Oberberg – Keine Verabschiedung des Zahlenwerks bei Sitzung des Kreistags - Antrag der Grünen hat Erfolg – Ausgleichsrücklage soll eingesetzt werden – Steigt die Kreisumlage doch nicht?
Von Lars Weber
Eigentlich ist heute vor der Sitzung des Kreistags alles wie immer gewesen, wenn ein Doppelhaushalt beschlossen werden soll. Die Verwaltung legt einen dicken Planentwurf vor, der häufig eine Erhöhung der Kreisumlage vorsieht. Das bringt die Kommunen auf die Palme, erst recht in Zeiten einer Pandemie, die die Finanzen noch stärker unter Druck setzt. Argumente werden anschließend ausgetauscht, Haushaltsreden gehalten, an den Hebesätzen tut sich aber wenig bis gar nichts. Eine Sache, die dieses Mal anders ist: Die Koalition aus CDU/FDP/FWO/DU in Zusammenarbeit mit der UWG hat nach der Kommunalwahl nur eine hauchzarte Mehrheit von einer Stimme.
Und den ersten Härtetest hat diese Mehrheit bei der Sitzung des Kreistags heute im Lindlarer Kulturzentrum nicht bestanden. Da ein Antrag zum Haushaltsplanentwurf der Grünen, die Ausgleichsrücklage für den Haushaltsausgleich zu verwenden, in anonymer Abstimmung bei 32 Ja-Stimmen, 31 Gegenstimmen und einer Enthaltung durchging, muss Kreisdirektor und Kämmerer Klaus Grootens den Taschenrechner noch einmal zücken. Die Haushaltssatzung ist nicht beschlossen worden.
Aber von Anfang: Bereits in den Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden war die Kreisumlage im Zusammenhang mit der finanziellen Belastung der Kommunen während Corona neben Themen wie Klimaschutz, der Kreishauserweiterung oder dem ÖPNV einer der Hauptpunkte. CDU-Fraktionschef Michael Stefer wies darauf hin, dass die Kommunen dank Steuereinnahmen in der Lage seien, ihre Einnahmesituation selbst zu gestalten. „Der Kreis kann das nicht.“
Der Kreis habe aber trotzdem in den vergangenen Jahren wiederholt Rückerstattungen an die Kommunen vorgenommen. Die Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage, um die Kreisumlage nicht erhöhen zu müssen – eine Forderung der Bürgermeister – bezeichnete Stefer als „fatal“. Die Höhe der Rücklage über 6,6 Millionen Euro sei gemessen am Haushaltsvolumen von 460 Millionen Euro nicht viel, und sie werde unter anderem für Zuschüsse für die Ordnungspatenschaften (600.000 Euro pro Jahr) gebraucht.
Auch Reinhold Müller, Fraktionsvorsitzender der FDP/FWO/DU, sagte, dass die Forderung berechtigt sei, wenn nicht der Oberbergische Kreis finanzielle Spielräume für die Kommunen nutzen würde, wenn sie sich ergeben. „Zum Beispiel 2018, als rund 18 Millionen Euro aufgrund einer Erstattung aus einer Rücklagenauflösung des LVR unmittelbar an die Kommunen gegangen sind.“ Auch die Entlastung des Kreises bei den Kosten der Unterkunft seien im Haushalt zugunsten der Kommunen umlagereduzierend eingesetzt worden. UWG-Fraktionschef Jürgen Poschner, der ankündigte, dass seine Fraktion für den Haushalt stimmen würde, warb für eine gerecht ausgewiesene Kreisumlage, die Kommunen Spielraum überlasse.
Die anderen Fraktionen und Die Linke sahen das anders. SPD-Fraktionschef Ralf Wurth wetterte, dass „die oberbergischen Städte und Gemeinden nicht finanziell ausbluten“ dürften. Deshalb unterstütze die SPD die Forderungen der Bürgermeister, neben dem Einsatz der Ausgleichsrücklage unter anderem die Begrenzung des Stellenausbaus in der Verwaltung oder auch eine globale Minderausgabe von einem Prozent bei den Verwaltungsausgaben. Andrea Saynisch, Fraktionsvorsitzende der Grünen, erinnerte daran, dass eine Senkung der Kreisumlage in schwierigen Zeiten mit den Kommunen vereinbart gewesen sei. Die Ausgleichsrücklage sei für Krisensituationen zur Deckung von Mindereinnahmen oder unvorhergesehenen Ausgabensteigerungen vorgesehen. „Wir erwarten kein Grämen, wenn sie in Krisenzeiten auch so verwendet wird.“
Auch AfD-Fraktionschef Bernd Rummler wollte nicht verstehen, warum die Kreisumlage ausgerechnet jetzt auch noch steigen soll, wo die Gewerbeeinnahmen der Kommunen sinken und die Anteile an der Einkommenssteuer Löcher in die Haushalte reißen werden. Den Griff in die Rücklagen forderte Jan Köstering (Die Linke). Die Kommunen werden sonst im Regen stehengelassen.
Bei der anschließenden Diskussion und Abstimmung von immerhin 27 Anträgen aus den Fraktionen zeigte sich die Mehrheit von CDU, FDP/FWO/DU und UWG beständig. Bis zu Antrag Nummer 17. Der Antrag der Grünen: Im Haushalt ist die Ausgleichsrücklage von rund 12 Millionen Euro (so der Stand zum 31. Dezember 2019) in 2021/22 für den Haushaltsausgleich einzusetzen. Ralf Wurth, dessen SPD-Fraktion einen ähnlichen Antrag gestellt hatte, sagte: „Wir können hier Mut beweisen!“ Dazu wurde eine anonyme Abstimmung beantragt. Der Antrag bekam die notwendige Mehrheit.
Kreiskämmerer Grootens wies vor der eigentlichen Abstimmung nochmals darauf hin, dass die Ausgleichsrücklage seit Ende 2019 um die Hälfte geschrumpft sei und sie sich in Relation zum hohen Haushaltsvolumen auf einem unteren Niveau befinde. „Sie sollten die Risiken gut bedenken“, wandte er sich an die Kreistagsabgeordneten. Sein Appell verpuffte allerdings, wie die Abstimmung dann zeigte. Das Ergebnis führte zu lautem Jubel auf der einen, und versteinerten Mienen auf der anderen Seite. Landrat Jochen Hagt kündigte eine Rechtsprüfung an und wollte eigentlich die Haushaltsdebatte abbrechen. Letztlich forderten Grüne und SPD aber erfolgreich ein, diese fortzusetzen und nur auf die Abstimmung der Haushaltssatzung zu verzichten.
Was dieser Abend in Lindlar nun für die Kreisumlage bedeutet und wann über den Haushalt abgestimmt wird, ist noch unklar. Grootens kündigte nur an, dass sich durch den Beschluss die Haushaltssatzung komplett verändere. Alles müsse neu berechnet werden. Was aber schon während des Abends deutlich wurde: Die Gräben zwischen Mehrheit und Opposition sind heute tiefer geworden. Der Ton wurde auch bei Themen abseits des Haushalts schärfer und die Stimmen lauter. Alles wie immer also? Mitnichten.
KOMMENTARE
1
Sehr gut, das ist nur zu begrüßen. Es war an der Zeit, dass auch der Kreis sich einmal um das Thema Sparen kümmern muss.
Endlich werden alte Ketten/Seilschaften aufgebrochen.
2
Bedenkenswert...
Erst wenn die Öffentlichkeit nicht mehr gegeben ist und die allmächtigen Fraktionsvorsitzenden im Schatten des Landrates keinen (Fraktions-)Zwang mehr ausüben können, besinnen sich ein paar wenige Mitglieder der zusammengewürfelten Mehrheitsfraktionen auf die berechtigten Interessen ihrer Wähler in den Gemeinden.
Die kreisangehörigen Kommunen müssen schon seit Jahren am Personal sparen, nur der Kreis hat bisher aus dem Vollen geschöpft, und den Kommunen auf der Tasche gelegen.
Das Abstimmungsergebnis ist hoffentlich der Anlass zum Umdenken.
Auch der Oberbergische Kreis könnte sparsammer handeln und planen.
3
An unnötige Ausgaben wird man sich hoffentlich erinnern, wenn das „Bergische Forum für Wissen und Kultur“ auf der Tagesordnung steht. Die (Teil-)Finanzierung sollte nicht Aufgabe des Kreises sein.
, 27.03.2021, 18:49 Uhr4
13 Bürgermeister im OBK haben genau die Forderung gestellt, die nun im Kreistag beschlossen wurde. Wo ist das Problem??
f lothar winkelhoch, 07.04.2021, 08:27 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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