LOKALMIX

Eine Zeitreise in die 1920er Jahre

ks; 13.06.2025, 15:00 Uhr
Fotos: Katharina Schmitz --- Karin Thiele in einem der Häuschen, die einst im Besitz ihres Großvaters Emil Thiele waren.
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Eine Zeitreise in die 1920er Jahre

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ks; 13.06.2025, 15:00 Uhr
Lindlar – Im LVR-Freilichtmuseum wurde die überarbeitete Ausstellung „Land-Frauen-Arbeit in der Weimarer Republik“ eröffnet.

Zwischen den Lebensgeschichten der Frauen, die vor rund einhundert Jahren im Bergischen Land zu Hause waren, und denen der Frauen, die heute hier leben, liegen Welten – nicht nur mit Blick auf den Alltag und die Lebensumstände, sondern auch im Hinblick auf Berufstätigkeit und Gleichberechtigung. Beleuchtet wird das im Rahmen der überarbeiteten Ausstellung „Land-Frauen-Arbeit in der Weimarer Republik“, die gestern Nachmittag im LVR-Freilichtmuseum Lindlar eröffnet worden ist.

 

War die Ausstellung bislang in der Umweltwerkstatt im sogenannten Müllershammer untergebracht, ist sie nun in „Hilden 2“, einem der beiden Kleinstwohnhäuser aus Hilden zu sehen, dessen Wiederaufbau im Museum in diesem Jahr fertiggestellt worden ist. Gegliedert ist die Ausstellung in die drei Themenbereiche „Frauen und Politik“, „Frauenarbeit, Landwirtschaft und Bildung“ sowie „Mode und Konsum“. So sind beispielsweise auch Kleidungsstücke zu sehen, die die Frauen auf dem Land damals gerne getragen haben.

 

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Marie Kramm, Wissenschaftliche Referentin für Bildung und Vermittlung im Freilichtmuseum, sprach bei der Eröffnung von einer „Zeitreise in die 1920er Jahre“. Doch geht es dabei nicht um ein schillerndes Nachtleben, das viele mit den Goldenen Zwanzigern in Berlin verbinden dürften, sondern vielmehr um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der damaligen Frauen auf dem Land – etwas, das oft unsichtbar blieb. „Die Medien berichteten wenig darüber“, sagte Kramm. Und auch in der Forschung liege der Fokus auf dem damaligen Leben in den Städten. „Wir möchten diese Lücke auffüllen.“

 

[1918 wurde das Frauenwahlrecht eingeführt. In der Ausstellung sind auch einige Wahlplakate zu sehen, die sich damals gezielt an Frauen richteten.]

 

In den 1920er Jahren arbeiteten die Frauen im Bergischen zumeist als „mithelfende Familienangehörige“ in der Landwirtschaft, waren Bäuerin, Hausfrau und Mutter. „Ein Großteil wurde nicht bezahlt“, schilderte Petra Dittmar, Abteilungsleiterin für Wissenschaftliche Dienste im Freilichtmuseum. Mitte der 1920er Jahre sollen 30 Prozent der Frauen einer bezahlten Arbeit nachgegangen sein. Sie waren etwa als Verkäuferin, Fabrikarbeiterin im Textilbereich, Krankenschwester oder auch in der Verwaltung tätig.

 

Teil der Ausstellung sind nicht zuletzt einige Biographien von Frauen. Auch diese Lebensgeschichten sollen sichtbar gemacht werden. Marie Kramm sprach beispielsweise über Ottilie Frielingsdorf, die in Lindlar über 50 Jahre als Hebamme tätig gewesen ist. Trotz weit entfernter Arbeitswege machte sie ihre Hausbesuche anfangs zu Fuß, soll später ein Fahrrad genutzt haben. Und obwohl die Arbeitsbedingungen alles andere als leicht gewesen sein sollen: feste Arbeitszeiten und ein festes Einkommen hatte Ottilie Frielingsdorf nicht.

 

Zur Ausstellungseröffnung kamen rund 50 Gäste ins Freilichtmuseum, darunter auch eine Delegation aus Hilden, wo die beiden Kleinstwohnhäuser bis in die 1990er Jahre standen. Mit dabei waren nicht nur Norbert Schreier als stellvertretender Bürgermeister und der Beigeordnete Sönke Eichner, sondern auch Nachfahren der ehemaligen Besitzer. Ähnlich angeordnet wie im Lindlarer Freilichtmuseum standen die Häuschen früher an der Hochdahler Straße in Hilden. Zum Hof gehörende Felder lagen ungefähr da, wo heute die A3 und das Kreuz Hilden verlaufen.

 

[Petra Dittmar (3.v.r.), Abteilungsleiterin für Wissenschaftliche Dienste im Freilichtmuseum, zusammen mit der Delegation aus Hilden vor dem Gebäude „Hilden 2“, in der die Ausstellung zu sehen ist.]

 

Ab 1930 hat Emil Thiele die Häuschen als neuer Eigentümer an Landarbeiterfamilien vermietet. „Als Kinder haben wir hier verstecken gespielt und Plakate mit Pferden aufgehängt“, erinnerte sich Karin Thiele, eine Enkelin von Emil. Ihr Vater habe den damaligen Hof in den 1960er Jahren aufgegeben und sei dann nach Baden-Württemberg gezogen. Lange Zeit sollen die Häuschen nicht mehr genutzt und gepflegt worden sein. Umso mehr freut sich die heutige Architektin darüber, dass die Gebäude im Freilichtmuseum endlich wieder nebeneinanderstehen und ein zweites Leben erhalten.

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