LOKALMIX
SPD-Antrag abgelehnt: Kein schottisches Modell in Bergneustadt
Bergneustadt – Nach dem Vorbild Schottlands fordert die SPD kostenlose Binden und Tampons für Schülerinnen an allen städtischen Schulen.
Von Peter Notbohm
Seit knapp zwei Wochen stellt Schottland seiner Bevölkerung Hygieneprodukte wie Binden und Tampons kostenlos zur Verfügung – nach eigenen Angaben als erstes Land der Welt. In Schulen war dies bereits seit 2021 gesetzlich vorgeschrieben. Auch in Deutschland wurde hierdurch eine Debatte ausgelöst, inwieweit Frauen dahingehend stärkere finanzielle Unterstützung erhalten sollten. In Düsseldorf gab es bereits ein positiv verlaufenes Pilotprojekt an 13 Schulen.
Nach diesem Vorbild fordert nun auch die SPD in Bergneustadt die Hygieneprodukte unentgeltlich an allen staatlichen Schulen bereitzustellen. Ein entsprechender Antrag wurde am Mittwoch im Rat der Stadt Bergneustadt heiß diskutiert – am Ende allerdings mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Besonders Tanja Bonrath (SPD) machte sich für das Thema stark: „Es gibt viele einkommensschwache Familien in Bergneustadt und viele Mädchen wissen nicht, wie sie an diese Hygieneprodukte kommen sollen.“ Aus der Tabuisierung der sogenannten Periodenarmut entstehe eine Diskriminierung, „die man nicht braucht“. Sie nannte Statistiken, wonach Frauen in ihrem Leben zwischen 7.000 und 20.000 Euro für Produkte während der Periode ausgeben. Refinanzieren könne man die kostenlose Abgabe der Artikel über den Gesundheitsfond des Landes oder des Kreises.
In der Stadtverwaltung sah man den Antrag eher skeptisch. Eine Umfrage unter den Schulen habe ergeben, dass die Einmalartikel schon lange vorgehalten und bei Notfällen im Sekretariat angefragt werden können. „Unsere Schulen sind der Meinung, das vorhandene Angebot reicht aus“, so Claudia Adolfs, Fachbereichsleiterin Schulen. Auch in Reihen der Elternschaft und Schülerschaft sei ein solcher Mangel noch nie thematisiert worden. Zudem sorge man sich, dass die unbeaufsichtigte Ausgabe der Produkte zu Missbrauch wie absichtlich verstopften Toiletten führen könne.
Kritik gab es aus Reihen der CDU. „Die Ausgabe von Hygieneprodukten ist keine schulische Aufgabe. Aus den Erfahrungen als Mutter von drei Kindern kann ich sagen, dass die Hemmschwelle ins Sekretariat zu gehen, wesentlich geringer war, als sich an einen Automaten zu stellen, wenn man einmal etwas zuhause vergessen hat“, sagte Heike Schmid.
Jonathan Gauer (CDU) ergänzte, dass er aus Gesprächen mit Frauen wisse, dass eine solche Idee nicht überall auf Gegenliebe stoße: „Wenn wir kostenlose Einmalprodukte wie Tampons bereitstellen, fördern wir vor allem die Müllproduktion und sorgen dafür, dass die Schülerinnen sich nicht mit nachhaltigeren Methoden auseinandersetzen.“ Er habe trotzdem kein Problem damit, ein solches Pilotprojekt anzubieten, „dann aber nur, wenn wir parallel informieren, welche Alternativen bestehen.“
Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Hoene und der FWGB-Fraktionsvorsitzende Mehmet Pektas stellten die Frage, wo der Sinn in dem Antrag liege, wenn die Schulen bereits ein entsprechendes Angebot für den spontanen Bedarf anbieten. Pektas warf ein, man könne zumindest die Hemmschwelle senken, indem man eine Ecke in den Sekretariaten einführe, in der sich Schülerinnen - ohne nachzufragen - bedienen können.
Das war der SPD aber zu wenig. „Für uns ist es ein Menschenrecht eine Grundversorgung zu haben“, sagte Bonrath im Hinblick auf das immer noch schambesetzte Thema. Man kämpfe damit für eine „große unsichtbare Gruppe“, die in der Regel nicht in der Elternschaft vertreten sei. Den Vorschlag Gauers, parallel ressourcenschonende Alternativen aufzuzeigen, begrüßte sie allerdings ausdrücklich.
Bürgermeister Matthias Thul versuchte noch den Sozialdemokraten eine Brücke zu bauen, ihren Antrag in Richtung des Ergänzungsvorschlags der FWGB zu konkretisieren, dies lehnte der SPD-Fraktionsvorsitzende Daniel Grütz aber ab. Anschließend stimmten 13 Ratsmitglieder (SPD, FWGB, Grüne) für den Antrag, 16 (CDU, UWG, FDP) dagegen, während zwei (Grüne, FWGB) sich enthielten.
KOMMENTARE
1
Danke an den Stadtrat für diese Vernunftsentscheidung. Hygieneprodukte kosten kein Vermögen und gehören für Frauen zu den existentiellen Dingen im Leben. Das Thema wird einfach nur medial aufgebauscht.
Mawi, 04.09.2022, 09:33 Uhr2
Vielleicht sollten wir das Toilettenpapier bei der Gelegenheit auch abschaffen? Ist keine schulische Aufgabe, verstopft Toiletten und macht Müll….
Lisa Becker, 04.09.2022, 22:15 Uhr3
Die soziale Benachteiligung der Frauen, die für diese Produkte Geld ausgeben müssen, dass ihnen für anderes dann fehlt, sollte verringert werden!
Das schottische Modell "Period Products Act" (=kostenlos für alle) wäre erstrebenswert, der Antrag der SPD in Bergneustadt aber hatte leider außer der Erwähnung Schottlands nichts mit dem schottischen Vorbild gemein.
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