BLAULICHT

17 Messerstiche: Nur Zentimeter am Tod vorbei

pn; 13.05.2025, 18:00 Uhr
Foto: Peter Notbohm --- Ein 28-Jähriger aus Bulgarien und ein 25-jähriger Gummersbacher müssen sich vor dem Landgericht Bonn wegen versuchten Mordes verantworten.
BLAULICHT

17 Messerstiche: Nur Zentimeter am Tod vorbei

pn; 13.05.2025, 18:00 Uhr
Reichshof/Bonn – Prozessstart am Landgericht Bonn – Zwei Männer (28 und 25) müssen sich wegen versuchten Mordes verantworten – Während einer Schlägerei soll einer von ihnen ein Messer gezogen und seinen Kontrahenten niedergestochen haben.

Von Peter Notbohm

 

Nur ein Zentimeter entschied über das Leben von Hassan P. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert). Insgesamt 17-mal wurde in der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober des vergangenen Jahres auf den Reichshofer mit einem Taschenmesser mit einer acht Zentimeter langen Klinge vor seiner Wohnung in Brüchermühle eingestochen. Ein Stich verletzte ihn am Hals, verfehlte die Hauptschlagader dabei nur um einen Zentimeter. Ein weiterer Stich am Rücken durchdrang die Lunge, in die über ein Liter Blut lief. Weitere Verletzungen erlitt er auch an Beinen, Brust, Bauch und Armen. Nur dank einer Notoperation überlebte er die lebensbedrohliche Attacke.

 

Seit Dienstag müssen sich deshalb Esat I. (28) und Saad J. (25) wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor einem Schwurgericht der 4. Großen Strafkammer am Landgericht Bonn verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Syrern aus Bulgarien und Gummersbach heimtückisches Handeln vor. Sie sollen die Arg- und Wehrlosigkeit ihres Opfers ausgenutzt und unvermittelt auf es eingestochen haben. Demnach soll es um 1 Uhr nachts zu einem Streit in der Reichshofer Ortschaft gekommen sein. Dieser habe sich zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen Esat I. und Hassan P. entwickelt.

 

Im weiteren Verlauf soll der 28-Jährige unvermittelt das Messer gezogen haben. Saad J. soll laut Anklage mindestens einmal zugeschlagen, zudem das Opfer festgehalten haben, damit Esat I. weiter habe zustechen können. Erst als ein Nachbar, der sich in seiner Nachtruhe gestört sah, sich mit einem Baseballschläger der Schlägerei laut schreiend genähert habe, sollen die Männer abgelassen haben und mit ihrem Wagen geflüchtet sein. Der Nachbar leistete auch erste Hilfe und alarmierte die Rettungskräfte.

 

Zum Prozessauftakt, der unter großem öffentlichem Interesse stattfand, sagten beide Angeklagten ausführlich aus. Sie wiesen den Mordvorwurf von sich und gaben dem Opfer eine erhebliche Mitschuld am Eskalieren der Situation. Über seine Verteidigerin ließ Esat I. erklären, dass er sich wegen der anstehenden Hochzeit seines Bruders in Deutschland befunden habe. Man habe den Abend bei einem Cousin in Waldbröl verbracht, habe dort Anzüge anprobiert, Raki getrunken (ein Atemalkoholtest zeigte sechs Stunden nach den Stichen einen Wert von 0,04 Promille) und Karten gespielt.

 

Dort habe er auch das Taschenmesser in einer Vitrine neben Feuerzeugen gesehen. Er habe es so schön gefunden, dass er es eingesteckt habe, um es später an seinen Schlüsselbund zu stecken, sagte seine Anwältin. Gegen Mitternacht seien er und Saad J., der nichts getrunken habe, Richtung Reichshof zu seinem Bruder aufgebrochen. Vor dem Haus habe man sich noch unterhalten, als plötzlich das spätere Opfer mit quietschenden Reifen herangerast sei.

 

Hassan P. sei sofort aggressiv aufgetreten und habe den beiden klar gemacht, dass sie nichts vor seinem Haus zu suchen hätten. Auch der erste Schlag sei von ihm ausgegangen. Ihr Mandant habe den Treffer an der linken Schläfe mehrfach als „weißen Blitz“ beschrieben, so die Verteidigerin. An die Schlägerei habe Esat I. hingegen keine Erinnerungen mehr; er selbst erlitt Schnittwunden an der Hand. Als er das Blut an seinen Händen gesehen habe, habe er nur noch weggewollt und sei geschockt gewesen. Gegenüber Saad J. habe er später erklärt, dass er das Messer zufällig mitgehabt habe, eine Absprache habe es nie gegeben.

 

Das bekräftigte auch der 25-Jährige: „Ich hatte keine Ahnung, dass er ein Messer dabeihatte.“ Auch er berichtete, dass Hassan P. – noch in seinem Auto sitzend - sofort aggressiv aufgetreten sei. Anfangs habe er das noch für einen Spaß unter Nachbarn gehalten. Doch Hassan P. habe sich provoziert gefühlt und sei aus seinem Wagen ausgestiegen. Er habe noch versucht, die Situation zu deeskalieren – vergeblich. Nach dem ersten Schlag habe sich Hassan P. „wie ein Boxer“ aufgestellt.

 

Seine Versuche, die beiden Kontrahenten zu trennen, sollte der 25-Jährige auf Weisung des Vorsitzenden Richters an zwei Wachtmeistern demonstrieren. Wenn dies vor einem halben Jahr allerdings ähnlich zaghaft geschehen sein sollte, dürfte klar sein, warum er die Schlägerei nicht gestoppt bekam. Erst nach einem weiteren Tritt habe Hassan P. abgelassen und ihm noch zugerufen, er soll seinen „besoffenen Freund mitnehmen“. Den heraneilenden Nachbarn habe er nur noch aus dem Augenwinkel wahrgenommen, sagte Saad J. Über den Zustand des Messeropfers zu diesem Zeitpunkt äußerte er sich nicht.

 

Anschließend sei man wieder nach Waldbröl gefahren. Auf der Fahrt habe ihm Esat I. erzählt, dass er zugestochen habe, sich aber an keine Details erinnern könne. Er selbst sei unverletzt geblieben, nur ein roter Blutfleck auf seinem Hemd habe von der Auseinandersetzung gezeugt. In Waldbröl habe man die Wunden des 28-Jährigen versorgt, zudem versucht, dessen Bruder zu erreichen. Schließlich habe man sich schlafen gelegt und sei gegen 6 Uhr von der Polizei geweckt worden, die die Männer widerstandslos festnahm; seitdem sitzen sie in U-Haft.

 

Ausgesagt haben am Dienstag neben den beiden Angeklagten auch die vier Polizeibeamten, die den Fall damals aufgenommen haben. Zudem wurden zahlreiche Bilder von den blutigen Folgen der Schlägerei vor dem Haus gezeigt. Das Opfer soll kommende Woche aussagen. Insgesamt sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird für den 26. Mai erwartet.

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