BLAULICHT

Freispruch: Obwohl es zum Himmel stinkt

ks; 30.04.2025, 13:30 Uhr
Foto: Archiv.
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Freispruch: Obwohl es zum Himmel stinkt

ks; 30.04.2025, 13:30 Uhr
Waldbröl – Ein 26-Jähriger soll nachts ein Auto ausgebremst und darauf eingeschlagen haben – Vor dem Amtsgericht Waldbröl wurde er nun freigesprochen.

Am Montag verlief eine Hauptverhandlung am Amtsgericht Waldbröl alles andere als gewöhnlich. Rechtsanwalt Sebastian Tillmann schlug vor, dass sein Mandant während der Vernehmung der Zeugen nicht neben ihm auf der Anklagebank sitzen, sondern gemeinsam mit weiteren Männern im Zuschauerraum Platz nehmen solle. Die Idee dahinter: der Verteidiger wollte so prüfen, ob die fünf geladenen Zeugen den Angeklagten überhaupt wiedererkennen würden. Richterin Christina Knauer und der anwesende Staatsanwalt hatten keine Einwände – und so wurde Tillmanns Idee in die Tat umgesetzt.

 

Angeklagt war der 26-jährige Khalil B. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert), der in Waldbröl lebt, ursprünglich aus Syrien kommt. Laut Staatsanwaltschaft soll er sich vergangenes Jahr am 29. Juni gegen 2:30 Uhr in der Nacht einer Nötigung strafbar gemacht haben, nachdem er mit seinem Auto durch den Boxberg-Kreisel in Waldbröl gefahren ist. Bereits am 31. Januar dieses Jahres war ein Strafbefehl in der Sache erlassen worden, gegen den der 26-Jährige nun vorgehen wollte. Verurteilt wurde er damals zu einer Geldstrafe und einem einmonatigen Fahrverbot.

 

Dem Staatsanwalt zufolge soll der Nötigung ein Missverständnis mit Annika G. vorausgegangen sein, die ebenfalls mit ihrem Auto durch den Kreisverkehr fuhr. Den Kreisel soll sie über die Strandbadstraße verlassen haben. Khalil B. fuhr wohl hinterher, überholte sie, setze sein Fahrzeug vor ihres, bremste sie aus, bis sie zum Stehen kamen. Dann soll er sein Fahrzeug zusammen mit seinem Beifahrer verlassen und auf das Auto von Annika G. eingeschlagen haben. Die 21-Jährige soll dann eine Gelegenheit genutzt haben, um davon zu fahren.

 

Zunächst rief die Richterin die fünf Zeugen in den Gerichtssaal – Annika G. und ihre vier Mitfahrer, belehrte sie und schickte sie dann wieder auf den Flur. Danach wurde die zweite Gruppe in den Saal gerufen – der Angeklagte und drei weitere Männer. Khalil B. sagte nichts zu dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft, er verteidigte sich schweigend. Stattdessen nahm der 26-Jährige in der letzten Reihe des Zuschauerraums Platz. Zunächst wollte er die Reihe weiter durchgehen, entschied sich dann aber, etwas zurückzugehen und den zweiten Platz von außen zu wählen. Die drei anderen Männer platzierten sich links und rechts von ihm.

 

Als Erste wurde Annika G. in den Zeugenstand gerufen. Zum Vorfall an sich befragt wurde sie nicht. Stattdessen bat Richterin Christina Knauer die 21-Jährige darum, sich umzudrehen und zu sagen, wer in besagter Nacht der Fahrer des Autos war. Annika G. schaute sich alle vier Männer an, und sagte dann recht schnell, dass „der Zweite von rechts“ das Auto gefahren sei. Sicher sei sie sich zu 85 Prozent. Auf Fotos, die ihr bei der Polizei vorgelegt worden sind, hat sie den Tatverdächtigen aber nicht wiedererkannt. „Das war schwierig. Es war dunkel und ging so schnell“, sagte sie. Doch dass die Person „groß und schmal“ war, das wisse sie noch.

 

Nach der Vernehmung wurde Annika G. von der Richterin in das Beratungszimmer geführt, das an den Gerichtssaal angrenzt. Danach waren ihre Schwester sowie drei Männer an der Reihe, die in besagter Nacht ebenfalls im Auto saßen, darunter ein Polizeikommissar. Auch sie sagten jeweils aus, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um „den Zweiten von rechts“ handeln würde. Absolut sicher schien sich dabei aber keiner der Zeugen zu sein. „Wir hatten ja schon eine Zeugenaussage mit Fotos. Ohne diesen Zwischenschritt wäre es vielleicht schwieriger gewesen“, sagte etwa die Schwester von Annika G.

 

Rechtsanwalt Sebastian Tillmann wollte von den Zeugen auch wissen, ob sie auf dem Flur vor dem Gerichtssaal darüber gesprochen hätten, wer von den Männern aus der anderen Gruppe der Fahrer des Wagens gewesen sein könnte – denn nicht nur die Zeugen hielten sich vor Verhandlungsbeginn vor dem Saal auf, auch die anderen vier Männer – samt Angeklagtem. Vier der fünf Zeugen bejahten das. „Klar haben wir darüber gesprochen. Wir hatten alle den gleichen Verdacht. Wir haben uns gefragt, wer die vier Personen sind. Wir wussten ja nur von zweien“, sagte die Schwester von Annika G.

 

Nach den Vernehmungen nahm der Angeklagte wieder neben seinem Verteidiger Platz. Dieser wiederum sagte, dass sich die Zeugen draußen, also vor dem Saal, abgesprochen hätten und dass die Beschreibungen wenig detailreich gewesen seien. Er hatte Zweifel, ob das so für eine Identifizierung ausreichend sei. „Ich meine, es stinkt schon. Ich rieche das auch“, sagte die Richterin. Aber der Gestank allein reiche nicht zur Überzeugung des Gerichts aus. „Das ist ein schmaler Grad“, sagte sie. Und ob dieses schmalen Grades bat der Staatsanwalt um eine Unterbrechung, um sich eine zweite Meinung einholen zu können.

 

Letztlich forderte er den Freispruch von Khalil B. – In dubio pro reo. Die Täterschaft sah er nicht mit notwendiger Sicherheit für gegeben an. Rechtsanwalt Tillmann schloss sich dem Plädoyer des Staatsanwaltes an. Und so entschied sich auch Richterin Christina Knauer dafür, den 26-Jährigen auf Kosten der Staatskasse freizusprechen. „Ich gehe nicht davon aus, dass mich einer der Zeugen angelogen hat“, meinte sie. Und sie sage auch nicht, dass sie den Angeklagten für unschuldig halte. Dass sich die Zeugen im Vorfeld über den Tatverdächtigen ausgetauscht haben, sei menschlich und könne sie nachvollziehen. Doch eine Vermutung oder ein Gefühl seien für eine Verurteilung nicht ausreichend.

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