Oberberg - Plötzlich ändert sich unser Leben, wie an einer historischen Weggabelung - Corona beeinflusst massiv unser Privatleben und die Bewertung dessen, was uns wirklich wichtig ist.
Von Bernd Vorländer
Was diese Krise mit einem persönlich macht - das hätte ich mir vor einigen Wochen noch nicht vorstellen können. Bislang war das doch so: Jeder von uns hatte ein Grundgerüst, an dem man sich orientieren konnte. Darin waren kurz- und langfristige Termine und Pläne verankert, der Urlaub eingebaut, der Sport und wann die Kinder vom Musikunterricht oder dem Training abzuholen waren. Plötzlich alles Makulatur. Zum einen hat das natürlich eine ganz praktisch Folge, weil nach den Corona-Verboten ein öffentliches Leben auf Sparflamme stattfindet. Zum anderen aber machen wir uns auch darüber Gedanken, was eigentlich in unserem Leben wichtig ist - und was nicht. Vieles ist nicht mehr in Stein gemeißelt, und das ist gut so. Diese Reset-Taste braucht es ab und an. Dass es allerdings dieses Virus' bedurfte, um uns einige Dinge klar zu machen, ist geradezu schicksalhaft.
Gemeinsames Essen, gemeinsame Zeit mit der Familie erhalten bei vielen Menschen einen neuen Stellenwert. Wir haben unser Hygiene-Verhalten geändert. Unserer Hände und wie oft wir damit ins Gesicht langen, werden wir in diesen Tagen erstmals bewusst. Wir lernen, dass Deutsche offenbar Toilettenpapier, Mehl und Nudeln benötigen, um sich gegen jede Notlage zu wappnen. Wir erkennen, mit welcher falschen Selbstverständlichkeit wir bislang im Alltag unterwegs waren, weil wir glaubten, kaum ein Ereignis könne uns aus der Bahn werfen. Und dann kam das Virus. Wir werden geflutet von Nachrichten, Sondersendungen, Meinungen. Dabei ist gerade Medienkompetenz gefragt, um den Über- und Durchblick im Informationsdschungel zu behalten. Wir genießen - ja, auch das. Viel mehr als früher ist der Spaziergang mit der Familie eine Möglichkeit, Gemeinschaft zu pflegen und die beruhigende Wirkung von Natur zu erfahren.
Sicher, jeder will wissen, wann die Beschränkungen ein Ende finden. Schließlich hängen daran auch Existenzen. Doch niemand sollte denen glauben, die gerade vollmundig schon Exit-Strategien entwickeln. Die Wahrheit ist: Niemand kann wissen, ab welchem Zeitpunkt eine Teil-Normalität wieder hergestellt ist. Es kann am 20. April soweit sein, oder erst Mitte Mai, oder noch später. Zur Wahrheit gehört auch: Immer dann, wenn die Prozentzahl der Infizierten deutlich nach oben geht, wird der Staat erneut zu Schließungen und Ausgangssperren greifen müssen. Wer an dieser Notwendigkeit zweifelt, sollte sich Bilder italienischer Intensivstationen anschauen - es sind Dokumente wie aus einem Kriegsgebiet. Und ja, es ist ein Krieg - wir gegen das Virus.
Bleiben Sie gesund.
KOMMENTARE
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Bernd, wie immer auf den Punkt gebracht!!
Thomas Hohleich-Albert, 31.03.2020, 09:16 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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