BLAULICHT
25-Jähriger soll zwei Frauen und ein Mädchen zum Sex erpresst haben
Bergneustadt/Köln – Seit heute muss sich am Kölner Landgericht ein Bergneustädter wegen sexuellen Missbrauchs in 13 Fällen verantworten – 25-Jähriger legt vollumfängliches Geständnis zum Auftakt ab.
Von Peter Notbohm
Es gehört mittlerweile zur Generation Instagram dazu: Viele Jugendliche verschicken heute Nacktbilder über die sozialen Medien, auch an Menschen, die sie eigentlich kaum kennen. Zu was das führen kann, sieht man nun bei einem Prozess, der am Landgericht Köln am Donnerstag gestartet ist.
Den Blick nach unten gerichtet, hört sich Ünal T. (Anm.d.Red.: Name geändert) die Vorwürfe an, die ihm die Staatsanwaltschaft macht. Seit heute muss sich der 25-jährige Bergneustädter wegen sexuellen Missbrauchs in 13 Fällen vor der 2. Großen Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Christoph Kaufmann verantworten. Zum Prozessauftakt legte der Angeklagte, der seit dem 12. Juni in Untersuchungshaft sitzt, über seine Verteidigerin ein vollumfängliches Geständnis ab.
Die Vorwürfe sind massiv und widerlich – und wahrscheinlich längst nicht das Ende der Fahnenstange: Zwischen 2017 und dem 31. Oktober 2021 soll der junge Mann zwei junge Frauen und eine Jugendliche mehrfach erpresst und bedroht haben, damit sie mit ihm den Beischlaf vollziehen, sich in Videochats vor ihm entblößen bzw. sich vor der Kamera befriedigen.
Begonnen haben soll alles spätestens im Februar 2020. Damals soll Ünal T. über Instagram eins seiner Opfer kennengelernt haben, sich mit ihr getroffen und sie schon beim ersten Date unsittlich berührt haben. Miteinander geschrieben habe man anschließend trotzdem weiterhin – auch intim, wie der Angeklagte sagt. Bei einem zweiten Treffen soll er ihr dann gedroht haben, ihrer Mutter zu erzählen, dass es zu intimen Berührungen gekommen sei und sie zum Sex aufgefordert haben.
Aus Angst vor ihren Eltern soll sie eingewilligt haben, Ünal T. soll den Sex sogar gefilmt haben und sie damit weiter erpresst haben. Es sollen weitere Videochats gefolgt sein und auch der Beischlaf soll noch mindestens zwei Mal vollzogen worden sein. Ähnlich lief es auch bei den anderen beiden Opfern ab, darunter eine damals 15-Jährige: Auch hier soll er durch Drohungen Sex bzw. intime Videochats eingefordert haben, von denen er Aufnahmen und Screenshots gemacht haben soll. Aus Angst vor ihren strenggläubigen Familien sollen die Opfer eingewilligt haben. Der Bergneustädter betonte, er habe nicht gewusst, wie alt die Jugendliche gewesen sei, als er intime Fotos verlangte.
Er habe während der Zeit in Untersuchungshaft viel Zeit gehabt, nachzudenken und die Konsequenzen seines Handelns zu erfassen, ließ der Bergneustädter über seine Anwältin ausrichten. Er wisse, dass seine Worte niemals ausreichen können, sich zu entschuldigen und es ein langer Weg zur Vergebung sei. Mit seinem Geständnis wolle er auch dazu beitragen, dass seine Opfer vor Gericht nicht mehr Zeit verbringen müssen als zwingend notwendig.
Der in solchen Verfahren als besonders erfahren geltende Vorsitzende Kaufmann sprach im Anschluss zwar von einem „vollumfänglichen Geständnis ohne Abstriche“, wirklich zufrieden war er trotzdem nicht. „Hier stehen ja noch mehr Dinge im Raum“, nannte er zwei weitere Namen, in deren Fällen die Ermittlungen noch laufen, dazu schöpfe die Anklage bislang „längst nicht alles aus, was die Frauen bei der Polizei zu Protokoll gegeben haben“. So sind bei einem Opfer nur zwei Taten angeklagt, in ihrer polizeilichen Vernehmung habe sie aber von mindestens zehn Fällen gesprochen.
Es gebe viele offene Fragen, auf die das Gericht Antworten haben wolle, meinte Kaufmann und forderte den Anklagten zu noch mehr Kooperation auf: „Selbst wenn die Erklärung ihrer Verteidigerin messerscharf an der Anklage entlang formuliert wurde, ist sie erst einmal nur ein Bruchstück der ganzen Geschichte. Hier gibt es viel mehr zu sagen und das wären Dinge, wo sie Figur machen können!“ Er habe beim Lesen der Akte mehrfach ein „komisches Gefühl“ gehabt, so der Vorsitzende.
Ausführliche Angaben macht Ünal T. zu seiner Kindheit und Jugend. Er sei als jüngstes von drei Kindern in einer traditionellen, religiösen, türkischen Familie aufgewachsen. Zu seinem Vater habe er ein zerrüttetes Verhältnis, weil der ihn geschlagen und getreten habe und sein Azubigehalt eingefordert habe. Auch zu seiner Schwester bestehe nur ein loser Kontakt, nachdem diese vor den strengen Traditionen geflüchtet sei. Überhaupt herrsche innerhalb der Familie teilweise eine Mauer des Schweigens. So werde unter anderem nicht offen angesprochen, warum die Polizei wegen der Vorwürfe gegen ihn bereits zwei Mal die gemeinsame Wohnung durchsucht habe.
Aufgeklärt worden sei er in der Schule und nicht von der Familie. Pornografie habe er sehr regelmäßig konsumiert - „Aber immer nur das Normale“. Als seine persönlichen Bezugspunkte bezeichnete er seinen großen Bruder und seine aktuelle Freundin, mit der er sich während der U-Haft verlobt habe. Wie viel die Frau von den Vorwürfen weiß, wollte der Richter wissen. „Nur im Groben, nicht detailliert.“ Laut seiner Verteidigerin wird sie voraussichtlich von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Fortgesetzt wird der Prozess kommende Woche. Dann wird in nichtöffentlicher Sitzung eins der drei Opfer aussagen, die allesamt auch als Nebenkläger in dem Verfahren auftreten. Bis dahin solle sich auch der Angeklagte Gedanken machen, inwieweit er auf die zahlreichen offenen Fragen antworten wolle, gab der Richter ihm mit auf den Weg. Insgesamt sind neun Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird für den 5. Oktober erwartet.
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