BLAULICHT
Vergewaltigung eines Systemsprengers: Prozessauftakt gegen 23-jährigen Gummersbacher
Gummersbach/Köln – 23-Jähriger muss sich am Landgericht Köln wegen Vergewaltigung eines Minderjährigen (15) in zwei Fällen verantworten – Angeklagter soll Drogendealer des Opfers gewesen sein und sich zuvor noch an eine Freundin von ihm rangemacht haben.
Von Peter Notbohm
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, denen sich Amir T. (Anm.d.Red.: Name geändert) seit dem heutigen Donnerstag vor einem Schöffengericht der 2. Großen Strafkammer am Landgericht Köln stellen muss, sind nichts für schwache Nerven. Angeklagt ist der 23-jährige Afghane, weil er im August 2021 in seiner Wohnung in Gummersbach einen damals 15-Jährigen zwei Mal anal vergewaltigt haben soll. Dabei soll er ihn mit einem Springmesser bedroht haben.
Der Angeklagte schwieg am ersten Prozesstag. Der in diesen Verfahren erfahrene Richter Christoph Kaufmann gab ihm den dringenden Hinweis, diese Strategie zu überdenken: „Im Strafverfahren gibt es Chancen und Risiken. Wenn es etwas zu gestehen gibt, ist das für Angeklagte im Zweifel günstiger, es so schnell wie möglich zu tun. Noch haben Sie den Vorteil, dass sie der Einzige im Saal sind, der weiß, was wirklich passiert ist. Das gilt aber nur bis das Opfer ausgesagt hat.“
Vermutlich soll Amir T. die Tat in den frühen Morgenstunden des 19. August in seiner Gummersbacher Wohnung begangen haben. Vorausgegangen sein soll ein feuchtfröhlicher Abend, an dem der Angeklagte – er soll der Drogendealer des mutmaßlichen Opfers sein – der 15-Jährige sowie eine weitere Jugendliche reichlich Alkohol konsumiert haben. Irgendwann soll Amir T. begonnen haben, sich an das Mädchen heranzumachen und sie zu küssen. Diese soll ihn allerdings schroff abgewiesen und daraufhin die Wohnung verlassen haben.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 15-Jährige daraufhin auch habe gehen wollen. Er soll sich aber durch das Versprechen, ihm sein Drogenversteck zu zeigen, durch Amir T. zum Bleiben überreden lassen haben. Eine Falle: Denn statt ihm seinen Drogenvorrat zu zeigen, soll er ihm ein Springmesser an den Hals gehalten haben und mit den Worten „Wenn sie nicht wollte, musst du jetzt“ dazu gezwungen haben, die Hose herunterzuziehen und sich auf das Bett zu legen. Anschließend soll es zu zwei Vergewaltigungen mit einer zehnminütigen Pause gekommen sein. Hierbei erlitt das Opfer Verletzungen im Intimbereich, an denen er noch wochenlang litt.
In Gang gekommen waren die Ermittlungen allerdings nicht sofort. Erst etwa zwei Monate später, Ende Oktober, soll sich der 15-Jährige während einer Maßnahme des Jugendamts für sogenannte Systemsprenger einem Sozialarbeiter auf einer Wanderung durch Deutschland offenbart haben. Systemsprenger sind Kinder und Jugendliche, die besonders herausfordernd sind, für die Kinder- und Jugendhilfe, für die Schule und für die Psychiatrie. Der Sozialarbeiter sagte heute fast zwei Stunden lang aus und beschrieb den damals 15-Jährigen als gefühlvollen, humorvollen und begeisterungsfähigen Menschen, obwohl dieser in seiner Kindheit Gewalt erlebt habe und straßenerfahren sei.
Die Vorwürfe des Jugendlichen hielt der Mann für glaubwürdig: Zwar sei es nicht unüblich, dass Systemsprenger Dinge erfinden, um jemanden „eine reinzudrücken“, der 15-Jährige habe damals in seinen Erzählungen aber „absolut real“ gewirkt. Er soll sogar gewollt haben, dass nicht ermittelt wird, da er Angst vor dem Täter habe. Eine laut dem Sozialarbeiter „überforderte“ Ärztin habe – entgegen der ärztlichen Schweigepflicht - nach einer Untersuchung aber sofort die Kriminalpolizei alarmiert, wodurch der Fall ins Rollen kam.
Auch die Jugendliche, die im August 2021 vorzeitig die Gummersbacher Wohnung verlassen hatte, sagte heute Mittag vor Gericht aus. Für Montag ist die Aussage des mutmaßlichen Opfers unter Ausschluss der Öffentlichkeit geplant. Insgesamt sind für den Prozess fünf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird für den 16. Februar erwartet.
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