OBERBERGISCHER KREIS
Die Rolle der Evangelischen Kirche im Nationalsozialismus
Wiehl - Die Rolle der Evangelischen Kirche beim Aufstieg der NSDAP im Oberbergischen beleuchteten der Journalist Dieter Lange und Pfarrer Hans-Jörg Böcker im Bielsteiner Burghaus.
Von Ute Sommer
Die im Dezember 2021 erschienene LVR-Publikation "Indoktrination – Unterwerfung - Verfolgung", die sich den unterschiedlichen Aspekten der NS-Gewaltherrschaft im Oberbergischen, Rheinisch-Bergischen und Rhein-Sieg-Kreis widmet und sich als Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus versteht, ist bereits vergriffen. Doch gab der Aufsatzband den Impuls für eine Vortragsreihe an den 13 Standorten der Volkshochschule Oberberg, im Rahmen derer lokale Geschichtsexperten historische und politische Zusammenhänge zu Zeiten des Nationalsozialismus transparent machen.
Welchen konfliktreichen Werdegang die Evangelische Kirche vor Ort vom "Steigbügelhalter bis zur Hochburg der Bekennenden Kirche" durchlief, erläuterten der Autor der "Wiehler Chronik", Dieter Lange, und der ehemalige Schulreferent des Evangelischen Kirchenkreises an der Agger, Hans-Jörg Böcker, anhand authentischer Einblicke in die Zeit des "Dritten Reichs". Grundlage des Abends, den beide Referenten im Dialogformat durchführten, war die Stuttgarter Schulderklärung, in deren Rahmen der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland Im Oktober 1945 sein schreckliches Versagen angesichts des "nationalsozialistischen Gewaltregiments" bekannte.
[Foto: Ute Sommer --- Vor knapp 40 Zuhörern referierten Dieter Lange (li.) und Hans-Jörg Böcker über die Wandlung der evangelischen Kirche vom NSDAP-Steigbügelhalter zur Hochburg der Bekennenden Kirche.]
Lange skizzierte das Oberbergische als Enklave im katholischen Rheinland, wobei Wiehl mit 80,8 Prozent und Waldbröl mit 62,7 Prozent zu den Hochburgen der Protestanten zählten. Die Wahlerfolge, die die NSDAP spätestens ab 1929 einfuhr, seien der katastrophalen wirtschaftlichen Lage der ländlich-kleinbäuerlichen Bevölkerung geschuldet gewesen. Die überwiegend deutschnationalen Pfarrer hätten im Regime einen Verbündeten im Kampf gegen Liberalismus und Sozialismus gesehen, nicht zuletzt weil die Waldbröler NS-Größe Dr. Robert Ley die menschenverachtende Doktrin als "Positives Christentum" bemäntelt habe.
So hätten auch in Oberberg anfangs viele protestantische Pfarrer zu den Wegbereitern der Nationalsozialisten gezählt, wobei Hitler auf der Kreissynode 1933 vom damaligen Superintendenten (und später führender Vertreter der "Bekennenden Kirche“) Herbert von Oettingen als "Lebensretter für das Volk und die Kirche" beschrieben worden sei. Allerdings setzte nach der Verhaftung vieler Kommunisten und Sozialdemokraten nach dem Reichstagsbrand, zunehmender Judenverfolgung und dem Ermächtigungsgesetz die innerkirchliche Ernüchterung ein, wobei die Forderung der Eingliederung der evangelischen Jugend (CVJM) in die Hitler-Jugend als Startsignal für den "oberbergischen Kirchenkampf" gewertet werden kann.
Als Resultat der Volksabstimmung im August 1934 erlitten die Nazis Verluste und die Zustimmung von verbleibenden, rund 80 Prozent im Oberbergischen musste als Niederlage und eindeutiger Protest vieler pietistisch geprägter Christen gewertet werden. Nach Vorbild der Wuppertaler Bekenntnissynode von 1934 wurde am 15. Juli 1935 im Kirchenkreis an der Agger ebenfalls eine Bekenntnissynode gegründet.
Ähnlich wie der Wiehler Pfarrer Stegemann befanden sich viele oberbergische Theologen im Gewissenskonflikt zwischen "Führerprinzip" und Bekenntniskirche, doch sind der Marienhagener Pfarrer Johannes Fach und der Odenspieler Geistliche Dr. Fritz Wieter Beispiele für mutiges Eintreten für die Freiheit des Glaubens und der Kirche. Die wankelmütige Haltung der evangelischen Kirche in Zeiten des Nationalsozialismus werteten Dieter Lange und Hans-Jörg Böker abschließend nicht als explizit oberbergisches Phänomen. Doch sei die Kontroverse mit dem Nazi-Regime keine grundsätzliche Systemkritik, sondern vielmehr eine theologische Auseinandersetzung gewesen.
KOMMENTARE
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Guten Morgen, den Artikel habe ich sehr interessiert und aufmerksam gelesen. Ich bin in der Archivgruppe unserer Ev luth Matthäusgemeinde Leipzig Nordost und wir sind aktuell mit dem gleichen Thema befasst. Die Problematik ist bei uns die gleiche, wenige Bilder aber gute Informationen.
Vielleicht können wir uns austauschen.
Eine gute Woche und viele Grüße
Gottfried Richter
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