LOKALMIX

Protestaktion: „Uns steht das Wasser bis zum Hals“

pn; 01.02.2021, 00:30 Uhr
Fotos: Michael Kleinjung ---- Viele Friseursalons ließen am Sonntag das Licht brennen.
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Protestaktion: „Uns steht das Wasser bis zum Hals“

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pn; 01.02.2021, 00:30 Uhr
Oberberg – Viele Friseure ließen am Sonntag in ihren leeren Salons das Licht an – Bundesweite Aktion der Branche soll auf wirtschaftliche Situation aufmerksam machen (mit Video-Interview).

Von Peter Notbohm

 

Der Friseur-Branche steht das Wasser bis zum Hals. Seit sechs Wochen sind die Salons durch den Lockdown geschlossen. Bei vielen potenziellen Kunden wuchert das Haar. Die Kosten laufen trotz geschlossener Läden weiter, während die versprochenen Hilfen der Politik auf sich warten lassen. „Wir haben noch keinen Cent gesehen“, berichtet Thomas Stangier, Obermeister der Friseur-Innung Bergisches Land. Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht, in den sozialen Medien machte zuletzt der tränenreiche Hilferuf einer verzweifelten Friseurin aus Dortmund die Runde. Ihr Video wurde auf Instagram bereits über 250.000 Mal aufgerufen und sorgte auch für Reaktionen seitens der Bundesregierung.


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[Auch der Salon von Hans-Wilhelm Hagen beteiligte sich an der bundesweiten Protestaktion.]

 

Wer am gestrigen Sonntag durch die Innenstädte im Oberbergischen spazierte, dürfte mehrere Salons hell erleuchtet gesehen haben. Das lag allerdings nicht daran, dass die Coiffeure den Lockdown boykottierten, sondern mit einer bundesweiten Aktion auf ihre dramatische Situation aufmerksam machen wollten. Unter dem Motto „LICHT AN, bevor es ganz ausgeht!“ will man die Politik zum Handeln auffordern. Von Sonntag bis Montag brannte deshalb in vielen Läden demonstrativ das Licht.

 

Arbeitsplätze in Gefahr

 

80.000 Salsons gibt es bundesweit. Knapp 1.800 Mitarbeiter arbeiten in der Region der Friseur-Innung Bergisches Land, im Oberbergischen sind es etwa 800. Stangier schätzt, dass etwa 15 Prozent dieser Arbeitsplätze bereits jetzt stark gefährdet sind. Wie viele wirklich aufgeben müssen, sei aber noch nicht absehbar. „Aber es wird einige geben, die ihre Existenz an den Nagel hängen müssen“, befürchtet er. Ob die Branche mit Ende des aktuellen Lockdowns zum 15. Februar wieder öffnen darf, vermag er nicht abzuschätzen: „Das wird stark von der Entwicklung der Pandemie abhängen. Sollten die Mutationen einschlagen, sehe ich schwarz für uns.“ Dabei sieht er die Salons keineswegs als Pandemie-Treiber – auch wegen der gut umgesetzten Hygienekonzepte. „Mir ist kein Fall bekannt, bei dem ein Laden aus der Region durch Corona lahmgelegt wurde.“

 

[Video: Michael Kleinjung ---- Im OA-Interview spricht Hans-Wilhelm Hagen über die Situation vieler Friseure.]

 

Veto gegen Schwarzarbeit

 

Druck herrsche in der Branche aber auch durch das Thema Schwarzarbeit. Zuletzt hatte sich die Kritik besonders an den Fußballprofis entzündet, die zu den Bundesliga-Spieltagen mit auffällig sauber geschnittenen Konturen aufliefen. Aber auch der normale Bürger versuche mittlerweile, seinen Stamm-Coiffeur zu sich nach Hause zu locken. „Meine Kollegen berichten mir permanent von Angeboten, die sie erhalten. Das ist irgendwann Hilfe zur Selbsthilfe. Tolerieren kann ich es nicht, aber es gibt einfach Friseure, die finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen“, so Stangier.

 

Hilfen lassen auf sich warten

 

[Archivfoto: Finn Paulsen ---  Thomas Stangier ist Obermeister der Friseurinnung Bergisches Land, der zweitgrößten Innung in NRW mit 260 Mitgliedsbetrieben und mehr als 1.800 Beschäftigten.]

 

Die Reserven sind bei den meisten Friseurmeistern längst aufgebraucht. Die Soforthilfen aus dem April mussten in der Regel wieder zurückgezahlt werden, zudem haben die meisten Salons keinen Anspruch auf die relativ üppige Dezemberhilfe, die sich am Vorjahresumsatz orientiert. Die für den Januar versprochene Überbrückungshilfe III lässt nicht nur auf sich warten, sondern orientiert sich vor allem an den Fixkosten – diese sind allerdings nicht exorbitant hoch, sodass auch diese Finanzspritze kaum weiterhilft. Die erste Teilauszahlung soll im Februar fließen, der Rest ab März. „Einem selbstständigen Handwerksmeister stattdessen zu sagen, dass er Arbeitslosengeld II beantragen soll, tut mir in der Seele weh“, hofft Stangier, dass die Aktion die Misere der Friseure wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein rückt.

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