LOKALMIX
Abbau statt Abriss: Haus wird Würdigung fürs Ehrenamt
Oberberg – Förderverein möchte 200 Jahre altes Haus, das noch in Radevormwald steht, im Freilichtmuseum Lindlar wieder aufbauen – Ort der Begegnung und für spannende Projekte.
Von Lars Weber
200 Jahre steht das Hofhaus schon im Örtchen Heide, unweit von Radevormwald. Auf den ersten Blick wirkt es unscheinbar, wurde aber im Lauf der Zeit immer wieder den wandelnden Bedürfnissen seiner diversen Eigentümer angepasst und vielfach baulich verändert. Nun ist sein baulicher Zustand so schlecht, dass es abgerissen werden soll. Wäre da nicht der Förderverein des LVR-Freilichtmuseums in Lindlar, wo der historische Wert des Gebäudes erkannt wurde. Deshalb soll das Haus tatsächlich aus Heide verschwinden. Allerdings soll es nicht abgerissen, sondern abgebaut und im Museum wieder neu aufgebaut werden. Aus den 70 Quadratmetern soll ein zentraler Begegnungs- und Lernort für das Ehrenamt werden, wie Leiter Michael Kamp und seine Mitarbeiterin Anka Dawid-Töns erklären.
Mit diesem Ort solle das außergewöhnliche ehrenamtliche Engagement im Museum gewürdigt werden, so Kamp. Ziel sei es, bessere Rahmenbedingungen für die Ehrenamtler zu schaffen, den Engagierten einen Ort des Austauschs, des Kennenlernens und der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben zu bieten. Als Lernort könnten dort zudem von den Vereinsmitgliedern Workshops und Projekte zu diversen Museumsthemen angeboten werden, beispielsweise Bauen, Garten- und Landschaftspflege oder Technik. Damit sollen vor allem auch jüngere Fördervereinsmitglieder angesprochen und gewonnen werden. „Sie sollen motiviert werden, gemeinsam in generationenübergreifenden Projekten an der Gestaltung und Weiterentwicklung des Museums mitzuwirken.“
Der Förderverein
Rund 3.000 Mitglieder haben die „Freunde und Förderer des Bergischen Freilichtmuseums Lindlar“ momentan. Der Verein finanziert in erheblichem Umfang nicht nur Projekte mit, sondern ein Teil seiner Mitglieder engagiert sich auch im Museum selbst: Bei Veranstaltungen bewirten sie die Gäste, betreiben in eigener Regie die Steinbruchbahn, pflegen Gärten und befassen sich in einem historischen Arbeitskreis mit der Geschichte des musealen Einzugsbereiches.
Für das "Haus des Ehrenamts" soll ein detailliertes Nutzungskonzept erarbeitet und das Gebäude in einem weiteren Schritt ausgestattet werden mit einem Versammlungsraum mit Teeküche und einer modularen Grundausstattung für einen Archiv- und einen Ausstellungsraum. Aufgebaut werden soll das Haus aus Heide im Museum in der Nähe zum Haus Lindscheid. Eine in der neuen Baugruppe vorhandene Toilettenanlage könnte an das Gebäude angefügt werden.
Auf das "Kleine-Leute-Haus" in Heide wurde Michael Kamp von einer Bekannten aufmerksam gemacht. "Das ganze Grundstück wird verkauft und es gibt auch viele Interessenten." Für den Förderverein ist aber nur das eine Gebäude von Interesse. Fest steht bislang, dass der Abbau des Hauses in Heide im April erfolgen soll. "Wir können das Haus nicht im Ganzen nach Lindlar holen, sondern es muss nach und nach abgebaut werden." Die Teile werden anschließend zunächst repariert, bevor das Haus als Gerüst wiederaufgebaut wird. Dafür reichen die Mittel des Vereins zunächst.
Um das Nutzungskonzept umzusetzen, müssen weitere Spenden gesammelt werden. Spendern soll dabei die Möglichkeit gegeben werden, sich irgendwie im Haus namentlich zu verewigen. "Wir wissen noch nicht genau, wie wir dies umsetzen, vielleicht mit einer Plaktette", sagt Kamp. Wer Interesse daran hat, kann sich hier bei Werner Hütt vom Förderverein melden. Ein wenig Geduld wird aber nötig sein, bis die ersten Veranstaltungen in dem Gebäude auf dem Gelände des Freilichtmuseums stattfinden können. Michael Kamp rechnet damit, dass es bis zu zweieinhalb Jahre dauert, bis das Projekt komplett umgesetzt ist.
Ein Blick in die Geschichte
Das Hofhaus in Radevormwald-Heide stammt wohl aus dem 18. Jahrhundert und ist laut Kamp und Dawid-Töns ein typisches Beispiel für die einst im Bergischen zahlreich vorhandenen Kleinhäuser in den Dörfern, die infolge des Realerbteilungsrechts entstanden waren und heute aus dem Landschaftsbild verschwunden sind.
[Das Hofhaus um 1940 mit der Besitzerfamilie Aldermann Junior im Hausgarten.]
1828 befanden sich an seiner Stelle noch zwei sehr kleine Wohnhäuser, die im Lauf der Zeit zu dem jetzigen Gebäude buchstäblich zusammengewachsen sind – am Fachwerk können vier Bauphasen nachgewiesen werden. Am Ende des 19.Jahrhunderts stellt der "proletarische" Besitzstand der kleinen Immobilie und die Koexistenz mit den bäuerlichen Grundstücksnachbarn in dem kleinen Dorf Heide eine sozialgeschichtliche Besonderheit im Oberbergischen dar: Mindestens seit 1890 gehört das Häuschen dem Fabrikarbeiter August Brausch, dessen Tätigkeit an anderer Stelle auch als Weber überliefert ist.
Brausch veräußert das Gebäude 1905 an den Feilenhauer Rudolf Tacke. Wahrscheinlich infolge der Arbeitsunruhen, die 1910/11 die Feilenindustrie in Radevormwald heimsuchen, muss Tacke sein Haus wohl verkaufen, weil er seine Kredite nicht mehr bedienen kann. Der neue Besitzer wohnt nebenan: der Landwirt Gustav Wilhelm Aldermann. Seitdem wurde das Haus vermietet, bis in die 1980er-Jahre hinein.
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