POLITIK

Begehrte Industrieflächen: Interessierte Betriebe sollen Hosen runterlassen

lw; 27.03.2025, 13:08 Uhr
Archivfoto: Lars Weber.
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Begehrte Industrieflächen: Interessierte Betriebe sollen Hosen runterlassen

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lw; 27.03.2025, 13:08 Uhr
Waldbröl – Im Stadtentwicklungsausschuss wurde über die Auswahlkriterien für den neuen Industriepark Hermesdorf III gesprochen – Für Fördermittel bei der Erschließung müssen Voraussetzungen erfüllt werden.

Von Lars Weber

 

Bürgermeisterin Larissa Weber spricht gerne von einem „Gamechanger“, wenn es um die Entwicklung des neuen Industrieparks Hermesdorf III geht. Tatsächlich soll das Projekt sehr viel mehr werden als ein übliches Gewerbegebiet, denn es bietet eine Eigenschaft, die Uwe Cujai, Leiter der Wirtschaftsförderung des Oberbergischen Kreises, bei der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses als „Alleinstellungsmerkmal“ hervorhob, um das andere Kommunen die Marktstadt beneideten. Denn auf den 23 Hektar Fläche dürfen sich auch produzierende Industriebetriebe ansiedeln. „Lärm machen dürfen, und das 24/7, das gibt’s so nicht mehr im Kreis“, umschrieb es Cujai. Natürlich setzt man in der Marktstadt darauf, dass mit der Entwicklung des Gebiets die Gewerbesteuereinnahmen nur so sprudeln und viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Doch dafür benötigen Verwaltung und Politik ein gutes Gespür für die richtigen Unternehmen. Und dabei und bei der Gewinnung von Fördermitteln hilft Cujai.  

 

Bei der Sitzung des Ausschusses stellte der Wirtschaftsförderer mögliche Ansiedlungskriterien im Rahmen der Vermarktung der Gewerbe- und Industrieflächen vor und setzte diese zudem in den Kontext mit den Fördermittelrichtlinien des RWP, des regionalen Wirtschaftsförderungsprogramms des Landes, das aber auch durch Bundesmittel gespeist wird. Bis zu 90 Prozent der förderfähigen Kosten für Planung und Erschließung könnte es darüber für Waldbröl geben, da der OBK inzwischen als „strukturschwache Region“ eingestuft werde. Die Kosten für die Erschließung eines Industriegebiets sind horrend, Cujai machte deutlich, dass die Marktstadt dies ohne die RWP-Förderung nicht stemmen könnte.

 

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Dementsprechend wichtig sei es, sich an die Richtlinien zu halten, in denen unter anderem auch vorgegeben wird, aus welchen Branchen sich angesiedelt werden darf. Gut für Waldbröl: Die Liste ist lang und lässt auf der Suche viel Spielraum – Textilien könnten dort ebenso hergestellt werden wie Nahrungsmittel, chemische Erzeugnisse ebenso wie Kunststoffwaren und so weiter.

 

Der große Spielraum zeigt auch, dass die Marktstadt zwingend strukturiert vorgehen muss. Fehler aus der Vergangenheit, aus denen auch schon einige Brachflächen hervorgegangen seien, sollten sich nicht wiederholen, sagte in der späteren Diskussion Anne Pampus (SPD). Dabei helfen sollen sechs Ansiedlungskriterien und Fragebögen an interessierte Unternehmen, deren Antworten gewichtet bewertet werden sollen. Sprich: Wer sich ansiedeln möchte, muss die Hosen runterlassen, um eine gute Chance auf die begehrten Flächen zu haben.

 

So müsse die Stadt die langfristige Entwicklungsperspektive einschätzen können. Wer sind die Kunden des Unternehmens, wie viele Kunden gibt es? Wenn es nur wenige Kunden gebe, die die Auftragslage sichern, könnte das Unternehmen schnell in Schieflage geraten, erläuterte Cujai. Außerdem könne interessant sein, ob Waldröl der Hauptsitz werden soll oder „nur“ eine von vielen Produktionsstätten. 

 

Beim Kriterium „Beitrag zur Verbesserung der Branchenstruktur“ geht es letztlich um den richtigen Mix an Unternehmen im Industriepark. „Man möchte nicht zehn Automobilisten nebeneinander.“ Weiter spielen selbstredend die Anzahl und Qualität der Arbeitsplätze eine Rolle. Die Unternehmen sollten nicht nur auf ungelernte Kräfte setzen.  Was ist mit Ausbildungsplätzen, wie sah die Personalentwicklung in den vergangenen Jahren aus? Auch ob die Betriebe Tarifverträge und arbeitnehmerfreundliche Strukturen haben, gehört dazu.

 

Um die Wirtschaftskraft und Krisenfestigkeit eines Bewerbers einzuschätzen, soll sich die Stadt auch ruhig mal die Jahresabschlüsse der letzten Zeit zeigen lassen. „Waldbröl darf ruhig selbstbewusst auftreten“, gab Cujai den Politikern mit. Wichtig auch: Die Finanzierung der Fläche sollte ebenso von Bewerbern nachgewiesen werden wie die Finanzierung des Neubaus auf dieser Fläche.

 

Weiter geht es um Kriterien wie verkehrliche Auswirkungen (zum Beispiel Lkw-Frequenz, Stellplätze, Mobilitätskonzepte) oder nachhaltiges Bauen. „Das sollte ruhig hochwertig sein, das zieht weitere Interessenten an.“ „Wellblechhütten“ sollten dort nicht entstehen. All diese Kriterien und Faktoren wird die Stadt zusätzlich gewichten, sprich: Was davon ist ihr besonders wichtig, was ist in der Endbewertung eher zu vernachlässigen. Die Auskünfte der Unternehmen zu den Fragen werden dementsprechend bewertet und ergeben eine Wertung, die Verwaltung und Politik die Antwort auf die Frage erleichtern soll, welchen Mix man im Industriepark verfolgen möchte. Cujai mahnte zur Geduld bei diesem Prozess. „Die richtigen Firmen werden kommen, wenn man einen langen Atem beweist.“

 

Die Ausschussmitglieder einigten sich darauf, sich zunächst in den Fraktionen genauer mit den Auswahlkriterien und der Bewertungsmatrix zu beschäftigen, bevor sie beschlossen werden sollen. Einen Beschluss fassten sie aber bereits bei der Sitzung: Sie bestätigten einstimmig, den RWP-Kriterien folgen zu wollen – ein wichtiges Zeichen auch für Cujai, der in der kommenden Woche mit dem RWP-Antrag bei der Bezirksregierung vorstellig wird.

KOMMENTARE

1

Schade, um die schöne Landschaft. 23 Hektar unwiederbringbar verloren. Dann kommt mir aber nachher nicht mit Klimaschutz-Symbolik.

Marco, 28.03.2025, 10:23 Uhr
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