Oberberg - Zu wenig Impfstoff, zu wenig Tests, zu wenig Selbstbewusstsein - Schulen auf, Läden ein bisschen, Restaurants zu - Durchblick: auf der Strecke geblieben.
Von Bernd Vorländer
Wann kippt der erste? Wann sagt der erste Schulleiter, Bürgermeister, Verantwortliche von Institutionen: Bis hierher und nicht weiter? Warum? Weil minus mal minus nun mal eben nicht immer plus ergibt. Doch der Reihe nach. Mitte vergangenen Jahres hätten die meisten von uns dem Satz zugestimmt, wonach Deutschland Organisations- und Disziplin-Weltmeister ist. Das Land war überraschend stabil durch die erste Welle der Pandemie gekommen. Danach wurde es gruselig. Kein Konzept für die Digitalisierung der Schulen, die Impfstoffbeschaffung versemmelt, eine App als Lachnummer, keine Teststrategie usw. Dann traf uns die zweite Welle, die Folgen sind bekannt.
Und jetzt? Während in den USA im "Drive in" geimpft wird, wird hierzulande darüber diskutiert, wann und ob Hausärzte denn flächendeckend impfen können, welche Formulare auszufüllen sind und wie viel Quadratmeter ein Impfraum umfassen muss. Erst Mitte April kann es losgehen, heißt es achselzuckend, weil es zu wenig Impfstoff gibt. Wir öffnen viele Läden wieder vorsichtig - mit Abstand und Maske, und einem zwiespältigen Gefühl. Wären ausreichend Tests vorhanden, bestünde kein Grund mehr, Kneipen, Restaurants oder Fitness-Studios geschlossen zu halten. Ach ja, genügend Tests gibt es nicht. Und kostenfrei ist nur einer pro Woche. Was wäre denn sinnvoll? Täglich testen, wenn man Kontakt zu anderen Menschen hat, und die Kosten übernähme der Staat. Das wäre mal sinnvoll angelegtes Geld.
Wenn so viele "Minus" angehäuft werden, ist es fast schon egal, wenn wir bei gerade wieder dynamisch ansteigenden Inzidenzwerten die Schulen öffnen. Mit bewährter und jahrzehntelang eingeübter Ärmelschoner-Mentalität heißt es aus dem NRW-Bildungsministerium, dass jetzt zwingend Präsenzunterricht stattzufinden habe. Warum eigentlich? Hätten vier weitere Wochen kompletter Distanz-Unterricht wirklich zu einer Bildungskatastophe geführt? Natürlich nicht, auch wenn nachvollziehbar ist, dass Kinder, Jugendliche und Familien vom Homeschooling genervt sind. Jetzt also wieder volle Busse und viele Kontakte in den Schulen. Schnelltests soll es geben - aber möglicherweise nicht in der ersten Woche. Lieferengpässe, wieder mal. Und eine Testpflicht in den Schulen? Nein, ist nicht angedacht.
Am 13. März beträgt die Inzidenz in Oberberg 108. Schulen öffnen. Wird schon irgendwie gut gehen, hoffen die Verantwortlichen. Restaurants bleiben dicht: Viel zu gefährlich, heißt es. Aha.
Wenn inzwischen nur noch rund 40 Prozent aller Bürger mit dem Corona-Krisenmanagement zufrieden sind, kennzeichnet das die Stimmung im Land. Wann also sagen die inzwischen genervten Verantwortlichen vor Ort, die für die Pleiten, Pech und Pannen der übergeordneten Ebenen, den Kopf hinhalten müssen, laut und deutlich "Nein"? Gar nicht, das wird es nicht geben. Chaos und Anarchie wären programmiert, würde man manche Dinge selbst in die Hand nehmen, heißt es. Dabei haben Städte wie Tübingen und Rostock gezeigt, dass es anders gehen kann, wenn man mit Überzeugung, Konsequenz und Selbstbewusstsein agiert.
KOMMENTARE
1
Bestimmte Kreise hatten schon ohne corona chaos. mit corona will ich es nicht wissen.
Erik van Pumpel, 13.03.2021, 12:38 Uhr2
Ich halte von der Schulöffnung nichts. Die zwei Wochen bis zu den Ferien sind völlig sinnlos,die Teststrategie ist eine Katastrophe und von den nun anstehenden Kontakten in die wir gezwungen werden, möchte ich gar nicht reden. Aber Hauptsache das Gebauers Yvönnchen kann gut schlafen und träumt von ihrem erfüllten Bildungsauftrag. Glückwunsch und Gute Nacht.
DC, 13.03.2021, 12:48 Uhr3
Guter Kommentar,
lieber Herr Vorländer,
dem ist eigentlich nichts hinzu zu fügen! Volltreffer! ?
4
Ich gebe Ihnen vollkommen Recht. Es ist so gruselig und einfallslos, was um uns herum geschieht. Seit November im Lockdown und nun steigen die Zahlen schon wieder. Das heißt doch, dass die Schließung von Geschäften und Gastronomie sowie Hotels nicht das Mittel der Wahl ist. Es bringt rein gar nichts. Dass müsste auch der letzte so langsam merken. Und wenn die Infektionen wieder steigen, machen wir wieder alles dicht. Wie soll denn die Wirtschaft diese Kollateralschäden auffangen bzw. verkraften? Hat sich darüber schon jemand Gedanken gemacht? Wenn jeder sich ein bisschen rücksichtsvoll und eigenverantwortlich verhalten würde, wäre alles gut.
JG, 13.03.2021, 14:33 Uhr5
Stimme dem Kommentar voll zu.
Heribert Brautscheid, 13.03.2021, 15:37 Uhr6
Geschäfte, Gastronomie, Restaurants, Kinos können wegen mir öffnen!! Aber Kitas und Schulen, warum? Seit 14 tagen sind die Grundschüler wieder präsent Kitas tun so als seih nichts passiert!! Und siehe da, es sind genau diese Einrichtungen, die in Quarantäne sind! Immer mehr Kinder und junge Menschen sind von corona betroffen, und das kann definitiv nicht an den nicht vorhandenen "schnelltests" liegen, wie es unsere Politiker auslegen! Es ist ne Schande, dass sie diese 14 Tagennicht abwarten konnten...
T, 13.03.2021, 20:09 Uhr7
Auf den Punkt getroffen!!!!
Dk, 13.03.2021, 20:44 Uhr8
Ohne einen Lockdown sähe es bei uns noch ganz anders aus, dann müssten wir mit zwei- bis dreimal so vielen Toten rechnen. Der Lockdown wirkt, wer dies nicht versteht der fährt wohl auch ohne einen Sicherheitsgurt. Leider sind viele Leute halt im privaten Umfeld zu unvorsichtig, daher sinken die Zahlen nicht. Was mich aber an der ganzen Sache am meisten ärgert ist die Tatsache, dass unsere politische Elite (wenn man sie denn noch so nennen kann) schon seit 2013 ein Papier in der Schublade liegen hat, welches die jetzige Situation in all ihren Details beschreibt. Szenario "Modi-Sars", ein fiktives Pandemie-Szenario vom RKI zur Entwicklung von Gegenmaßnahmen aus dem Jahr 2013. Passiert ist seitdem, ganz genau, gar nichts! Wir sind quasi sehenden Auges in dieses Dilemma geritten.
Andre, 14.03.2021, 03:57 Uhr9
Das letzte, das sie beschreiben ist das entscheidende. Landrat und Bürgermeister agieren nur nach Weisung von oben. Kopf ausschalten und unterhalten, den Zeigefinger in Richtung der nächst höheren Ebene. Würden alle im Land so agieren... Denk ich an Deutschland in der Nacht....
Claus-Peter Bockhacker, 14.03.2021, 10:22 Uhr10
Wenn man immer das Gleiche macht und ein anderes Ergebnis erwartet ist das schlichtweg töricht, soviel zum Lockdown.
11
Es sind genügend Testkapazitäten vorhanden, wenn es politisch gewollt wäre. Das wurde von verschiedenen Seiten verhindert. PCR und keine Schnelltests!
B.M., 14.03.2021, 13:01 Uhr12
Ich sehe es etwas differenzierter:
Viele Maßnahmen ("Lockerungen") geschahen auf Druck aus der Bevölkerung und Wirtschaft.
Nun haben die Volksvertreter dem Druck trotz steigender Fallzahlen nachgegeben und es war wieder falsch.
Ich wollte kein Politiker sein. ?
Gleichwohl ich an der "Front" arbeite und das Leid fast täglich erlebe, möchte ich keinem Entscheider einen Vorwurf machen. Vielmehr bin ich dankbar, dass jemand den Mut hat Entscheidungen zu treffen und dafür auch geradezustehen.
13
@9: Völlig richtig. Landrat und Bürgermeister sollten sich z.B. am Tübinger Oberbürgermeister orientieren; dann hätte wir nicht die aktuellen massiven Probleme. Hagt, Helmenstein und andere handeln nur auf Weisung von oben. So wird Corona noch sehr lange und intensiv unser Leben einschränken. Unter verantwortungsvoller Politik verstehe ich was anderes!!!!
Peter, 14.03.2021, 16:37 Uhr14
@T. Nur weil in den Allgemeinverfügungen nun mehr Kitas und Schulen stehen, heißt es doch nicht, dass dort die Pandemie getrieben wird. Es gibt derzeit mehrere Unternehmen die mehrfach betroffen sind. Diese stehen dort nicht. Und Sie müssen wissen, dass Kinder, die in die Schule gehen, häufig in einer Familie leben. Und dort entstehen, durch Arbeit oder auch unvorsichtiges Verhalten die Infektionen. Aber es gibt so viele Kitas und Schulen in Oberberg, da ist die aktuelle Zahl der AV in Oberberg überschaubar.
Christian , 14.03.2021, 22:12 Uhr15
Würde sich jeder an die verordneten/vereinbarten Regeln halten, ginge es uns besser. Den Sinn, kurz vor den Osterferien Präsenzunterricht anzusetzen kann ich nicht erkennen. Die einzig sinnvolle Strategie erscheint mir impfen, impfen impfen.
J.M., 14.03.2021, 22:14 Uhr16
Schulen öffnen, die Gemeinde Reichshof bleibt für den Publikumsverkehr geschlossen.. zum Schutz der Beschäftigten? Oder weil man erwachsenen Menschen einen Schnelltest nicht zumuten kann?
Reichshofer, 18.03.2021, 15:48 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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