BLAULICHT
Ein Jahr Gefängnis nach Verfolgungsjagd mit Polizei
Waldbröl – 35-Jähriger am Amtsgericht verurteilt– Vorsätzlich den Straßenverkehr gefährdet – Ohne Führerschein unterwegs – Vor Fahrt Drogen und Alkohol konsumiert.
Von Lars Weber
Alle Entschuldigungen und Beteuerungen haben den 35-jährigen Ivan Y. (Anm.d.Red.: Name geändert) am Ende des Prozesses gegen ihn am Amtsgericht Waldbröl am Dienstagnachmittag nicht retten können. Dort musste er sich vor Einzelrichter Kevin Haase verantworten wegen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs und illegalen Fahrzeugrennen. Wirklich zur Diskussion standen die Vorwürfe nicht – schließlich gab es ein Video von der Verfolgungsjagd mit der Polizei. Auch wenn der Waldbröler alle Vorwürfe dementsprechend unumwunden zugab: An einer Gefängnisstrafe führte aus Sicht von Richter Haase kein Weg vorbei – und das hatte Gründe.
Passiert ist der Vorfall laut Anklage der Staatsanwaltschaft am 30. September 2023 in Waldbröl mitten in der Stadt. Auf der Verfolgungsjagd mit der Polizei fuhren die Beteiligten aber auch durch mehrere Dörfer, bevor es wieder in Waldbröl auf die Vennstraße ging, wo Ivan Y. kurz nach einem Unfall mit einem anderen Fahrzeug aufgab und auf den Parkplatz hinter der Postbankfiliale einbog und sich festnehmen ließ. Im Blut hatte er zum Tatzeitpunkt Alkohol – etwa 0,94 Promille – und auch Kokain hatte er vor der Fahrt mit seinem Cousin konsumiert, der sich als Beifahrer im Auto befunden hatte. Das Auto gehörte seiner Mutter.
Eindrücklich zeigte das Video, das aus dem Polizeiauto heraus aufgenommen worden war, wie sich die Verfolgungsjagd entwickelt hatte. Der Angeklagte kam den Beamten zunächst auf der Turnerstraße um 17:05 Uhr in seinem Audi entgegen. Wirklich auffällig stellte sich sein Fahrverhalten an dieser Stelle nicht dar – die Beamten schienen trotzdem ein Gefühl zu haben, wendeten ihr Fahrzeug und fuhren mit Blaulicht hinterher und forderten den Angeklagten auf, sein Fahrzeug zu stoppen. Der aber gab Gas.
„Aus Angst“ habe er nicht angehalten, sagte der 35-Jährige vor Gericht aus. Denn Ivan Y. ist einschlägig vorbestraft. Gestern stand er schon zum dritten Mal wegen Alkohol am Steuer vor Gericht, immer wieder fuhr er ohne Führerschein und wurde erwischt. Einmal saß er deshalb schon ein paar Monate im Gefängnis.
Da er nicht anhalten wollte, entwickelte sich eine Verfolgung über gut sechs Minuten, die den Angeklagten aus Waldbröl heraus auf der Homburger Straße durch Hahn und Wirtenbach und über Feldwege und schließlich Bohlenhagen zurück auf die Vennstraße ins Waldbröler Zentrum führte. Auf diesem Weg überfuhr er zwei rote Ampeln, schob sich dabei einmal von der Turner- auf die Homburger Straße um haltende Autos und über den Gehweg vorbei. „Die Stelle war nicht einsehbar: Da hätten auch Fußgänger sein können“, sagte Richter Haase.
Im Laufe der Fahrt nutzte Ivan Y. auch schonmal die Gegenfahrbahn, um sich wieder einen Vorsprung herauszufahren und umfuhr einen zweiten Polizeiwagen, der versuchte, sich ihm in den Weg zu stellen. Trotz der Umstände und des Alkohol- und Drogenkonsums lief die Verfolgungsjagd dabei erstaunlich regelnah statt. Bis zu 75 Kilometer die Stunde war er zum Beispiel hinter Wirtenbach unterwegs, auf den Feldwegen nicht über 60. Er blinkte bei vielen seiner Abbiegevorgänge sogar, in die korrekte Richtung wohlgemerkt.
Dem standen natürlich die diversen Regelverstöße gegenüber. Zurück in Waldbröl beschleunigte er innerorts auf bis zu 110 Kilometer pro Stunde. Als er unberechtigterweise an der Ecke Vennstraße und Gartenstraße nach links über den Fahrbahntrenner fuhr, nahm er einem anderen Fahrzeug die Vorfahrt, das ihn hinten touchierte. Ein Schaden über 2.500 Euro entstand. Außerdem platzte dem Audi des Angeklagten bei dem Manöver ein Reifen. Dieser Unfall habe dazu geführt, dass es bei dem 35-Jährigen „Klick gemacht“ und er angehalten habe, so der Verteidiger. Er ließ sich anstandslos und ohne Gegenwehr festnehmen.
Nach seiner letzten Verurteilung hatte er sich geschworen, dass er keine Drogen mehr nehmen und den Führerschein machen will. Bis zu dem Treffen mit seinem Cousin habe er ersteres Ziel auch eingehalten. Er wisse nicht, warum sie die Schlüssel zum Wagen seiner Mutter genommen hätten. Nach dem Vorfall vor anderthalb Jahren sei nichts mehr passiert. Auch aktenkundig wurde er seitdem nicht mehr. Ganz frisch habe er sich auch einen Termin bei der Caritas Suchtberatung gemacht.
Die Verteidigung versuchte mit der Einsicht des Angeklagten zu werben und eine Freiheitsstrafe auf Bewährung herauszuholen. „Viel Positives“ konnte die Staatsanwaltschaft aber nicht finden, was eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung für sie gerechtfertigt hätte, weshalb sie ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung und eine dreijährige Führerscheinsperre forderte. Diesem Antrag folgte auch Richter Haase. „Ich kann nichts anderes sonst machen“, sagte er angesichts der einschlägigen Vorstrafen, „sonst macht sich die Justiz lächerlich“.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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