LOKALMIX
Großer Andrang bei den Friseuren: Die Matte muss ab
Oberberg – Seit heute dürfen Friseure wieder ihrer Arbeit nachgehen – Neue Regeln, gestiegener Arbeitsaufwand für die Salons und erhöhte Preise für die Kunden – Haareschneiden im Akkord. (MIT VIDEO)
Von Peter Notbohm
„Hauptsache kurz“, weiß der achtjährige Fynn ganz genau, wie er seine Haare geschnitten haben möchte. Etwas aufwendiger ist da schon die Frisur seiner Großmutter, bei der der Junge aus dem Westerwald momentan zu Besuch ist. Während bei dem Schüler die dunklen Haare bereits zentimeterweise fallen, bekommt die Bergneustädterin noch die Haare gewaschen – eine der vielen Corona-Pflichtmaßnahmen, auf die Friseure zur Wiedereröffnung nach sechswöchiger Schließung fortan zu achten haben. Denn Trocken-Haarschnitte sind vorerst tabu. Auch Arbeiten an Bart, Wimpern und Augenbrauen stehen auf der Verbotsliste.
[Der achtjährige Fynn trägt neben einer Maske auch einen Einmal-Umhang. "Die haben wir schon kurz vor der Schließung als Schutzmaßnahme verwendet und wurden dafür teilweise belächelt. Jetzt verwendet sie jeder", sagt Friseurmeisterin Manuela Pioch-Klein.]
Genauso gehören das Einreiben der Hände mit Desinfektionsmitteln sowie das Tragen einer Maske für Kunden in den nächsten Monaten zum Alltag, ehe es auf den Frisierstuhl geht. Fynn gefällt seine bunte Maske zwar, die er von seiner Pfadfinderleiterin genäht bekommen hat, „aber das macht das Schneiden schon komplizierter“, findet er. Dem stimmt auch die Mitarbeiterin von Friseurmeisterin Manula Pioch-Klein zu, die dem Jungen im Bergneustädter Salon Glückssträhne haardesign gerade die Haare kürzt. „Man gewöhnt sich daran, aber es ist schon ein wenig schwieriger an den Ohren zu schneiden“, sagt sie – sonst hat sich bei der direkten Arbeit am Kunden allerdings nur wenig geändert, Schere und Maschine werden routiniert geschwungen.
Für Ihre Chefin dagegen schon: Sie ist parallel vor allem damit beschäftigt, die vielen Terminwünsche zu koordinieren und die Daten aller Kunden – wie vorgeschrieben – zu erfassen. Parallel muss sie darauf achten, dass alle Werkzeuge nach der Nutzung gründlich desinfiziert werden, was den Arbeitsaufwand dann doch nicht unerheblich erhöht. „Das haben wir vor Corona zwar auch schon getan, sind nun aber noch achtsamer“, sagt sie. Ihr Auftragsbuch ist für die nächsten zwei Wochen prall gefüllt, das Telefon klingelt trotzdem immer wieder und zwischendurch fragen auch Passanten nach freien Terminen. Dass sie aufgrund der Abstandsregeln nur vier ihrer sonst üblichen acht Sessel benutzen kann, sorgt ebenfalls nicht gerade für Entlastung. Bei ihren Kunden hat sie am Vormittag trotzdem schon viel Verständnis für die neue Situation festgestellt. „Die Leute haben sich im Vorfeld über die Regeln informiert und kennen aus den Supermärkten zum Glück auch bereits die Maskenpflicht.“
[Video und Schnitt: Michael Kleinjung --- Manuela Pioch-Klein berichtet von ihren Erfahrungen am ersten Arbeitstag.]
Aber nicht jeder scheint sich über die Regeln informiert zu haben: Ein Mann habe empört den Laden verlassen als man ihm mitteilte, dass ein Trocken-Haarschnitt nicht möglich sei. Sorgen bereiten ihr allerdings auch die vielen älteren Kunden, die teilweise demenzkrank seien: „Gerade da werden wir viel mehr reden müssen, um die Regeln einzuhalten.“ Die Preise musste Pioch-Klein anheben und hat sich dabei an den Rat der Friseur-Innung gehalten, die ihren Mitgliedern eine zehn bis 15-prozentige Erhöhung empfohlen hat, um die Mehrkosten für fehlende Auslastung und Schutzmaßnahmen wie Einmal-Kittel für die Kunden aufzufangen.
[Das Telefon steht bei vielen Friseuren kaum still- Im Haarstudio Star machen die Kunden Termine an der Eingangstür aus.]
Geschäftig geht es auch im Haarstudio Star in der Bergneustädter Innenstadt zu. Friseurmeisterin Nesrim Sönmez und ihr Mann Yusuf haben in Absprache mit vielen türkischstämmigen ortsansässigen Salons ebenfalls die Preise um zwei Euro für jede Dienstleistung angehoben. Vor ihrem Laden bildet sich immer wieder eine kleine Traube an Menschen, ein Mitarbeiter versorgt die potentielle Kundschaft mit Terminen, schließlich dürfen Wartebereiche im Salon genauso wenig wie Kaffee oder Zeitschriften angeboten werden.
„Wir freuen uns aber unheimlich, dass wir endlich wieder öffnen können“, hat Sönmez die letzten Wochen für intensive Umbauarbeiten genutzt: Der Wartebereich wurde entfernt, die Kasse direkt an die Eingangstür verlegt und zwischen die Waschbecken wurden Trennwände installiert. Gewonnen hat sie hierdurch Platz für drei Sessel, sodass – unter Einhaltung der Abstandsregeln - immerhin acht der sonst üblichen zehn Plätze zum Haareschneiden genutzt werden können. „Schließlich möchte ich meine Mitarbeiter, die in den letzten Wochen wirklich toll hinter uns standen, wieder arbeiten lassen können.“ Auch beim Thema Schneiden mit Maske zeigt sich ihr Mann Yusuf einfallsreich. Mittels eines Gummibandes werden die Halterungen in den Nackenbereich verlegt. Mitleid hat Sönmez derweil mit ihren Barbier-Kollegen, die aufgrund der Corona-Maßnahmen weiter zum Nichtstun verdonnert sind.
[Viele freuen sich nach sechs Wochen ohne Friseur oder Eigenschnitt die Haare endlich wieder professionell geschnitten zu bekommen.]
Nicht ganz so groß sind die Umbauarbeiten bei Frisör Hagen in Niederseßmar ausgefallen. Seit sechs Jahren hat Sergio Murcia Rodriguez unmittelbar am Dreieck die Salonleitung inne. Fünf seiner zehn Sessel dürfen er und seine Mitarbeiter vorerst nicht mehr nutzen, die gute Laune lässt er sich trotzdem nicht verderben: „Wir freuen uns, unsere Kunden endlich wieder empfangen zu dürfen.“ Bei ihm stößt allerdings nicht jede Maßnahme auf Verständnis: „Natürlich achten wir nun noch verschärfter darauf, dass unsere Werkzeuge nach jeder Behandlung gereinigt werden, warum wir allerdings keine Augenbrauen zupfen dürfen, ist für mich unverständlich, da wir am Kopf ohnehin schon sehr nah am Kunden arbeiten.“
Eine junge Frau hat derweil Glück: Sie kommt spontan in seinen Salon und fragt nach einem Termin zum Haareschneiden. Trotz voller Auftragsbücher kann der Friseurmeister (Foto) sie eine halbe Stunde später dazwischenschieben. So viel Glück dürfte in den nächsten beiden Wochen nicht jeder haben, „und mir tut jeder Kunde leid, den wir nicht bedienen können, aber ich denke das wird sich mit der Zeit noch einspielen“, meint er.
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