LOKALMIX
Verwaiste Schulen und Einlasskontrollen im Krankenhaus
Gummersbach - Bildungs- und Betreuungseinrichtungen haben geschlossen - Verschärfte Bedingungen am Klinikum und im Seniorenheim - Eine Reportage.
Von Leif Schmittgen und Lars Weber
Gummersbach und das Oberbergische befinden sich seit heute im Ausnahmezustand. Schulen haben geschlossen, in Kitas herrscht ein Betretungsverbot, in Altenheimen und Krankenhäusern ist es schwer, Verwandte und Freunde zu besuchen. Oberberg-Aktuell hat sich heute umgehört.
Gähnende Leere herrschte heute Morgen in der Derschlager Gesamtschule. Einige Kinder schleppen Kisten mit Büchern durch das Gebäude. „Das ist Lernmaterial für die Heimarbeit, berichtet die didaktische Leiterin der Bildungsstätte, Anna Klur. Schon seit dem vergangenen Samstag hat sich das Lehrerkollegium auf die Ausnahmesituation vorbereitet. Wir haben zunächst die Eltern und Schüler informiert und uns erste Gedanken gemacht, mit welchen Aufgaben die Kinder zu Hause betraut werden“, erzählt Klur. In die Feinabstimmung sind die Pädagogen dann heute Morgen im Lehrerzimmer gegangen. Dort herrschte am Morgen viel Betrieb, denn das Kollegium beriet sich umfassend.
[Anna Klur, didaktische Leiterin der Gesamtschule Derschlag.]
In die neu eingerichtete Lernwelt im ersten Obergeschoss hat sich Gesellschaftslehre - und Mathematiklehrerin Burcu Sedes zurückgezogen: „Hier habe ich mehr Ruhe“, erzählt sie, während sie am Laptop Aufgaben für ihre Schüler vorbereitet. Für die Siebtklässler steht die Erstellung eines Klimadiagramms auf dem „Stundenplan“, während die „Zehner“ Geometrieaufgaben erhalten. „Das dient zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfung“, sagt Sedes. Sie hat einen genauen Plan für ihre Schützlinge erarbeitet. Doch wie bekommen die Daheimgebliebenen ihre Aufgaben zugestellt? „Digital auf unterschiedlichen Wegen“, berichtet die didaktische Leiterin. Die Schule sei auch vor der Coronakrise gut vernetzt gewesen. Die Aufgaben werden meist über spezielle Lernapps zur Verfügung gestellt oder eben klassisch per E-Mail. Gut vorbereitet, so Klur, sei man auch auf eine mögliche Notbetreuung von Kindern, deren Eltern diese aus beruflichen Gründen in Anspruch nehmen müssen. „Bisher haben wir keine Anfragen“, sagt Klur, im Ernstfall wird man die Kinder und Jugendlichen, maximal fünf Personen auf einmal, in einem der vielen leerstehenden Klassenzimmer betreuen.
Emsiges Treiben im Lehrerkollegium ist auch im Lindengymnasium zu beobachten. Während die Flure und Aufenthaltsräume verwaist sind, arbeiten diverse Krisenteams daran, dass der Unterricht auch im „Home Office“ weitergehen kann, wie die Schulleiterin Beatrix Will erzählt. Dazu werden wie in Derschlag Programme und Apps genutzt, die über das Internet laufen. Beschäftigungslos wird also bis nach Ostern niemand sein, weder Schüler noch Lehrer. Prüfungen seien bis dahin ausgesetzt. Wie es damit weitergeht, ob es mit Unterricht in der Schule dann weitergehen kann, das werde vom Bildungsministerium entschieden, so Will. Auch ob die Abiklausuren, mit denen am Dienstag nach Ostern begonnen werden sollte, zu diesem Zeitpunkt stattfinden können, müsse man sehen. „Die Situation ist schlimm für die Abiturienten“, sagt die Schulleiterin.
[In Krisenteams arbeiten die Lehrer des Lindengymnasiums daran, dass der Schulbetrieb im "Home Office" weitergehen kann. Schulleiterin Beatrix Will sieht ihre Schule gut vorbereitet.]
Rund 1000 Schüler hat das Lindengymnasium, gerade einmal vier von ihnen waren heute da, um das Notfall-Betreuungsangebot in Anspruch zu nehmen. Sprich: Ihre Eltern arbeiten in systemrelevanten Berufen. Für die nächsten Tage gebe es nur eine Anmeldung, sagt Will. Die Schule sei aber darauf vorbereitet, falls doch noch mehr Eltern Unterstützung brauchen. Generell scheinen diese gut vorbereitet zu sein. An den anderen weiterführenden Schulen in Gummersbach wurden keine weiteren Schüler betreut. An acht von neun städtischen Grundschulen nahmen 33 Kinder das Angebot wahr, in den Kitas im Stadtgebiet insgesamt sechs Kinder, so die Stadt Gummersbach auf Nachfrage.
[Antje Lender, Leiterin der Kita "Janoschs Trauminsel", ist begeistert, dass die Eltern alle mit viel Verständnis auf die Situation reagiert haben.]
Gut vorbereitet ist man auch in der städtischen Kita „Janoschs Trauminsel“ in Gummersbach-Bernberg. Die 25 Mitarbeiter leisten dort – wie bisher auch- Dienst nach Vorschrift. Die Weisungen des Dienstherrn wurden bereits am Morgen umgesetzt, wie Leiterin Antje Lender berichtet. „Wir haben erst einmal unsere Telefonkontakte geordnet und die Eltern informiert. In der Kita liegt derzeit kein Betreuungsbedarf vor, sollte es soweit kommen, werden die Kinder einzeln in sowieso vorhandenen drei Gruppen betreut. „Eine Vermischung darf laut Dienstvorschrift nicht stattfinden“, sagt Lender. Einen Notfallplan gibt es auch für die Mitarbeiter. Auch, um die älteren Kollegen zu schützen“, weiß die Leiterin. Begeistert ist sie außerdem von den Eltern, die allesamt sehr viel Verständnis für die Situation aufgebracht hätten.
[Christian Kollhosser, Leiter der Seniorenresidenz Ambiente: Am Eingang weist ein Stopp-Schild auf die besondere Besuchersituation hin.]
Mit Verständnis reagieren auch die Besucher, die Angehörige im Pflegeheim Ambiente in Gummersbach besuchen möchten. Direkt am Eingang werden sie mit einem Stopp-Schild auf die Besuchseinschränkung hingewiesen. Wie der Leiter Christian Kollhosser sagt, ist der Besuch aber nicht gänzlich untersagt. Bewohner dürfen einen Besucher pro Tag innerhalb des eigenen Zimmers für eine Stunde empfangen. Bei Bewohnern, die beispielsweise im Sterben liegen, gebe es andere Regelungen. Dafür gibt es keine Gruppenveranstaltungen mehr im Haus, und zwischen den drei Stationen gibt es keinen Austausch mehr. Im Bereich des Betreuten Wohnens seien zudem weitere Desinfektionsspender aufgebaut. „Das gibt dem Menschen Sicherheit“, sagt Kollhosser.
Grund zur Panik gebe es nicht. Für den Ernstfall sei ein Pandemieplan erstellt worden. „An unserem Alltag hat sich nicht viel verändert“, sagt er, was auch an den ohnehin hohen Hygienestandards liege. 72 Bewohner hat das Ambiente momentan, 110 Menschen im Betreuten Wohnen. 60 Mitarbeiter habe die Seniorenresidenz, 30 sind im angeschlossenen ambulanten Dienst tätig. Das Personal habe vor allem mit den Schließungen von Kitas und Schulen zu kämpfen. „Wenn unsere Mitarbeiter dabei große Probleme bekommen sollten, haben wir Notfallpläne im Hinterkopf, sodass das Personal weiterhin zur Verfügung steht.“
[Am Eingang des Krankenhauses in Gummersbach stehen nicht nur die Krankenpflegeschüler, sondern auch Hinweisschilder. Wer mit Schnupfen kommt, bekommt einen Mundschutz überreicht.]
Nicht mehr so einfach zu besuchen sind dagegen Patienten des Krankenhauses in Gummersbach. Seit heute Mittag stehen dort an den Eingängen – und auch an den anderen Standorten des Klinikums Oberberg – Krankenpflegeschüler. Zu dritt oder zu viert haben sie den Auftrag, jeden, der in das Gebäude möchte, zu befragen, um das Besuchsverbot umzusetzen. „Es sind noch immer viele Menschen, die ins Krankenhaus möchten“, erzählt Josephine Schönstein, die zusammen mit Jannik Hützen, Selma Cirikovic und Esma O. Stellung vor dem Eingang bezogen hat. Von 13 bis 15 Uhr kamen rund 100 Leute, davon waren viele Patienten, die nur kurz draußen waren, oder die Termine im Krankenhaus hatten. Rund 40 Menschen wollten aber auch Angehörige besuchen, die in den meisten Fällen nach dem Gespräch mit den Krankenpflegeschülern verständnisvoll wieder umgekehrt sind. „Manche geben uns auch eine Tasche für ihre Verwandten, die wir dann auf die Station bringen“, so Jannik Hützen. Der Haupteingang und der Zugang zur Notaufnahme werden von 9:30 bis 20 Uhr in dreieinhalb-Stunden-Schichten betreut.
Laut Klinikum Oberberg gilt kein Besuchsverbot für gesetzlich bestellte Betreuer, Patienten in kritischen Lebenssituation nach telefonischer Abstimmung mit der Station, für Besucher der Palliativstation, Kinderklinik, Wöchnerinnenstation und der Psychiatrie (täglich nur einen Besuch), für Dienstleister, beispielsweise Sanitätshäuser, Home-Care oder Taxiunternehmen, für den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK), Amtsrichter oder Patienten, die Ambulanz- und Praxisbesuche machen. Auch bei der Aufnahme und Entlassung können Angehörige den Patienten begleiten.
Der Betrieb sei merklich zurückgegangen, sagt eine Krankenhaussprecherin. Wie lange die Situation aufrecht erhalten bleibt, sei unklar, mindestens aber bis zum 19. April. Um eine Station freizuhalten, würden auch Operationen abgesagt, wenn sie nicht dringend notwendig sind. Die Ärzte entschieden das aber situativ. Als weitere Vorsichtsmaßnahme werde nun auch die Cafeteria für Besucher und Patienten geschlossen. Nur das Personal werde dort noch versorgt.
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