LOKALMIX
Lebensretter im Morgengrauen
Oberberg – Anfang des Jahres wurde in Nümbrecht der Verein „Kitzrettung“ gegründet – Nun ist für die Tierschützer Hochsaison.
Während die meisten noch in ihren Betten liegen, gibt es im Oberbergischen einige Menschen, die sich schon am frühen Morgen auf den Weg zu einer der zahlreichen Wiesen der Region machen. Dort angekommen, suchen sie nach kleinen Kitzen, jungen Feldhasen und auch Bodenbrütern, die zwischen den hohen Gräsern kaum zu sehen und damit eigentlich gut geschützt sind. Anders ist das aber, wenn die Mahd ansteht. In Nümbrecht haben sich Anfang des Jahres einige Oberberger zusammengeschlossen und den Verein „Kitzrettung“ gegründet. Für die Mitglieder ist derzeit Hochsaison. Aktiv sind sie nicht nur in Nümbrecht, sondern auch in Waldbröl, Reichshof, Gummersbach und Ruppichteroth.
[Der Vorstand des Vereins: (v.l.) Kassenwart Michael Chlechowitz, Vorsitzende Uschi Menge-Voss und Dr. Robin Möhring, 2. Vorsitzender.]
„Ende April sind wir in die Saison gestartet, weil die Landwirte da mit der ersten Mahd angefangen haben“, sagte Christine Adolphs im Gespräch mit Oberberg-Aktuell. Sie ist Gründungsmitglied des Vereins „Kitzrettung“ und hat sich an OA gewandt, um die Arbeit des Vereins einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. „Leider herrscht noch immer sehr viel Unwissen über die Möglichkeiten der Wildtierrettung in unserer Region“, meinte sie. Viele junge Wildtiere würden von Spaziergängern angefasst werden oder im schlimmsten Fall einen fürchterlichen Mähtod erleiden. Dem möchten sie entgegenwirken und mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit insbesondere Landwirte und Jäger unterstützen.
Wie viele Einsätze die „Kitzretter“ in dieser Saison bislang hatten, konnte Christine Adolphs zwar nicht sagen. Aber schon in den vorherigen Jahren sind viele Aktive des Vereins durch oberbergische Wiesen gezogen, um Wildtiere zu schützen. Vergangenes Jahr soll es für die Gruppe um Uschi Menge-Voss, der Vorsitzenden des Vereins, insgesamt 59 Einsätze an 32 Tagen gegeben haben. Dabei haben die Ehrenamtlichen laut Christine Adolphs 42 Landwirte unterstützt. Bei den Wildtierfunden zählt der Verein für 2024 „elf gesicherte Kitze, 29 vergrämte Rehe und Kitze sowie unzählige vergrämte Feldhasen“.
[Seit einigen Jahren fliegen die „Kitzretter“ die Wiesen mit einer Drohne ab.]
Zogen sie früher in Menschenketten durch die Wiesen, um Kitze und andere Tiere zu suchen, laufen die Einsätze mit moderner Technik heute etwas anders ab. Früh morgens, lange vor dem Sonnenaufgang, lassen die Ehrenamtlichen eine Drohne samt Wärmebildkamera über ihren jeweiligen Einsatzort fliegen und machen sich dabei auch Geodaten zunutze. Durch Wärmepunkte sehen die Ehrenamtlichen dann, wo sich Tiere aufhalten könnten. „Dabei haben wir schon so oft erlebt, dass wir die Tiere ohne Drohne gar nicht gefunden hätten“, schilderte Adolphs.
Mit moderner Technik arbeitet die Gruppe bei der Kitzsuche nun im dritten Jahr. Christine Adolphs ist dabei als „Co-Pilotin“ aktiv, wie sie sagte. Als rechte Hand vom Drohnenpiloten übernehme sie die Kommunikation und gehe auch selbst mit Rettungsbox in die Wiese. Um zu verhindern, dass die Tiere mit menschlichem Geruch in Kontakt kommen, würden die Retter Handschuhe tragen und sie behutsam und umgeben von reichlich Grasbüscheln in eine Box setzen, die sie dann am Wiesenrand in den Schatten stellen. Immer vor Ort seien ein Drohnenpilot und ein Co-Pilot. „Dazu ist möglichst ein Jäger dabei sowie bei größeren Flächen noch zwei bis drei Helfer“, sagte Adolphs.
[Die Kitze werden mit Handschuhen und umgeben von Gräsern gepackt.]
Die Hauptsetzzeit der Ricken reicht laut Christine Adolphs von Ende April bis Mitte Juni, einige Nachzügler werden aber auch erst im Juli gesetzt. „Wir gehen also auch noch im Juli in die Wiesen. Die meisten Kitze sind dann mobiler, haben schon einen Fluchtreflex. Da springen sie auch schonmal ins Mähwerk rein“, so die „Kitzretterin“. Neben Kitzen würden sie auch Feldhasenjungtiere aus den Wiesen retten. „Bodengelege kann man aber nicht raustragen“ sagte sie. Da würden die Retter eine Box draufstellen und den Landwirt darum bitten, drum herum zu mähen.
Ein Fall aus den vergangenen Wochen ist den Tierschützern aber besonders im Kopf geblieben – und das im negativen Sinne. Am 23. Mai hatten die Retter drei Kitze und zwei Junghasen aus Wiesen geholt und bei den Rettungsboxen Warnschilder platziert. „Nach der Mahd haben wir uns an der ersten Wiese getroffen und mussten feststellen, dass alle Boxen – trotz Sicherungen mittels Gurten und Schnappverschlüssen, leer waren. Und dann haben wir auch ein vermähtes Kitz gefunden. Wir wissen nicht, was hier passiert ist, aber die Schnappverschlüsse der einen Box waren zu, die Gurte an Ort und Stelle und die Deckel fest auf den Boxen. Das war ein Schockerlebnis.“
Ihre Einsätze haben die „Kitzretter“ meist in den frühen Morgenstunden oder aber am Abend. „Mittags sieht die Wärmebildkamera nichts. Dann ist die Wiese fast heißer als der Tierkörper“, erklärte Adolphs. Im Idealfall würden sich die Landwirte rechtzeitig vor einer Mahd bei den „Kitzrettern“ melden, damit diese ihre Einsätze entsprechend planen können. Derzeit werde das Pferdeheu gemäht. „Und wir haben eine Schönwetterperiode – da wollen alle mähen“, erklärte sie. Sollte ein Landwirt den zuständigen Pächter nicht über eine geplante Mahd informieren und keine Zustimmung erhalten, mache er sich laut Adolphs strafbar.
[Häufig finden die „Kitzretter“ bei einem Kitz auch noch ein Geschwisterchen.]
Derzeit zählt der Verein 21 Mitglieder. Die „Kitzretter“ hoffen, dass da noch der ein oder andere zukommt, der in den frühen Morgenstunden Tierschutz betreiben möchte. Außerdem hoffen die Vereinsmitglieder auch auf finanzielle Unterstützung. So sei beispielsweise angedacht, neue Boxen für die Rettung anzuschaffen. Spenden können auf das vereinseigene Konto mit der IBAN DE08 3845 0000 1000 5755 95 bei der Sparkasse Gummersbach überwiesen werden. Eine Website haben die „Kitzretter“ zwar noch nicht, teilen Aktuelles aber über ihren Instagram-Account. Als Ansprechpartner steht die Vereinsvorsitzende Uschi Menge-Voss per Mail an uschi.menge-voss@t-online.de oder unter Tel.: 0170/58 28 28 6 zur Verfügung.
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