POLITIK
Das fehlende Puzzlestück zur Stadtentwicklung
Wiehl – Direkt am Wiehlpark soll auf dem ehemaligen ProMarkt-Areal das Seequartier entstehen – Es soll in mehrerlei Hinsicht beispielhaft werden, unter anderem für das Bauen in einem Hochwassergebiet.
Von Lars Weber
Nach rund zweieinhalb Jahren wird Anfang Juli der umgebaute Wiehlpark wieder für die Bürger geöffnet. Damit wird ein weiterer Teil der Wiehler Stadtentwicklung abgeschlossen sein. Bereits sichtbar ist dabei der neue Zugang zum ehemaligen ProMarkt-Areal. Die Verbindung soll in einigen Jahren eine gewichtige Rolle spielen, sobald das angestrebte neue Seequartier an die Stelle der Baubrache tritt. Wenn es nach der Stadtverwaltung geht, soll dieser Standort viel mehr werden als nur ein Ort zum Wohnen und für Dienstleistung. Gleich in mehrerlei Hinsicht soll das Projekt beispielhaft werden und über die Region hinauswirken. Doch die planerischen Hürden sind riesig, weshalb die Stadt nicht allein im stillen Kämmerlein am Seequartier werkelt – und vor einer möglichen Umsetzung noch viel Geduld gefragt sein wird.
Bei der Regionale 2025 hat das Seequartier momentan den C-Status. Noch viel entscheidender für die Zukunft des Projekts war aber die erfolgreiche Bewerbung Wiehls für das „Agglomerationsprogramm“ (Agglomeration steht für Verdichtungsraum) der Region Köln/Bonn. Im Rahmen eines sogenannten Reallabors soll am Beispiel des Seequartiers erprobt werden, wie sich dringend benötigter Wohnraum mit Ansprüchen an den Klima- und Landschaftsschutz vereinbaren lassen. Neben Wiehl wurden Projekte in Bonn, Bergisch Gladbach und Kerpen ausgewählt. Nach zwei Workshops liegen der Stadt nun Handlungsempfehlungen vor.
Im Zentrum steht dabei die dreifache Innenstadtentwicklung. Dabei geht es darum zu klären, wie sehr man an der betreffenden Stelle im Ort nachverdichten kann, da außerorts kaum noch Flächen zur Verfügung stehen. Wie hoch können die Gebäude werden, wie breit? Daneben stehen Klimafragen. Wie sollte ein passendes Begrünungskonzept aussehen, wie wird die Energiewende praktisch umgesetzt? Als drittes muss ein Mobilitätskonzept aufgestellt werden. Muss es der klassische Parkplatz sein, oder geht es auch mit zentralen Parkgaragen, auch außerhalb des Quartiers, um dies autofrei zu halten?
Bürgermeister Ulrich Stücker machte bei einem Gespräch mit OA deutlich, dass es beim Seequartier nicht darum gehen soll, „eine Reihenhaussiedlung zu schaffen“. Es soll innovativ gedacht werden. Ihm schweben bis zu 100 bezahlbare Wohneinheiten in einer „Stadt der kurzen Wege“ vor. Verbunden sei damit auch die Hoffnung, dass durch einen Umzug einiger Wiehler aus den Außenbezirken dort wiederum Häuser für junge Familien freiwerden. Gut für die Stadt: Auf dem ehemaligen ProMarkt-Areal hat sie freie Hand, der Großteil der Fläche gehört ihr. Ob die Randflächen im Privatbesitz am Ende zum Projekt hinzukommen, steht noch nicht fest.
[Fotos: Lars Weber --- Aktuell wird die Fläche vor allem als zusätzlicher Parkraum und Lager für die angrenzende Baustelle genutzt.]
Doch bevor der Begriff der dreifachen Innenstadtentwicklung mit planerischem Leben gefüllt werden kann, muss Wiehl mit den Partnern beantworten, wie in dem ausgewiesenen Überschwemmungsgebiet „Hochwasser-klug“ gebaut werden soll. Erst recht nach der Hochwasserkatastrophe 2021 ein hochsensibles Thema. Denn zunächst einmal ist laut Wasserhaushaltsgesetz die Ausweisung neuer Baugebiete in festgesetzten Hochwasserrisikogebieten grundsätzlich untersagt. Ob die Voraussetzungen für eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung vorliegen, ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Stücker weiß um die Schwierigkeit dieses Unterfangens: „Das ist eine Herkulesaufgabe“.
Neun Voraussetzungen gibt es, alle müssen erfüllt sein. Dazu gehört unter anderem, dass keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können, dass eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit oder erhebliche Sachschäden nicht zu erwarten sind oder auch, dass der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstandes nicht nachteilig beeinflusst werden. Vereinfacht gesagt: Auch einem Hochwasserfall müssen Gebäude und das gesamte Quartier nachweislich standhalten. Stücker ist froh, dass Wiehl in jüngerer Vergangenheit im Wiehlpark, im Alten Kurpark und auch in Oberwiehl mit dem Aggerverband bereits mehr Retentionsräume geschaffen hat. „Das wird nicht unwesentlich sein.“
Um die hohen baulichen, städteplanerischen und architektonischen Hürden zu überspringen, sitze nicht nur die Untere Wasserbehörde des Kreises stets mit am Tisch, wenn es um das Thema geht, sondern auch das Kölner Planungsbüro, das auch eine Zweigstelle in Amsterdam hat, wo man auf viel Erfahrung blicke könne, was das kluge Bauen in Hochwassergebieten angeht. Es kommen verschiedene Modelle infrage: Vom Erhöhen des Gebiets über das Aufständern ähnlich wie beim Gebäude der Volksbank Oberberg bis hin zu Varianten, bei denen das Wasser wahlweise aufwendig draußen gehalten werden soll oder sogar der Erdgeschossbereich durchlässig gestaltet wird, was natürlich an die Bauweise und die Nutzung dieser Bereiche besondere Ansprüche stellte.
[Vom neuen Wohnquartier würde es geradewegs in den Wiehlpark gehen.]
Auch wenn die Untere Wasserbehörde einer Bebauung zustimmt, wird die Aufgabe der Entwicklung des Seequartiers nicht leichter. Denn dafür werden Investoren nötig sein, die sich über eine Konzeptvergabe bewerben sollen – die Rahmenbedingungen für die Umsetzung sollen dadurch klar und deutlich umrissen sein, die Investoren müssen sich bei einer Umsetzung danach richten.
Für Stücker geht es beim Seequartier vor allem darum, wohnungspolitische Ziele auf zukunftssichere und moderne Weise zu erreichen und benötigten innerstädtischen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Das ist entscheidend!“
In Kürze stehen Gespräche mit der Bezirksregierung über eine Flächennutzungsplanänderung hin zum Mischgebiet an. Eine Bauleitplanung könnte im kommenden Jahr starten, zugleich könnte man an der Konzeptvergabe stricken, um auf Investoren zugehen zu können. Bis also Bagger anrücken, wird noch viel Wasser die Wiehl hinunterfließen.
KOMMENTARE
1
Ohja, Freude über Freude. Bitte unbedingt maximal nachverdichten. Schade, dass die Hochwassergefahr nicht noch zusätzlich Tiefbau erlaubt.
Erst mehrjährig Belastung durch Baulärm in der Umsetzung des IHK und zunehmender Versiegelung von Grünflächen im Park. Dann die Verkehrsbelastung im Bereich des Busbahnhofes zur Rush Hour massiv hoch treiben: teilweise 4 Busse in einer Reihe hintereinander, wobei der letzte Bus schon halb auf der Straße steht und Rückstau produziert zur Freude des übrigen Individualverkehrs.
Dann die letzte Möglichkeit zur umfangreichen Nachverdichtung (nach Ides Wäldchen) für das Seequartier nutzen, was wieder jahrelang Stau, Baulärm und Dreck garantiert. Das Verkehrsniveau kann so nochmals gesteigert werden und durch Tempo 30 bzw. 20 hat jeder etwas davon.
2
Es wird vieles sein, außer bezahlbar. Wobei der Begriff "bezahlbar" natürlich sehr weit ausgelegt werden kann. Von einer "Durchmischung", wie noch Anfang 2020 von der SPD gefordert, kann aktuell überhaupt keine Rede mehr sein. Aber wer hätte auch damit gerechnet, handelt es sich doch bei dem Grundstück um das "Tafelsilber" der Stadt Wiehl. Aber so war es ja auch beim Steinmüllergelände in Gummersbach. Da wurde auch viel versprochen, dort sollte auch sozialer und bezahlbarer Wohnraum entstehen. Das Ergebnis sieht man heute, schicke und teure Appartements (Ackermann Gelände) mit einem Kindergarten in der Mitte. Der Rest: Kino, Hotel, Einkaufen, Essen, Büros, Veranstaltungen. Nicht ohne Grund wird die Zahl an preisgebundenen Wohnung hier in dieser Region von Jahr zu Jahr weniger.
Andre, 18.03.2023, 10:09 Uhr3
Oh man,was macht man nur aus „unserem“ schönen Wiehl?Mittlerweile häufen sich die unzufriedenen Stimmen der Bürger…
Ein Wiehler, 19.03.2023, 21:48 Uhr4
Warum grüne Dächer ?
warum nicht Solaranlagen ?
Damit würden andere Freiflächen auch "frei" bleiben und nicht in "Solarparks" mit kilometerlangen Umzäunungen , für niemanden mehr zugänglich, enstehen .
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