LOKALMIX

Zwiespalt zwischen Naturschutz und Nutztierhaltung

pra; 03.10.2023, 11:25 Uhr
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Symbolfoto: Rain Carnation auf Pixabay.
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Zwiespalt zwischen Naturschutz und Nutztierhaltung

pra; 03.10.2023, 11:25 Uhr
Oberberg – Tierhalter, Naturschützer und Jäger geben Einblicke in die Kontroverse um die Rückkehr des Wolfes - VHS-Ausstellung widmet sich dem Thema.

Von Jana Stiletto

 

Die Rückkehr des Wolfs spaltet die Meinungen im Bergischen wie kaum ein zweites. Die Interessen der Tierhalter stehen denen der Naturschützer gegenüber und das Konfliktpotenzial steigt: Seit 2017 kommt es im Kreisgebiet immer wieder zu Wolfsichtungen und auch Nutztierrissen. Zuletzt kamen im Juni mehrere Schafe und Lämmer in Wipperfürth zu Schaden, deren Verletzungen auf einen Wolf zurückzuführen waren. Schon seit August 2020 gelten große Teile des Oberbergischen als ausgewiesenes Wolfsgebiet oder Wolfpufferzone. Der Wolf ist also da. Doch wie soll damit umgegangen werden?

 

[Archivfoto: RLV --- Franz Bellinghausen.]

 

Der Vorsitzende der Kreisbauernschaft, Franz Bellinghausen, hat hierzu eine klare Meinung: „So wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen!“ Er sieht die Politik in der Verantwortung zu handeln. Dabei wünscht er sich mehr Gehör für die Bauernschaft und mehr Verständnis. Weil das Oberbergische aktuell als Wolfsgebiet ausgewiesen ist, ist es Tierhaltern möglich, im Rahmen der „Förderrichtlinien Wolf“ auf finanzielle Mittel des Landes zurückzugreifen, von denen der Bau von Wolfschutzzäunen bezuschusst wird oder durch den Wolf entstandene Schäden beglichen werden können. Diese Maßnahmen sind für den Vertreter der Landwirte nicht ausreichend. Er kritisiert, dass ausschließlich die Materialien bezuschusst werden. Der zeitliche Aufwand würde hingegen nicht entschädigt und bei der Errichtung der Zäune gebe es auch keine Hilfe.

 

Ein weiterer Kritikpunkt von Bellinghausen ist, dass die Fördermittel ausschließlich an die Halter von Schafen, Ziegen und Gehegewild ausgegeben werden, Halter von Pferden und Kühen aber leer ausgehen. Er sieht eine strikte Obergrenze der Wolfspopulation als einzige sinnvolle Lösung, um die Schäden gering zu halten: „Den Menschen muss klar werden, dass der Wolf nun mal ein Raubtier ist.“ Dabei stellt er in den Vordergrund, dass „der Tierschutz nicht nur für den Wolf gilt, sondern auch für heimische Nutztiere.“

 

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Dirk Birkhahn ist Wolfsberater und arbeitet für das Landesamt für Natur- und Verbraucherschutz. Er meint: „Der Wolf wird stark politisiert und ist gerade bei Landwirten ein heißes Eisen.“ Jedoch müsse man die Verhältnismäßigkeit von den aktuellen Risszahlen zur Anzahl der Nutztiere im Oberbergischen sehen. Er betont auch, dass im ganzen Kreisgebiet keine bestätigten Fälle von Schäden an Großvieh wie Rindern oder Pferden bekannt sind und dass bei fast allen Rissen an Schafen, bei denen er als Wolfsberater teils selbst zur Identifikation vor Ort war, kein oder nur ein unzulänglicher Grundschutz in Form eines Wolfschutzzauns gegeben war.

 

Das eigentliche Problem sei in seinen Augen, dass die bürokratischen Hürden für die Ausschüttung von Fördergeldern zum Herdenschutz zu hoch und der Prozess zu langwierig sei. Maßnahmen wie eine Populationsobergrenze oder die Entnahme von Wölfen lehnt er ab: „Es ist doch besser, man kennt den Wolf im Gebiet und kann die Schutzmaßnahmen daran anpassen, bevor sich ein fremdes Tier ansiedelt, bei dem diese dann nicht wirken.“ Eine Entnahme kommt für ihn nur infrage, wenn eine reelle Gefahr für den Menschen besteht. Solche Fälle seien jedoch sehr selten, da der Wolf den Menschen von Natur aus eher meidet. Insgesamt ist er der Auffassung, dass ein Eingreifen des Menschen ansonsten nicht von Nöten ist. „Die Ökologie kann mit dem Wolf funktionieren, denn die Beute reguliert den Jäger.“

 

Bernd Steinhausen, Vorsitzender der Kreisjägerschaft, kennt die konträren Ansichten aus den eigenen Reihen. Für ihn liegt der Weg im offenen Diskurs: „Die Politik muss mit den Landwirten und Viehhaltern, der Jägerschaft und den Wolfsberatern ins Gespräch kommen“ und es müsse zusammen nach einem Weg gesucht werden, mit dem alle leben können. „Der Wolf darf weder verharmlost oder romantisiert werden, noch darf er für seine Natur verteufelt werden.“ Er sieht das Thema sachlich: „Ich habe nichts gegen den Wolf. Für mich ist er ein Jagdkollege, von dem man noch viel lernen kann.“ Dennoch versteht er die Bedenken der Viehhalter: „Das Wild passt sich an den Wolf an. Die Nutztiere hingegen können nicht abwandern, um sich zu schützen.“

 

[Foto:  Jana Stiletto --- Die VHS veranstaltet im Gummersbacher Forum eine Ausstellung zum Thema Wolf.]

 

In beratender Funktion agiert Tatjana Puchberger, die in der Kreisverwaltung arbeitet und Ansprechpartnerin für den Natur- und Artenschutz ist. Auch ihr sind die Sorgen der Viehhalter wohl bekannt. Sie versucht in diesen Fällen zu helfen und darüber zu informieren, wo sich Betroffene Hilfe holen können und auf welchem Weg sie Fördermittel erhalten. Außerdem leitet sie die Hilfsanfragen an spezielle Wolfsberater weiter, die vor Ort klären, welche Schutzmaßnahmen im Individualfall getroffen werden können. 

 

Aktuell informiert auch die Volkshochschule Gummersbach in einer Veranstaltungsserie über den Wolf.  So können Interessierte eine interaktive Ausstellung im Gummersbacher Einkaufszentrum Forum besuchen. Der NABU zeigt die Lebensweise und Verbreitung der Wölfe, aber auch über die aktuelle Forschung zum Wanderverhalten der Tiere. Die Ausstellung ist noch bis Mittwoch, 11. Oktober, zu sehen. Das weitere Programm, in dessen Rahmen auch ein Dokumentarfilm im Kinocenter „SEVEN“ ausgestrahlt wird, ist auf der Homepage der VHS einzusehen.

 

 

Weitere Informationen:
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz - OBK

NABU OBK

Kontakte und Anlaufstellen Flyer OBK

Programm VHS

Karte Wolfsgebiet Oberberg

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