Engelskirchen - Michael Gretschel äußert sich zum Artikel "Kontroverse Meinungen zum Baugebiet" vom 23. Mai.
Anlässlich der Planung eines Wohnbaugebietes in der Nachbarschaft sollen acht Hektar Waldfläche weichen. Zur Rechtfertigung des Vorhabens wurde vom Gemeindevorstand der Kunstbegriff „minderwertiger Wald“ geprägt, um die Versiegelung der Fläche zu rechtfertigen.
Durch solch eine Argumentation fühle ich mich logisch und persönlich beleidigt. Warum?
Auf meinem Nachhauseweg im Januar 2007 wurde ich vom klimabedingten Wirbelsturm Kyrill überrascht. Die Straßen waren nicht mehr passierbar und ich musste zu Fuß durch den besagten Wald laufen.Dabei sah ich in kürzester Zeit stolze alte Bäume links und rechts um mich herum fallen bis nur noch ein Trümmerfeld übrig war. Jetzt, 14 Jahre später, hat der Wald sich mit einer Schicht aus Pionierbäumen wie Birken und Ebereschen als schützende Vorläufer für große Bäume überzogen. Nicht so stolz wie 2007, aber es braucht Zeit zur Selbstheilung.
Wie erbärmlich, einen sich von der Klimaveränderung heilenden Wald „minderwertig“ zu nennen.
Zur meiner ökologischen Gewissensberuhigung muss deshalb wohl auch ein weiterer Kunstbegriff kreiert worden sein: „Ausgleichsfläche“. Wie ein Mantra wird es uns ständig vermittelt: „Bauland wird kompensiert durch Ausgleichsfläche“. Wie muss ich mir als Bürger eine „Ausgleichsfläche“ vorstellen? Nach Recherchen assoziiere ich „Ausgleichsfläche“ eher mit Tricksereien wie der CO2-Steuer oder ihres Mittelalter-Pendants, dem Ablasshandel.
Natürlich muss gebaut werden. Als Bürger und Gemeindemitglied möchte ich jedoch nicht mit Tricks für dumm verkauft werden.
2019 hat die Gemeinde Engelskirchen den „Klimanotstand“ ausgerufen. Anlässlich der grauenhaften Anblicke der Waldflächen in unserer Region und der Erinnerung an Begriffe wie „Waldsterben“ und „saurer Regen“ aus meiner Jugend habe ich mich gefragt, ob dieser Begriff tatsächlich für den Beginn eines Umdenkens in den Köpfen von Politik und Verwaltung steht.
Michael Gretschel, Engelskirchen
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