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Demografie – Oberbergs größtes Pulverfass

bv; 07.01.2020, 16:37 Uhr
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Demografie – Oberbergs größtes Pulverfass

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bv; 07.01.2020, 16:37 Uhr
Oberberg – In den kommenden Jahren werden dem oberbergischen Arbeitsmarkt immer mehr junge Beschäftigte fehlen, während die Zahl der älteren Menschen deutlich zunimmt.

Von Bernd Vorländer

 

Wer benötigt ihn nicht, den guten Handwerker, der die Heizung repariert oder die Undichtigkeit am Dach beseitigt? Wer braucht sie nicht, die Pflegekraft, die Kranke und Ältere umsorgt? Oder den Bäcker, den Metzger oder die Bau-Fachkraft? Sie alle sind gefragt, sie alle sind Problemlöser und tragen erheblich dazu bei, dass es uns im Leben an wenig fehlt. Soweit die Theorie – die Praxis sieht anders aus, und die Zukunft ziemlich düster, auch in unserer Region. Der Mangel ist programmiert. Nämlich der Mangel an Menschen, die künftig noch diese und viele weitere Arbeiten erledigen. Wer über Fachkräftemangel spricht – und das tun viele – der sollte nicht nur über das Fehlen von IT-Spezialisten und Technikern jammern, sondern auch die oben genannten Berufe in den Blick nehmen.

 

Fakt ist: In den kommenden zehn Jahren wird auch Oberberg in den demografischen Würgegriff geraten. Insgesamt nimmt die Zahl der Menschen im Kreis gar nicht einmal so dramatisch ab. Von 272.000 Menschen im Jahr 2018 auf 254.000 im Jahr 2030. Etwas anderes ist besorgniserregend. Danach nimmt die Zahl der 16 bis 25-Jährigen deutlich ab. Wurden in dieser Altersgruppe im Jahr 2004 noch 32.000 Menschen gezählt, sind es 2030 voraussichtlich ein Drittel weniger. Gleichzeitig steigt die Zahl der über 65-Jährigen im Kreisgebiet bis 2030 um fast 30 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2004 an. Oder anders ausgedrückt: Auch unsere Region vergreist.

 

Die Zahl der Erwerbsfähigen, also der Menschen, die Wohlstand schaffen und Steuern zahlen, schrumpft bundesweit innerhalb von zehn Jahren um 3,8 Millionen. Schon jetzt fehlen Auszubildende vor allem im Handwerk, beim Bäcker, Fleischer oder Klempner, in der Gastronomie und auf dem Bau. Wer etwas zu reparieren hat, wartet mitunter Wochen. Öffentliche Bauprojekte und Sanierungsarbeiten bleiben noch viel länger liegen. Handwerker sind heiß begehrt. Und dieser Trend, dass der Nachwuchs fehlt, nimmt dramatisch zu. Benötigt Oberberg in diesem Zusammenhang nicht einen großen Wurf aller Akteure – von Politik, Tarifpartnern, Handwerk, der Wirtschaft insgesamt? Müssen nicht politische Entscheidungen künftig immer unter einen Demografie-Vorbehalt gestellt werden? Die Region muss in den kommenden Jahren jedenfalls alle Kräfte bündeln, will man sich in Konkurrenz zu Städten und anderen Landstrichen behaupten.

 

Und es gilt, sich ehrlich zu machen und mit Denkfehlern aufzuräumen:

 

● Wo ein Mangel entsteht, steigen die Preise. Deshalb: Nicht nur Pflegekräfte – auch die – sondern viele weitere Berufe benötigen eine deutlich bessere Bezahlung. Wer dies auch hier vor Ort außer Acht lässt, wird in einigen Jahren ohne die dringend benötigten Arbeitskräfte dastehen.

 

● Kein Jugendlicher darf ohne Qualifikation bleiben.

 

● Es braucht mehr Flexibilität, die sich auch an einer höheren Arbeitsquote von Frauen und älteren Arbeitnehmern orientiert.

 

● Ohne Zuwanderung wird nichts mehr gehen. Sonst werden auch oberbergische Unternehmen ihre Aufträge nicht abwickeln können, Kommunen als Folge Steuereinnahmen verlieren, der Konsum nachlassen usw. Allerdings: Die Integrationsfehler der Vergangenheit kann sich diese Gesellschaft nicht mehr leisten.

 

 

 

 

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KOMMENTARE

1

Man sollte auch so ehrlich sein zu sagen was fehlt: Digitalisierung. Digitalisierung im Rathaus - mehr Dinge online erledigen können und auf den einen oder anderen Besuch vor Ort zu verzichten. Digitalisierung von Backstuben: Ein Backautomat kostet eine Fachkraft weniger und ermöglicht Flexibilität. Oder hier auf dem Land: Eine App mit der ich am Abend meine Brötchen vorbestellen kann und bekomme die am nächsten morgen geliefert - früher gab es (zumindest hier) Sonntags so etwas. Wir brauchen einen erheblich besseren ÖPNV! Ein Bus der alle halbe Stunde oder jede Stunde fährt ist keine Option - hier wären autonom fahrende Autos eine Option. Warum kein Pilotprojekt in Oberberg? Fördermittel einstreichen und die digitale Zukunft hierher holen? Es wäre gut für alle.

Hubertus Mark, 07.01.2020, 17:04 Uhr
2

Und es gilt, sich ehrlich zu machen und mit Denkfehlern aufzuräumen: Haben wir nicht die ganzen Fachkräfte in der Vergangenheit schon im Mutterleib getötet?!

Johannes Rüther, 08.01.2020, 09:34 Uhr
3

resp.: "Wir brauchen einen erheblich besseren ÖPNV! Ein Bus der alle halbe Stunde oder jede Stunde fährt ist keine Option - hier wären autonom fahrende Autos eine Option" oder "Ein Backautomat kostet eine Fachkraft weniger und ermöglicht Flexibilität" Digitalisierung? Ist doch alles da....
Hallo Herr Mark,
ich möchte keinem autonom fahrenden Bus entgegenkommen. Und Backautomaten welche Arbeitskräfte einsparen?? Brötchen wollen Sie sicher auch autonom ausfahren lassen! Haben Sie etwa (noch) einen sicheren Arbeitsplatz? Sind Sie vielleicht schon Rentner? Sie haben einen für meine Vorstellungen etwas überhöhten Anspruch an die Gesellschaft? Heben Sie lieger Ihren Hintern am Sonntagmorgen hoch und holen Sie sich die Brötchen bitte selbst. Usw. usw. Fragen über Fragen.

Richard Flegel, 08.01.2020, 11:48 Uhr
4

@Johannes Rüther: Bitte was??

Sven, 08.01.2020, 16:43 Uhr
5

@Richard Flegel: und genau wegen solchen Denkweisen geht es in diesem Land schon seit Jahren nicht mehr voran!

Alex, 08.01.2020, 23:30 Uhr
6

@Sven: Ganz einfach, in den letzten Jahrzehnten sind mehrere Millionen! Babys allein in Deutschland abgetrieben worden, die uns heute fehlen. Wenn die Eltern ihres Fliesenlegers abgetrieben hätten, dann wäre ihr Fliesenleger nicht da. Also: Bitte was?

Johannes Rüther, 09.01.2020, 12:33 Uhr
7

Ja ne is klar... Schlagzeilen wie: Leichter Anstieg Arbeitslosigkeit, Mehr Arbeitslose... Firmen denken über Kurzarbeit nach...
Und auf der anderen Seite: Seit 2015 sind (angeblich nur) 2 Millionen Fachkräfte nach Deutschland gekommen. Erstens widerspricht sich das und selbst wenn nicht. Warum wurden die nicht qualifiziert in 5 Jahren oder deren Abschlüsse anerkannt? Aber wir brauchen dringend noch mehr Einwanderer. Und Sanktionieren darf man die Leute ja auch kaum noch. Warum auch? Hauptsache wir sind jeden Morgen so doof aus dem Bett zu klettern und alle durchzufüttern. Als hätten wir in Deutschland nicht schon genug Einheimische die auf der faulen Haut liegen!

Axel, 09.01.2020, 12:47 Uhr
8

Die Berichterstattung über den demografischen Wandel irritiert mich. In der Praxis: einer unserer Söhne wollte im Oberbergischen eine Tischlerausbildung machen. Praktikum gerne. Eine Antwort auf die Frage, ob eine Ausbildungsstelle angeboten werden kann wurde vermieden, solange das Praktikum andauerte.
Fazit: Er war eine billige Arbeitskraft. Wenn ein junger Mensch bei einem Beruf, den er sich wünscht und sich dort auch im Praktikum einbringt und trotz handwerklichen Geschicks als auch guten schulischen Qualifikation acht Absagen bekommt, dann stimmt etwas nicht. Wenn dann die Botschaft "Wir brauchen mehr Fachkräfte aus dem Ausland" in den Nachrichten der Politik vernehmen muss, bekomme ich unendliche Wut. Politische Trickserei für billige Arbeitskräfte ist das. Ein übles Rechenspiel.

Harald, 12.01.2020, 14:13 Uhr
9

Pro Jahr gibt es ungefähr 1% Arbeiter weniger.
Das dürfte kein Problem sein.Ein Problem ist eher das der Staat jeden mit einem Abitur beglücken will,diese Kinder sind sich für das Handwerk dann zu fein(ist in Tunesien auch so.Es gibt dort Arbeit,nur will sie keiner machen)obwohl sie nicht mal mehr im Kopf rechnen können oder wissen wo Norden ist.

Peter Müller, 13.01.2020, 09:29 Uhr
10

@Herr Rüther: stimme Ihnen voll und ganz zu! Wir haben in den letzten 30 Jahren sicher mehr als 3 Mio. potentielle einheimische Mütter, Handwerker, Ingenieure, Mediziner, Künstler usw.usw. (ich verzichte politisch inkorrekt auf das Gender-Sternchen, weil das völliger Kappes ist, und meine selbstredend die 2 echten und dieses Mal politisch korrekt auch die 58 anderen nur im benebelten Verstand einiger Zeitgenossen vorhandenen Geschlechter) erst gar nicht auf die Welt kommen lassen. Und nun bekommen wir dafür die vielen Fachkräfte (oder Goldstücke, O-Ton Katrin Göring-Eckhart, aber sorry, noch viel mehr, denn "Was die Flüchtlinge uns bringen, ist wertvoller als Gold", O-Ton Martin Schulz) und lösen unser demografisches Problem. Wir können also trotz allem getrost in die Zukunft schauen.

Kurt Richter, 13.01.2020, 21:11 Uhr
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