POLITIK
Box-Nachfolger? „Geld verdient man mit Diskos nicht“
Wiehl – Der Rat sprach über die Versuche der Verwaltung, einen Clubstandort für Betreiber oder Investoren zu finden – Burgerwerk-Chef sprach über alternative Konzepte.
Von Lars Weber
Eine richtige neue Diskothek ist in Wiehl nach der Sitzung des Rats am Dienstagabend im Rathaus nicht wahrscheinlicher geworden. Die Hürden für einen möglichen Betreiber und/oder Investor sind einfach sehr hoch. Verwaltung und Politik unterstrichen ihren Willen, bei einem aussichtsreichen Vorhaben wenn möglich notwendige Rahmenbedingungen zu schaffen. Unter welchen Umständen eine Disko in Wiehl überhaupt noch funktionieren könnte, darüber sprach bei der Sitzung Christos Batgidis, Chef des Burgerwerks mit viel Veranstaltungs- und Gastroerfahrung, der das Thema realistisch einzuordnen versuchte. Auch wenn dies den jungen Wiehlern, dem Diskowunsch liegt ein Antrag der Jungen Union zugrunde, erstmal wenig Aussichten auf durchtanzte Nächte gab – die Verwaltung bekräftigte, an Alternativen zu einem festen Clubstandort zu werkeln.
Die Sehnsucht nach einem Treffpunkt für junge und heranwachsende Wiehler wuchs nach dem Ende der Diskothek „Midnight“ am Wiehlpark gefühlt mit jedem Jahr. Über rund drei Jahrzehnte sorgte die „Schweinebox“ oder nur „Box“ für bleibende Erinnerungen. Seit Anfang 2020 hat die „Box“ aber bereits zu, der Brandschutz in dem ehemaligen ProMarkt-Komplex konnte laut Stadt nicht mehr sichergestellt werden. Aktuell wird das Gebäude endgültig abgerissen. Schon 2021 wurde von der Jungen Union Wiehl die Kampagne „Generation Box“ ins Leben gerufen, um für einen Disko-Standort in Wiehl einzutreten.
Zuletzt geäußerte Vorwürfe, die Stadt würde sich zu wenig engagieren, konterte die Verwaltung mit einer elfseitigen Ausführung über die schwierige rechtliche Situation für sogenannte Vergnügungsstätten, der Suche nach möglichen Standorten und alternativen Vorschlägen. „Wir sind seit Jahren an dem Thema dran“, bekräftigte Bürgermeister Ulrich Stücker.
Zwei wesentliche Aussagen enthält dieses Handout, die für die weiteren Überlegungen wichtig sind. Erstens: Die Box, so wie sie bisher betrieben wurde, ist als „kerngebietstypische Vergnügungsstätte“ einzustufen. Da es aber kein rechtswirksames Kerngebiet in Wiehl gibt, wäre sie heute nur noch (ausnahmsweise) in einem Gewerbegebiet zulässig, so die Stadt. Zweitens: Die Entscheidung, wie ein zukünftiges Konzept aussehen könnte, könne nur durch einen Betreiber getroffen werden. Das Anforderungsprofil an einen neuen Standort sei maßgeblich abhängig vom Konzept. „Eine Standortsuche ohne Betreiber ist nicht zielführend.“
Und hier kommt nun Christos Batgidis ins Spiel. Der Chef des Burgerwerks und ehemaliger Betreiber des Eventwerks in Ründeroth könnte sich durchaus vorstellen, in Wiehl seine Veranstaltungsideen umzusetzen. Vorausgesetzt ist aber ein Standort, der mit dem Konzept, das er in den Rat mitgebracht hatte, harmoniert. Und das könnte eine große Herausforderung darstellen.
Bevor er auf das Konzept zu sprechen kam, skizierte der 39-Jährige aus Olpe die Entwicklung in der Kneipen- und Diskolandschaft seit seiner eigenen Kindheit. Denn da er in einer Gastronomenfamilie groß geworden ist, half er schon als Elfjähriger im Service mit. Später absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung, dann noch ein Studium Eventmanagement in Berlin. Immerzu sammelte er dabei Erfahrungen, in anderen Restaurants und als Veranstalter. Dann – vor über zehn Jahren – betrieb er für Jahre eine Schlagerbar in Olpe, bevor es nach Ründeroth ging, wo das Eventwerk öffnete.
In all diesen Jahre habe er einen „kulturellen Wandel in diesem Geschäftsfeld erlebt, der nicht mehr zu drehen ist“. Zusammengefasst gesagt: Die Kunden gehen nicht mehr so viel aus wie früher, nur um etwas zu trinken und etwas Musik zu hören. Sie erwarten etwas, schließlich ist das Geld, das auszugeben ist, nicht mehr geworden. Und so wurden in den vergangenen 20 Jahren die Diskos immer weniger, und in jenen, die noch da sind, wechselten Betreiber regelmäßig. Die Entwicklung habe auch die Gastroszene erreicht. „Inzwischen können schon ganze Regionen nicht mehr ausgehen.“
Und was soll unter diesen Umständen noch funktionieren? Batgidis meint, dass ein Konzept auf drei Säulen fußen müsse. Mit Firmenfeiern und privaten Vermietungen wie für Hochzeiten verdient man das Geld, mit der dritten Säule, sogenannten öffentlichen Imageevents, liefert man ein gutes Angebot für die Bürgerinnen und Bürger jeden Alters und schafft eine Bindung. Darunter fallen zum Beispiel Kinderpartys oder eben auch Diskonächte. „Geld verdient man damit aber eben nicht.“
Um all diese Säulen bedienen und eine Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg zu haben, müsste ein Standort gut erreichbar sein, und sei es mit günstigen Shuttlebussen, und müsste außerdem die Qualität haben, dass „man selbst auch seine Hochzeit dort feiern würde“. Zudem müsse es ein sicheres Umfeld geben, damit Eltern in Erwägung ziehen, ihre Kinder dort hinzubringen.
Carlo Riegert (SPD) bezeichnete den Vortrag als ernüchternd. Larissa Gebser (CDU) betonte nochmal die Dringlichkeit, Treffpunkte für die jungen Wiehler zu schaffen. Andere Stadträte wie Michael Pfeiffer (CDU) oder Jürgen Körber (Grüne) schlugen vor, Veranstaltungen in bestehenden Gastrobetrieben anzuregen, wie dem Waldhotel oder Holsteins Mühle. Tatsächlich gehen die Bemühungen der Stadtverwaltung aktuell in diese Richtung. „Wir sind in Gesprächen mit dem Hotel zur Post und auch der Erzquell Brauerei“, sagte Bürgermeister Stücker. Mehr verriet das Stadtoberhaupt noch nicht.
Der nächste Tanzabend in Wiehl steht aber schon. So soll am 30. April eine „Tanz in den Mai“-Party in der Posthalterei stattfinden.
Aus dem Rat
In den Sozial- und Kulturausschuss verwiesen worden ist ein Antrag der Grünen-Fraktion, dass die Stadt Wiehl die vom Land NRW angebotene Opt.Out-Regelung zur Bezahlkarte für Geflüchtete nutzen und die Bezahlkarte nicht einführen sollte. Jürgen Körber argumentierte nicht nur mit dem größeren Verwaltungsaufwand, sondern vor allem mit der diskriminierenden Wirkung und „erheblichen Datenschutzbedenken“. Beigeordneter Peter Madel sagte, dass es aktuell noch viele unbeantwortete Fragen zu dem Thema gebe und er hofft, bis zur Sitzung des Fachausschusses Antworten zu haben. Er verwies aber auch darauf, dass diese Option des Landes NRW, die Bezahlkarte nicht einzuführen, schon bald von einer neuen Bundesregierung kassiert werden könnte. Dann könnten jegliche Diskussionen obsolet werden. Auch deshalb entschied der Rat nur mit knapper Mehrheit die Verweisung des Antrags (22:17). Unter anderem CDU, AfD oder FDP hätten schon jetzt über die Bezahlkarte abgestimmt.
[Foto: Lars Weber.]
Was mit dem Gebäude des ehemaligen Weihersnacks auf dem Weiherplatz passiert, ist noch nicht geklärt. Zunächst soll bei der nächsten Sitzung des Aufsichtsrats der Stadtwerke über aktuell laufende Gespräche mit potenziellen Mietern und möglichen Sanierungskosten informiert werden. Die Linke zog ihren Antrag auf einen Umbau zu einem Bürgerpavillon zunächst zurück.
Für 15 Jahre Mitgliedschaft im Rat der Stadt Wiehl ist bei der gestrigen Ratssitzung Holger Schmidt (SPD) ausgezeichnet worden. Bürgermeister Stücker lobte das Engagement von Holger Schmidt. Besonders hob er dessen Einsatz rund um den Um- und Erweiterungsbau des CVJM-Jugendheims auf dem Pützberg in Oberwiehl hervor.
KOMMENTARE
Jeder Nutzer dieser Kommentar-Funktion darf seine Meinung frei äußern, solange er niemanden beleidigt oder beschimpft. Sachlichkeit ist das Gebot. Wenn Sie auf Meinungen treffen, die Ihren Ansichten nicht entsprechen, sehen Sie von persönlichen Angriffen ab. Die Einstellung folgender Inhalte ist nicht zulässig: Inhalte, die vorsätzlich unsachlich oder unwahr sind, Urheberrechte oder sonstige Rechte Dritter verletzen oder verletzen könnten, pornographische, sittenwidrige oder sonstige anstößige Elemente sowie Beschimpfungen, Beleidigungen, die illegale und ethisch-moralisch problematische Inhalte enthalten, Jugendliche gefährden, beeinträchtigen oder nachhaltig schädigen könnten, strafbarer oder verleumderischer Art sind, verfassungsfeindlich oder extremistisch sind oder von verbotenen Gruppierungen stammen.Links zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
ARTIKEL TEILEN