BLAULICHT
Feuerwehr schlägt Alarm: Ehrenamtliche Belastungsgrenze ist überschritten
Reichshof - Viele Prüfungen, noch mehr Bürokratie und der demografische Wandel – Reichshofs Einsatzkräfte sind trotz eines vergleichsweise ruhigen Jahres am Limit.
Von Peter Notbohm
Schon im vergangenen Jahr warnte Reichshof Feuerwehrchef Sascha Frede eindringlich davor, dass die Freiwillige Feuerwehr Reichshof längst an der ehrenamtlichen Grenze angekommen sei, sie vermutlich in Teilen bereits längst überschritten habe. Und auch bei der diesjährigen Jahresdienstbesprechung, die am Sonntag im Forum der Gesamtschule Eckenhagen stattfand, wiederholte er seine warnenden Worte: Die Feuerwehr agiere am Limit. Frede nannte beispielhaft eine Zahl: 5340 Stunden – umgerechnet 222 Tage - absolvierten Reichshofs Feuerwehrleute im vergangenen Jahr allein an Fortbildungen.
Wachsende bürokratische Anforderungen mit wiederkehrenden Prüfungen und deren vielfältiger Dokumentationen, der demografische Wandel und auch das Anspruchsdenken mancher Bürger, mache das Leben und Handeln im Ehrenamt nicht einfacher – gerade in Zeiten leerer Haushaltskassen und daraus resultierender Sparmaßnahmen. „Für mich gibt es drei wesentliche Kriterien, wo man einfach nicht sparen darf: Kindergärten, Schulen und die Feuerwehr“, so Frede (Foto).
In Zeiten dramatischer Wechselklimabedingungen wie Dürren, Waldbrandgefahren, Stürmen und Hochwasser und „letztendlich dem irrsinnigen Handeln einzelner Machthaber der großen Länder dieser Welt“ müsse auch die vergleichsweise kleine Kommune Reichshof eine ganz andere Qualität und Kontinuität der Gefahrenabwehr widmen, ergänzte der Wehrführer und wiederholte in Richtung der Politik einen weiteren Satz aus dem Vorjahr: „Jeder Cent, den Sie in Ihre Feuerwehr investieren, ist sehr gut angelegtes Geld zum Schutz und der Fürsorge Ihrer Bürger und mindestens gleichwohl meinen Einsatzkräften.“
Dabei blickt Reichshofs Feuerwehr durchaus erneut auf ein ruhiges Jahr zurück. Insgesamt 241 Alarmierungen gab es in 2024 – noch einmal 44 weniger als im Vorjahr. Die Zahl der zu löschenden Brände stieg dabei allerdings auf 88 (+8), darunter acht Gebäudebrände der Kategorie Mittel- bzw. Großbrand. Frede sprach es zwar nicht direkt aus, aus den Statistiken war aber deutlich zu lesen, dass Reichshofs Feuerwehr eine Drehleiter benötigt. Bei zehn Einsätzen musste man eine Drehleiter aus den umliegenden Kommunen mitalarmieren. Auch in 2025 musste dies bereits mehrfach geschehen.
[Der 90-jährige Hauptbrandmeister Günter Müller (2.v.r.) erhielt für seine 70-jährige Mitgliedschaft die Sonderauszeichnung des Feuerwehrverbandes in Gold. Von seinen Kameraden bekam er Standing Ovation.]
Dass die Politik immer versuche, Notwendiges anzuschaffen, würden die Investitionen der vergangenen Jahre zeigen, so Frede. Die Feuerwehr sei bei der Dienst- und Schutzkleidung auf einem angemessenen Standard und der neue Atemschutzgerätewagen, der in diesem Jahr kommen soll, „wird ein Vorreiter im Oberbergischen Kreis sein“.
19 Menschen konnte die Feuerwehr im vergangenen Jahr aus misslichen, teils lebensbedrohlichen Lagen retten. Bei zwei Einsätzen kam allerdings jede Hilfe zu spät: Ein 56-Jähriger verstarb in Folge eines Containerbrandes in Denklingen (OA berichtete), ebenso wie eine 26-Jährige nach einem schweren Verkehrsunfall bei Pochwerk (OA berichtete). Gerade solche Einsätze würden auch die Feuerwehrleute an ihre seelische Belastbarkeit führen, so Frede. Im vergangenen Jahr habe der Rückhalt innerhalb der Wehr nicht immer ausgereicht und er habe für einzelne Kameraden professionelle Hilfe organisieren müssen, um Erlebtes zu verarbeiten.
Reichshofs Feuerwehr mit seinen acht Einheiten, die sich in sechs Abteilungen gliedern, zählt derzeit 575 Mitglieder (-8). Die Zahl der aktiven Feuerwehrleute ist mit 263 gleichgeblieben. Frede verglich es erneut mit einem gewaltigen Uhrwerk, in dem „keines der Zahnräder zum Stehen kommen darf“. Insgesamt sei er „sehr stolz und demütig“, Leiter einer solch „großen und bunten Feuerwehr“ zu sein.
[Nicht nur Quereinsteiger (Foto unten) bereichern Reichshofs Feuerwehr. Das Fundament bilden die Kinder- und Jugendfeuerwehr. Deren Leitung wurde ebenfalls bestellt (Foto oben)].
Ein besonderes Augenmerk legte er in seinem Bericht auf die Kinder- und Jugendfeuerwehr, mit 148 Kindern die größte im gesamten Kreisgebiet: „Der im vergangenen Jahr zusätzlich gegründete Kinderfeuerwehrstandort in Mittelagger bereichert unsere Jugendarbeit fundamental“. Die Leistungen der Nachwuchsfeuerwehrleute würdigte auch Jugendfeuerwehrleiter Maik Bourbones. So hatte eine Gruppe bei der Leistungsspange im vergangenen Sommer den ersten Platz der 18 Kreisgruppen erreicht; eine zweite Gruppe verpasste Bronze nur haarscharf.
Bürgermeister Rüdiger Gennies (CDU) würdigte in seiner letzten Rede im Rahmen einer Jahresdienstbesprechung der Feuerwehr die „selbstlose“ Arbeit der Kameraden und versprach, dass Verwaltung und Politik auch in Zeiten knapper Finanzmittel weiterhin Investitionen vornehmen werden: „Es geht nicht immer alles sofort. Wir haben in den vergangenen Jahren aber für eine Finanzierung in einer angemessenen Zeitspanne gesorgt und werden es weiter so handhaben.“ Bekanntlich wurde der neue Brandschutzbedarfsplan um ein Jahr auf 2026 verschoben und um 20.000 Euro gekürzt. Auch der Neubau des neuen Feuerwehrgerätehauses Brüchermühle wird bekanntlich zwei Jahre später stattfinden.
Kreisbrandmeister Julian Seeger (Foto) freute sich bei seinem Antrittsbesuch in Reichshof, „dass Gemeinderat und Verwaltung verstanden haben, dass es auch eine Freiwillige Feuerwehr nicht zum Nulltarif gibt“. Wie schon bei anderen Jahresdienstbesprechungen warb er dafür, dass die Kameraden die Bürger darauf vorbereiten sollten, ihre Selbsthilfefähigkeit herzustellen: „Seid Botschafter des Bevölkerungsschutzes.“ Zudem warnte er davor, dass alle Feuerwehren im Oberbergischen vor großen Herausforderungen stehen. Man habe es mit dem trockensten März seit 1929 zu tun und es habe kreisweit bereits 30 Wald- und Vegetationsbrände gegeben. „Der Klimawandel steht nicht vor der Tür, er ist längst da“, so Seeger.
Im Anschluss nahm die Feuerwehr Übernahmen in die Ehrenabteilung (2), aus der Kinderfeuerwehr (14) sowie der Jugendfeuerwehr (9), Entlassungen aus- (8) und Bestellung in Funktionen (32), Beförderungen (41) sowie Ehrungen (47) vor. Musikalisch begleitet wurde die Jahresdienstbesprechung vom Musikzug Odenspiel unter Leitung von Udo Steiniger.
Ehrungen
10 Jahre aktive Mitgliedschaft
Jan Botzem (Denklingen)
Mattes Eichner (Denklingen)
Elias Lange (Denklingen)
Felix Hinte (Eckenhagen-Hespert)
Marius Köster (Eckenhagen-Hespert)
Celvin-Maurice Lindner (Eckenhagen-Hespert)
Nico-Rene Lindner (Eckenhagen-Hespert)
Leonie Marie Neumann (Eckenhagen-Hespert)
Lisa Franziska Neumann (Eckenhagen-Hespert)
Jason Tom Richter (Eckenhagen-Hespert)
Felix Joel Schulte (Eckenhagen-Hespert)
Gina Marie Schulte (Eckenhagen-Hespert)
Maurice Wlodarek (Eckenhagen-Hespert)
Jakob Haude (Nosbach)
Marvin Brodhäcker (Odenspiel)
Ronald Brodhäcker (Odenspiel)
Kevin Jäger (Odenspiel)
Alexander Knopp (Odenspiel)
Mareike Ringsdorf (Big Band Eckenhagen)
Helmut Schmiechen (Big Band Eckenhagen)
Luisa Neuhoff (MZ Bergerhof)
Laura Skupien (MZ Odenspiel)
25 Jahre aktive Mitgliedschaft
Markus Stähler (Eckenhagen-Hespert)
Björn Schaffranek (Hunsheim)
Tim Hardenbicker (MZ Bergerhof)
Marcel Krüger (MZ Bergerhof)
Christoph Müller (MZ Bergerhof)
Janina Sauer (MZ Bergerhof)
Thomas Weinert (MZ Bergerhof)
35 Jahre aktive Mitgliedschaft
Guido Botzem-Mabon (Denklingen)
40 Jahre aktive Mitgliedschaft
Karsten Klein (Denklingen)
Christoph Eichner (Denklingen)
Frank Rühl (Hunsheim)
Klaus Kriegeskotte (Reichshof-West)
Rüdiger Schöler (Reichshof-West)
Frank Schneider (Heischeid)
Edgar Koch (Odenspiel)
Hans-Uwe Koch (Odenspiel)
60 Jahre aktive Mitgliedschaft
Hans Jürgen Caspari (Denklingen)
Udo Köllenbach (Eckenhagen-Hespert)
70 Jahre aktive Mitgliedschaft
Jürgen Feld (Eckenhagen-Hespert)
Günter Müller (Eckenhagen-Hespert)
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