LOKALMIX
Zweiter Warnstreik: ver.di verschärft den Druck
Gummersbach - Teilnehmerzahlen an den Warnstreiks im Öffentlichen Dienst steigen an - Klinikum Oberberg drohen kommende Woche chaotische Zustände.
Von Peter Notbohm
Die Gewerkschaft ver.di erhöht den Druck auf Politik und Arbeitgeber. Auch am heutigen Mittwoch kam es zu Warnstreiks im öffentlichen Dienst im Oberbergischen. Erneut waren die Beschäftigten der Stadt- und Kreisverwaltung sowie des Klinikums Oberberg aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Auch Kindertagesstätten waren dieses Mal von den Warnstreiks betroffen. Die Resonanz war dabei abermals sehr hoch. Von rund 220 Teilnehmern sprachen die Organisatoren um Gewerkschaftssekretär Arno Appelhoff, auch die Polizei ging von mindestens 200 Menschen aus, die sich dieses Mal an der Halle 32 trafen, um ihre Forderungen öffentlichkeitswirksam Gehör zu verschaffen.
„Solche Zahlen sieht man sonst nur bei der IG Metall. Das zeigt aber auch, wie wichtig den Beschäftigten ihr Anliegen ist“, meinte Stefan Marzari, ver.di-Vertrauensmann und Betriebsrat am Gummersbacher Krankenhaus und freute sich, dass neben mehreren langjährigen Mitarbeitern auch wieder viele junge Kollegen dem Aufruf zum Warnstreik gefolgt waren. Dem Gummersbacher Warnstreik hatten sich zudem Mitarbeiter der Helios-Klinik Siegburg angeschlossen, sodass dort nur ein OP-Saal besetzt werden konnte.
[Am Klinikum Oberberg wurde ein offener Brief verlesen.]
Vom Steinmüllergelände aus zogen die Streikenden durch die Fußgängerzone in Richtung des Gummersbacher Krankenhauses, wo an zwei Standorten kurze Ansprachen gehalten und ein offener Brief an die Geschäftsleitung verlesen wurde. Viele Patienten und Angestellte des Klinikums sammelten sich an den Fenstern und Balkonen des Gebäudes und machten Solidaritätsbekundungen. Anschließend ging es für die Beschäftigten weiter Richtung Kreishaus, wo es ebenfalls zu Kundgebungen kam. „Ich habe 42 Jahre nicht gestreikt, aber mittlerweile habe ich die Schnauze voll“, sagte ein Teilnehmerin während des Spaziergangs zum Klinikum Oberberg. Eine weitere ergänzte: „Ich streike nicht nur für mich, sondern auch für die Patienten, die eine bessere Pflege verdient haben.“
Georg Rakel, Betriebsratsvorsitzender der Helios Klinik, betonte in seiner Rede die Kritik und die Forderungen der Gewerkschaft: „Zu Beginn der Corona-Pandemie war die Solidarität mit uns groß, inzwischen ist sie verflogen und vergessen.“ Mehrere Versprechungen der vergangenen Tarifrunde seien nicht umgesetzt worden, die Arbeitgeber würden sich nicht an Absprachen halten. „Es muss Schluss damit sein, dass Pfleger zu Hause erschöpft aufs Sofa sinken und sich mehrere Stunden von der Arbeit erholen müssen“, prangerte er die Überbelastung angesichts von massivem Personalmangel und Unterbesetzung der Stationen an. „Gute und sichere Pflege gibt es nicht zum Null-Tarif“, forderte er von den Arbeitgebern ein akzeptables Angebot für die anstehenden Verhandlungsrunden.
Am Kreiskrankenhaus machte sich der Streik auch heute wieder bemerkbar. Erneut war es im Vorfeld zu keiner Einigung über eine Notdienstvereinbarung zwischen Gewerkschaft und Klinikleitung gekommen. Ver.di wirft der Geschäftsführung vor, an vier Jahren alten Zahlen festzuhalten, welche die tatsächliche pflegerische Besetzung nicht mehr widerspiegeln. Hierdurch würde den Beschäftigten das Grundrecht auf Streikteilnahme genommen. „Der Notdienst konnte gewährleistet werden“, sagte Dr. Anja Maria Dohrmann, Sprecherin des Klinikum Oberberg, auf OA-Nachfrage, es sei aber erneut zu Verzögerungen im Betriebsablauf gekommen.
Für kommende Woche kündigte ver.di neue Warnstreiks am 19. und 20. Oktober an. Diese sollten eigentlich in Köln stattfinden, aufgrund der hohen 7-Tage-Inzidenz-Zahl in der Millionenstadt wird derzeit aber nach einem Ausweichort gesucht. Am Klinikum Oberberg droht dann ein Chaos. 34 Mitarbeiter von drei Stationen der Inneren Medizin kündigten an, kommende Woche ihre Arbeit niederzulegen – das sind etwa 90 Prozent des Personals. „Wir verbitten uns während der Streikauseinandersetzung jegliches Kontaktieren der Streikenden“, heißt es in dem offenen Brief, man empfehle der Klinikleitung dringend die vorgelegte Notdienstvereinbarung zu unterzeichnen, um für die Streiktage ein Maximum an Verbindlichkeit, Ordnung und Patientensicherheit herzustellen.
Betroffen wäre unter anderem die Station für Corona-Fälle. „Dass diese hochsensible Station bestreikt werden soll, halten für wir sehr problematisch und indiskutabel“, sagte Dohrmann. Corona-Patienten müssten dann auf auf andere Stationen verlegt werden. „Wir haben einen Versorgungsauftrag, dem wir nachkommen müssen.“ Aufgrund der Androhung werde die Klinikleitung noch am heutigen Mittwoch Gespräche mit Vertretern von ver.di suchen, um zu einer Einigung zu kommen, so die Sprecherin. Solidarität erfuhren die Streikenden vom Kreisverband Oberberg der Partei Die Linke . "Wir stehen an der Seite der Beschäftigten. Von Applaus kann niemand seine Miete zahlen. Es ist längst an der Zeit, dass die systemrelevanten Berufe auch entsprechend bezahlt werden", sagte Kreissprecher Jan Köstering in einer offiziellen Mitteilung der Partei.
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