NüMBRECHT
Mehr denn je gegen das Vergessen
Nümbrecht - 200 Menschen nahmen an der Gedenkfeier anlässlich des 85. Jahrestages der Pogromnacht teil - Rabbiner Yechiel Brukner aus Köln war als Hauptredner zu Gast.
Von Vera Marzinski
Anlässlich des 85. Jahrestages der Reichspogromnacht hatten die Gemeinde Nümbrecht, die Freundeskreise Nümbrecht-Mateh Yehuda und Wiehl-Jokneam sowie die Oberbergische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ) zu einer Gedenkfeier eingeladen. Als Hauptredner war an der Gedenkstätte neben dem jüdischen Friedhof Rabbiner Yechiel Brukner aus der Synagogen-Gemeinde Köln zu Gast.
Bundesweit wird am 9. November an die Opfer der nationalsozialistischen Pogrome und an die systematische Ermordung der europäischen Juden erinnert. In diesem Jahr findet das Gedenken unter dem Eindruck des Angriffs der Hamas auf die israelische Bevölkerung am 7. Oktober statt - so auch in Nümbrecht. Das „Nie wieder“ sei gerade gebrochen worden, so Rabbiner Brukner. „Unbeschreiblich, barbarisch, was uns geschehen ist - weil wir Juden sind.“
[Prof. Igor Epstein (re.) begleitete die Gedenkfeier mit Schülerinnen und Schüler des Hollenberg-Gymnasiums Waldbröl musikalisch.]
Er stelle dies bewusst nicht in einen politischen Kontext. Die Schoa sei ein fürchterliches, dunkles Ereignis in der Geschichte, aber „was jetzt geschehen ist, ist so schlimm wie die Schoa.“ Seine Zuversicht und seine Hoffnung sei jedoch, dass nun wieder etwas Gutes passiere. „Wir werden auch das überstehen“, meinte Brukner. „Und müssen alles tun, damit das Gute das Böse besiegt.“
Bürgermeister Hilko Redenius hatte die Gedenkfeier, zu der rund 200 Besucher kamen, eröffnet. Aus Sicherheitsgründen wurde die Straße abgesperrt und Polizei sowie Feuerwehrkräfte waren vor Ort.
Wenn sich die Pogromnacht zum 85. Mal jähre, stehe das Gedenken für Jüdinnen und Juden in Deutschland unter besonderen Vorzeichen, so Marion Reinecke vom Freundeskreis Nümbrecht-Mateh Yehuda. Die jüdische Bevölkerung, auch explizit in Oberberg, benötige Unterstützung, appellierte sie. Es sei wirklich so, dass die Menschen Angst haben und sich viele Gedanken machen, wie die Zukunft aussehen könne und ob es möglich sei, hier zu leben. Es gehe nicht ohne Unterstützung, ohne Demokratie, ohne ein mutiges Aufstehen und sich an die Seite der jüdischen Mitmenschen zu stellen.
Der stellvertretende Landrat Prof. Dr. Friedrich Wilke fragte: „Was geschieht hier eigentlich in unserer Welt, in Europa, in Deutschland, vor unserer Haustür seit kurzer Zeit?“ Selten sei dieser Gedenktag so aktuell wie in diesen Tagen. Vor einem Monat habe es das Signal für eine neue Welle des Antisemitismus gegeben – weltweit und auch in Deutschland. Wilke forderte „Seien wir wachsam“ und „Auch wir müssen im Kleinen etwas tun, hier kann sich jeder Einzelne von uns einsetzen.“
[Kranzniederlegung vor den Granitstelen, zwischen denen sechs Plaketten in den Boden eingelassen sind mit den Namen der Vernichtungslager, in denen während der NS-Zeit Nümbrechter Juden ermordet wurden.]
Die Novemberpogrome hätten gezeigt, wozu die Nationalsozialisten fähig gewesen seien. So etwas dürfe sich nie wiederholen, forderten auch Nele und Felix vom Homburgischen Gymnasium Nümbrecht in ihren Wortbeiträgen. Als Zeichen des Willens zur Versöhnung und der Solidarität mit dem jüdischen Volk wird in Nümbrecht die Erinnerungskultur gepflegt. Es sei wichtig an, an solch einem Ereignis teilzunehmen, in der Schule darüber zu sprechen und sich damit auseinanderzusetzen, betonten sie. „Gedenkstätten und Gedenktage wie dieser müssen stattfinden, denn wir dürfen nicht vergessen, was passiert ist und passieren kann.“
Vor den Granitstelen, zwischen denen sechs Plaketten in den Boden eingelassen sind mit den Namen der Vernichtungslager, in denen während der NS-Zeit Nümbrechter Juden ermordet worden sind, legten der CJZ-Vorsitzender Frank Bohlscheid und Ingo Themann vom Freundeskreis Nümbrecht-Mateh Yehuda abschließend einen Kranz mit der Schleifenaufschrift „Den Toten zum Gedenken – den Lebenden zur Mahnung“ nieder.
ARTIKEL TEILEN