Aus unserer Sicht muss nun schnellstmöglich ein geordneter Übergang stattfinden, um den Standort zu sichern. Da können wir uns kein Hinauszögern erlauben. Dafür muss angesichts der Versorgungsnotwendigkeit der Weg freigemacht werden.“

 

Laut seinen Informationen ist die Allgemeinmedizinerin Feryal Hoch, die bereits in dem Versorgungszentrum gearbeitet hat, bereit den Standort nach dem wohl gescheiterten Insolvenzverfahren auf selbstständiger Basis zu übernehmen. Ihr stünde auch Personal zur Verfügung, das dort weiterarbeiten will. „Aber eine solche Überlassung darf sich nicht wochenlang hinauszögern, sonst suchen sich diese medizinischen Fachangestellten andere Arbeitsplätze“, warnt Krolewski.

 

Herr dieses Verfahrens sei aber weiterhin der Insolvenzverwalter, mit dem materiellrechtliche Fragen geklärt werden müssen. Von der KVNO habe es deutliche Hinweise gegeben, dass man einen solchen Schritt entsprechend fördern wolle. Auch der oberbergische Hausärzteverband will der Ärztin bei allen offenen Fragen helfen: „Da ziehen wir mit der Kassenärztlichen Vereinigung an einem Strang.“ Bei einer Übernahme wäre man hingegen sofort handlungsfähig, auch die Patienten müssten schnellstmöglich über die zukünftigen Lösungen informiert werden.

 

Krolewski betont, dass es für eine grundlegende hausärztliche Versorgung einer regulären Praxis in Derschlag bedürfe. Ein Notfallvertretung können durch die umliegenden Praxen zwar erfolgen – mehr als zwei, drei, vielleicht vier Wochen sei das aber nicht aufrechtzuerhalten. „Wir reden hier wöchentlich über etwa 300 Behandlungsanliegen und notwendige Rezepterstellung und die sieben umliegenden Praxen ächzen jetzt schon unter der hohen Arbeitsbelastung“, so Krolewski, der vorrechnet, dass deren Belastung um weitere 30 Prozent steigen würde. Jüngere und mobile Patienten fordert er daher auch auf, bis zur Klärung nach Lindlar und Engelskirchen auszuweichen. Gerade um die immobilen Patienten mit chronischen Krankheiten („etliche 100“) macht er sich aufgrund der unsicheren Situation allerdings Sorgen. Denn wenn der Standort einmal geräumt sei, werde es mindestens zwei oder drei Monate dauern, einen neuen Hausarzt anzusiedeln.

 

Patienten rät er zumindest noch ein paar Tage abzuwarten, bis sie ihre Akten von „MVZ DerArzt Hausarztzentrum Gummersbach“ anfordern. Sollte es einen geordneten Betriebsübergang geben, könnten die Akten dort bleiben und übernommen werden. „Die Sicherheit muss vom aktuellen Betreiber gewährleistet werden, sie dürfen nicht veräußert werden. Patienten sind immer Herren des Verfahrens, was mit ihren Daten passiert“, erklärt er. Gleichzeitig wiederholt Krolewski die Kritik des Hausärzteverbands an den Strukturen des MVZ in Gummersbach. Dort seien massive Managementfehler begangen worden, die nicht von den Ärzten und MFA’s verschuldet worden seien: „Solche von Kapitalinvestoren geführten Versorgungszentren wollen wir nicht in der Hausärzteverordnung haben.“

 

Eine Anfrage an die KVNO blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet, der Insolvenzverwalter Dr. Jens Schmidt war für keine Stellungnahme zu erreichen.

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