POLITIK
Zukunftsmodell Bücherei: Selbstbedienung im Wohnzimmer
Wiehl – Schulausschluss beschließt die Zukunftskonzeption 2030 für die Stadtbücherei – Maßnahmen über mehrere Jahre verteilt.
Von Lars Weber
Schon jetzt kümmern sich fünf Mitarbeiterinnen in der Stadtbücherei Wiehl darum, dass es über vier Etagen lebendig zugeht. Diverse Veranstaltungen zeugen davon ebenso wie die regelmäßigen Ausflüge von Kita-Kindern und Grundschülern in die Räume in der Wiehler Altstadt. Und auch, wer nicht persönlich vorbeischaut: Über die „Onleihe“ kann man das Angebot der Bücherei auch bequem von unterwegs oder zu Hause nutzen. Die Digitalisierung zeigt es deutlich: Büchereien sind im stetigen Wandel. Um sich für die Zukunft aufzustellen, hatte der Schul- und Bildungsausschuss der Stadt Wiehl ein Konzept in Auftrag gegeben, das das Land mit 18.500 Euro förderte. Nun liegt die fertige Zukunftskonzeption 2030 vor, die zeigt: Es gibt noch viel Potenzial, das es zu heben gilt – bis hin zum Besuch der Bücherei, obwohl kein Personal vor Ort ist.
Vorgestellt wurde das Konzept von Andreas Mittrowann des Fachbüros „nachvornedenken“, der dafür eng mit der Verwaltung und vor allem dem Bücherei-Team um Tanja Draube und Jessica Steinert zusammenarbeitete. Mit ihnen gab es nach einer Bestandsaufnahme diverse Workshops. Bei einer Bürgerwerkstatt wurden aber auch die Nutzer mit an den Tisch geholt. „Seit 4.000 Jahren gibt es Bibliotheken – und seitdem verändern sie sich auch“, sagte Mittrowann. Klar: Bücher oder später auch andere Medien ausleihen, das ist die Konstante durch die Jahrtausende. Doch von den Zielgruppen bis zu der gesellschaftlichen Bedeutung ist viel passiert.
Moderne Bibliotheken sind inzwischen bestenfalls Dritte Orte – also ein Raum, in dem Bürger nach ihrem Zuhause und ihrer Arbeitsstelle beziehungsweise Schule gerne und viel Zeit verbringen. Und in diese Richtung möchte sich auch die Wiehler Bücherei weiterentwickeln. Sie soll ein „lebendiger, inklusiver Ort der Bildung und Begegnung für alle Generationen“ werden, ein „Wohnzimmer“, in dem Begegnen und Erleben möglich ist. Gerade bei Nutzern ab 65 Jahren gibt es „Aufholbedarf“.
Vielfältige Ziele in Handlungsfeldern wie die Förderung der Medien- und Lesekompetenz, Wissen und Information, Wohlfühlort, niederschwelliger Zugang sowie Kooperation und Vernetzung wurden auf Grundlage der Analysen und Diskussionen erarbeitet. Da sich das jährliche Budget für die Bücherei in Grenzen hält, wurden die Maßnahmen gestaffelt bis 2030 verteilt – und auch die Arbeitslast für das engagierte Team will verteilt sein.
In diesem Jahr sollen beispielsweise die Veranstaltungsangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene erweitert werden. Unter anderem hier wird auf die Termine aufmerksam gemacht. Im kommenden Jahr steht die Gründung eines Fördervereins an, der gerade bei besonderen Projekten oder Anschaffungen helfen soll. Auf dem Programm steht natürlich auch die stetige Anpassung des Medienangebots (unter anderem: mehr Kinderbücher, weniger Sachbücher, der Medienetat müsste sich sukzessive von jetzt 30.000 Euro im Jahr mehr als verdoppeln) oder die Einführung von Kooperationsverträgen mit Kitas und Schulen. Zwar besuchen viele Einrichtungen die Bücherei bereits, diese Zusammenarbeit solle aber auch schriftlich festgehalten werden.
Statistik
Aktuell hält die Bücherei rund 38.000 Medien vor Ort vor. Hinzu kommen 22.000 digitale Medien im Verbund der Bergischen Onleihe. Außerdem stehen 3.000 Filme und Serien über das Angebot „Filmfriend“ zur Verfügung. Die Nutzung der digitalen Angebote erhöhte sich seit 2017 bis 2024 um 41 Prozent – aber auch die physischen Entleihungen stiegen in diesem Zeitraum um immerhin 5,5 Prozent. Im Jahr 2024 gab es insgesamt 22.072 Besuche, die Zahl stieg seit 2019 um 7,67 Prozent an. Gestiegen ist in den vergangenen Jahren auch die Zahl der Personen, die ihren Ausweis mindestens einmal im Jahr nutzen, nämlich von 1.631 (2017) auf 1.989 (2024). Die höchsten Nutzerquoten finden sich in den Altersgruppen sechs bis neun Jahre und zehn bis 15 Jahre.
Zentral in der Zukunftskonzeption ist zudem ein neues Raumkonzept, das für mehr Aufenthaltsqualität oder auch erweiterte Lern- und Arbeitsplätze sorgen soll. Diese Maßnahme ist aktuell für 2028 angedacht – sie braucht gerade auch im finanziellen Sinn Vorlaufzeit. Ein riesiger Schritt in Sachen erweiterte Öffnungszeiten soll die Einführung der RFID-Technologie bringen. Dabei werden die Medien mit speziellen Chips ausgestattet, die die Selbstbedienung ermöglichen. Verbunden werden soll dies – bestenfalls 2030 – mit der Open-Library-Technologie. Hier können zu freigegebenen Öffnungszeiten Nutzer (meist ab 16 Jahren) zum Beispiel per Karte Zugang zur Bibliothek erhalten, obwohl kein Personal vor Ort ist – zum Arbeiten, Lesen oder zum selbstständigen Ausleihen.
Der Ausschuss stimmte geschlossen für die Konzeption. CDU-Fraktionsvorsitzende Larissa Gebser: „Es ist ein Schatz, dass wir eine so aktive Bücherei haben“. Sie zeigte sich überrascht davon, was noch alles vor Ort möglich sein wird und ist gespannt auf die Zukunft. Der Erste Beigeordnete Peter Madel machte deutlich, dass nicht jede Maßnahme in Stein gemeißelt sei und stets auch abhängig sei von Förder- und Eigenmitteln. „Die Konzeption ist ein ambitionierter Startpunkt.“
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