LOKALMIX

Spannende Sicht auf das Wirken Graf von Stauffenbergs

ls; 26.06.2024, 18:30 Uhr
Fotos: Leif Schmittgen --- Dr. Bernhard Wunder vom katholischen Bildungswerk und die stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft für christlich jüdische Zusammenarbeit, Marion Reinecke (re.), begrüßten neben Sophie von Bechtolsheim auch zahlreiche Interessierte im Raum L&C.
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Spannende Sicht auf das Wirken Graf von Stauffenbergs

ls; 26.06.2024, 18:30 Uhr
Gummersbach - Sophie von Bechtolsheim gab gestern in der Halle 32 Einblicke in das Leben ihres Großvaters Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Von Leif Schmittgen

 

War Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907 – 1944) ein Attentäter und überzeugter Nationalsozialist? Die Historiker gehen mit diesem Thema kontrovers um. Sophie von Bechtolsheim, die Enkelin des Anführers der Ereignisse des 20. Juli 1944, des Anschlags auf Adolf Hitler in der ostpreußischen Wolfsschanze, stand gestern auf Einladung des katholischen Bildungswerks und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in der Gummersbacher Halle 32 Rede und Antwort. Bildungswerk-Chef Dr. Bernhard Wunder entlockte seiner Interviewpartnerin spannende Antworten zum familiären und geschichtlichen Wirken des Hitler-Attentäters.

 

Aber war von Stauffenberg das wirklich? Seine Enkelin verneint diese Frage in ihrem Buch „Stauffenberg - Mein Großvater war kein Attentäter“ und vor dem zahlreich erschienenen Publikum im Raum L&C. „Der Titel ist bewusst provokant gewählt“, verriet die Autorin, dass sie gezielt auf anderslautende Publikationen reagiert habe, und lieferte prompt die Antwort: „Attentäter wollen breiten Schaden, Tod und Leid verursachen. Aber genau das wollte mein Großvater ja mit seinem Vorhaben verhindern." Von Bechtolsheim sprach in diesem Zusammenhang von Tyrannenmord.

 

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Auch die Frage nach der politischen Gesinnung von Stauffenbergs beantwortete die Enkelin: „Mein Großvater war ein Kind seiner Zeit und hat sicherlich Vokabeln benutzt, die heute als eindeutig rassistisch gelten." Sie bezog sich auf überlieferte Äußerungen des Berufssoldaten zum Polenfeldzug, als er von "Gesindel und Juden" in einem von Chaos überzogenen Land schrieb. Das Tagebuch, aus dem die Niederschrift stammt, wurde von Verwandten verbrannt, als die Gestapo das Haus stürmte.

 

Auch stellte Wunder die (rhetorische) Frage nach der Befangenheit in den Äußerungen und Einschätzungen der Nachkommin. Diese wird durch die Tatsache relativiert, dass Sophie von Bechtolsheim Historikerin ist. 1995 schloss sie ihr Studium in Dresden ab. Zudem sei sie erst 24 Jahre nach dem Tod von Stauffenbergs (siehe Infokasten) - er wurde noch in der Nacht des 20. Juli 1944 hingerichtet – geboren.

 

Zur Person

 

Sophie von Bechtolsheim, geboren 1968, ist Historikerin und Kommunikationswissenschaftlerin. Sie arbeitet als Mediatorin in Oberbayern und setzt sich zudem für den Täter-Opfer-Ausgleich ein. Zudem betätigt sie sich als Künstlerin. Sie ist verheiratet und hat vier Söhne. Von Bechtolsheim ist stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung 20. Juli 1944 (Quelle: Herder-Verlag).

 

Viele persönliche Gespräche mit ihrer Großmutter Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg (1912 – 2006) habe sie zu der heutigen Bewertung gebracht. Wie die Ehefrau dem Druck, dass der Offizier und seine Familie ständiger Lebensgefahr ausgesetzt waren, standgehalten habe, weiß sie aus diesen Dialogen. „Meine Großmutter war ein sehr pragmatischer Mensch, der kurz und forsch auf Fragen antwortete.“ Die Männer seien im Krieg zahlreich gefallen, dann sei es doch besser, man sterbe für eine gute Sache, so die überlieferte Einschätzung der Großmutter. Anders als zum Beispiel Dietrich Bonhoeffer sei von Stauffenberg nicht von Anfang an gegen das Hitler-Regime gewesen, seine Haltung habe sich erst später entwickelt, als er wusste, dass der Krieg verloren ginge.

 

Als Reaktion auf das 2019 veröffentliche Werk, aus dem sie gestern mehrfach zitierte, habe die Autorin viele Leserbriefe erhalten mit persönlichen Geschichten, die historisch von Relevanz seien. Daraufhin entschloss sie sich, mit „Stauffenberg. Folgen: Zwölf Begegnungen mit der Geschichte“ ein weiteres Buch zu veröffentlichen. Beide Publikationen signierte sie auf Wunsch der Gäste.

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