POLITIK
DBG-Zukunft: Die 75-Millionen-Euro-Frage
Wiehl – Der aktuelle Planungsstand wurde im Rat präsentiert – Im Februar sollen die Stadtverordneten entscheiden – CDU hält das Projekt für unrealistisch.
Von Lars Weber
Eltern, Lehrer und aktuelle und zukünftige Schüler haben am Dienstag die Sitzung des Wiehler Rats in der vollen Wiehltalhalle gespannt verfolgt. Im Fokus stand die Zukunft des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums. Die Zuschauer wollten wissen, wie es mit dem wichtigsten Bauprojekt in der Geschichte der Stadt weitergehen soll – beziehungsweise: ob es denn endlich weitergeht. Seit mehr als einem Jahrzehnt doktern Stadtverwaltung und Rat nun an einer Lösung für die Bildungseinrichtung. Das Zögern und die Umplanungen in Verbindung mit den krisenbedingten Entwicklungen bei den Baupreisen in den vergangenen drei Jahren bedeuten, dass die Stadt sehr, sehr tief in die Tasche greifen muss. Bürgermeister Ulrich Stücker wünscht sich ein starkes Zeichen mit eindeutiger Mehrheit, wenn Anfang Februar abgestimmt werden soll. Die Sitzung zeigte aber, dass es mit er Erfüllung des Wunsches schwierig werden könnte.
Das ist der aktuelle Planungsstand
Schon vor der Sitzung in der Wiehltalhalle informierte die Stadtspitze die Presse im Rathaus über den aktuellen Stand. Die Vorträge waren jedoch die gleichen. Alexandra Noss, stellvertretende Leiterin des Dezernats II, bemühte sich angesichts des Publikums in der Wiehltalhalle, verständlich darzulegen, was auf dem Schulgelände passieren soll. Gearbeitet wurde mit dem optimierten Gewinnerentwurf von 2018, bei dem rund die Hälfte des Bestands saniert wird, der Rest wird neu gebaut. Pädagogisch soll weiterhin eine moderne Clusterschule das Ziel sein, davon soll nicht abgerückt werden.
Da vor allem die Interimslösung und die Kosten dafür stets viel diskutiert waren, entschied der Rat Mitte 2022, dass überprüft werden soll, ob nicht ein Teil eines teuren Interimsbaus auf dem Gelände des Stadions in den Neubau integriert werden könne. Das Ergebnis: Diese sogenannte Translozierbarkeit sei aufwendig, aber möglich. Dabei würden Teilstücke des Interims mit zwei riesigen Kränen nach und nach aus dem Stadion hoch zum Bestimmungsort auf dem Schulgelände gebracht und installiert. Aufgrund des zeitlichen Aufwands – vor allem die Sommerferien geben hier den Rahmen vor – sei es möglich, auf diese Art 2.300 von 6.500 Quadratmetern Interimsfläche in den finalen Bau zu integrieren.
Die errechneten Gesamtkosten für das Projekt – inklusive Einrichtung und Außenanlagen: rund 95 Millionen Euro. Mit diesem Entwurf und der Raumplanung ging die Stadt in die weiteren Planungen mit dem Ziel, diese Summe zu reduzieren, ohne das pädagogische Konzept aus den Augen zu verlieren. Auf diese Weise wurde unter anderem allein rund 1.200 Quadratmeter Nutzfläche gestrichen. Das überarbeitete Ergebnis für die komplette Schule, inklusive eines Puffers und Risikozuschlägen sowie einer Förderung (rund sieben Millionen Euro): 75 Millionen Euro. Zum Vergleich: das teuerste Projekt Wiehls war bislang die Wiehler Wasser Welt mit rund elf Millionen Euro. Noss rechnete weiter vor: Entscheidet sich die Politik dafür und das Projekt wird in der Form vorangetrieben, könnte der fertige Bau bestenfalls Ende 2028 übergeben werden.
So soll der Bau finanziert werden
Kämmerer Peter Madel hat anhand der Baukosten eine Rechnung angelegt, wie sich das Projekt auf Abschreibungen und Zinsen auswirken würde. Abzüglich zurückgelegten und aufzubauenden Investitionspauschalen geht er von einem Nettovolumen von 54,7 Millionen Euro aus. Bei anfänglichen Zinsen über drei Prozent würde das Projekt bei einer Abschreibungsdauer von 65 Jahren den Haushalt anfänglich mit rund drei Millionen Euro belasten. Madel wies auf viele Variablen hin, von den Finanzierungskonditionen zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme über die Unsicherheiten bei künftigen Förderprogrammen bis hin zu den eigenen Haushaltsergebnissen.
[Visualisierung: ARGE pvma (pfeiffer.volland.michel architekten gmbh) und hks architekten.]
Er machte deutlich, dass die Stadt sowohl auf der Ausgabenseite als auch auf der Einnahmenseite aktiv werden müsse, um die Finanzierung zu stemmen. Das heißt, auf der einen Seite müssten – auf einen Schlag oder über die Jahre - die Steuern beträchtlich angehoben werden. Und auf der anderen Seite soll eine Haushaltskommission Einsparpotenziale aufspüren und Vorschläge erarbeiten, wo bei den freiwilligen Leistungen der Kommune der Rotstift angesetzt werden muss.
Die Gefahr, dass die Stadt in der Zukunft in ein Haushaltssicherungskonzept rutschen könnte, sieht der Kämmerer gegeben. Gut für die Stadt: Die allgemeine Rücklage ist mit rund 93 Millionen Euro noch gut gefüllt. Im Rechenmodell der Stadt wäre bestenfalls ab 2036 wieder mit einem positiven Haushaltsergebnis zu rechnen. Wie schnell Prognosen aber über den Haufen geworfen werden können, hat die Stadt in den vergangenen drei Jahren erfahren.
Das sagt die Verwaltung
Er sei innerlich zerrissen, sagte Bürgermeister Ulrich Stücker. Da sei zum einen die finanzielle Belastung durch das Projekt für den Haushalt. „Es muss realisierbar sein!“ Und auf der anderen Seite die Begeisterung für die Pläne und das moderne, pädagogische Konzept. „Es soll etwas Hervorragendes entstehen!“ In den vergangenen Wochen und Monaten habe er auch viele Gespräche geführt mit Amtskollegen in anderen Kommunen in NRW, die ähnlichen Kostensteigerungen ausgesetzt seien. „Das ist ja keine Seltenheit.“ Klar sei: Das Projekt auszusetzen ist keine Option. „Es muss jetzt was passieren.“ Aufgrund der Größenordnung des Baus und der hohen Belastung für die Bürger ist es sein Wunsch, dass ein Weg gefunden wird, den möglichst viele Parteien gemeinsam mitgehen. Nicht vergessen werden dürfe auch, dass Wiehl noch weitere Schulen habe, bei den künftig investiert werden muss.
Das sagen die Fraktionen
Für eine breite Zustimmung wären die Stimmen der CDU essenziell. Mit diesen ist momentan nicht zu rechnen. Die jetzigen Pläne seien „völlig unrealistisch“ und 75 Millionen Euro für Wiehl nicht finanzierbar, wurde CDU-Fraktionsvorsitzende Larissa Gebser deutlich. Das Gymnasium im Stadion neu zu bauen sei für die CDU immer noch die naheliegendste und beste Idee. „Wir haben immer noch die freie Fläche direkt vor der Nase. Wir wissen inzwischen, dass sie nicht Hochwasser gefährdet ist“, so Gebser in der Sitzung mit Bezug auf eine Aussage der Stadtspitze im nichtöffentlichen Teil einer Ausschusssitzung. Letztere Aussage wird von der Verwaltung auf Nachfrage von OA so nicht unterschrieben. „Lediglich bei einem normalen Hochwasser wäre das Stadion nicht überflutet.“
[Fotos: Lars Weber --- Eltern, Lehrer und Schüler waren gekommen und machten auch mit Transparenten wie "Heute Schüler, morgen Wähler", "DBG = Das Bruchbuden-Gymnasium" oder "Meine Oma saß schon auf meinem Stuhl" auf den Zustand des Gebäudes aufmerksam.]
Der Vorschlag der CDU: „Wir brauchen eine sichere und trockene, warme Schule. Teilen wir Sanierungsnotwendigkeiten und -pläne in bezahlbare Abschnitte ein und bringen wir diese Schule hier ab kommenden Jahr endlich in Schuss und machen sie so zukunftsfit“, so Gebser – was zumindest einer Teil-Abkehr von der geplanten Clusterschule gleichkäme.
An dieser modernen Form möchte die SPD festhalten. „Wir brauchen in Wiehl ein sehr gutes Gymnasium“, sagte Bernd Teuber. Die jährliche Belastung sei das wichtigste Steuerelement, da müssen Verwaltung und Fraktionen in der Haushaltskommission über alle Bereiche hinweg Sparmaßnahmen erarbeiten. „Für eine zukunftsfähige Bildung in Wiehl.“
Jürgen Körber, Chef der Grünen-Fraktion, forderte Mut beim Ausbau. In der Vergangenheit habe man wichtige Investitionen aufgeschoben, nun müsse man Geld in die Hand nehmen. Dominik Seitz, Fraktionsvorsitzender der FDP, sagte, dass eine Abwendung vom vor zehn Jahren beschlossenen Konzept der Clusterschule hin zur Flurschule aus finanziellen Gründen eine Schande und der Sargnagel für ein zukunftsorientiertes Gymnasium sei. Er kritisierte, dass das von seiner Fraktion vorgeschlagene PPP-Verfahren als Finanzierungsalternative „nie ernsthaft in Erwägung“ gezogen worden sei.
Rat und Stadt hätten sich in eine „besorgniserregende, aussichtslose finanzielle Situation“ gebracht mit dem jahrelangen Zögern, sagte AfD-Fraktionsvorsitzender Daniel Schwach. Man befinde sich in einem Balanceakt zwischen „finanziellen Abgründen und pädagogischen Höhen“. Für eine moderne Schule sprach sich Hans-Peter Stinner (UGW) aus. „Es hat Zeit gekostet, aber wir kriegen jetzt das, was wir wollen.“
So soll es weitergehen
Die Fraktionen haben für die kommenden Wochen mit der Verwaltung Beratungen vereinbart, Dazu wird die Stadt weitere Zahlen mitbringen. Momentan erarbeite die Verwaltung Rechenmodelle für zwei Sanierungsvarianten bei dem mehr oder der volle Bestand erhalten werden könnte. Weiterer Platz würde durch Aufstockung geschaffen. Die Clusterschule soll zumindest in Teilen weiter umgesetzt werden. Stücker betonte den reinen Modellcharakter dieser Rechnungen. Bis zum 6. Februar soll das Reden dann ein Ende haben. Dann findet eine Sondersitzung statt, in der die Entscheidung getroffen werden soll.
Eng verbunden mit dem Haushalt
Natürlich hat die Finanzierungsfrage für das Gymnasium auch die Verabschiedung des aktuellen Haushalts mitbestimmt. Große Veränderungen gab es im Vergleich zur Einbringung nicht (OA berichtete). Es bleibt bei einem Plan-Defizit von 4,2 Millionen Euro, das durch den Griff in die Ausgleichsrücklage ausgeglichen werden soll. Auch bei den Steuererhöhungen gibt es keine Überraschungen (Grundsteuer A: 260 v.H. (unverändert), Grundsteuer B: 508 v.H. (bisher 493), Gewerbesteuer: 475 v.H. (bisher 460)). Gerade diese Erhöhungen sahen die Fraktionen kritisch. Gemessen an den Haushaltsreden ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Haushaltskommission ein besonderes Augenmerk auf die FSW mit Schwimmbad und Eishalle legen wird, um dort nach Einsparpotenzialen zu forschen. Bei aller Kritik gaben fast alle Fraktionen (CDU, SPD, Grüne, FDP, BfgW, Linke, UWG) ihre Zustimmung zum Haushalt. Nur die AfD stimmte dagegen.
KOMMENTARE
1
Der Vorschlag das Gebäude weiter in Abschnitten zu renovieren ist hohl. Das ist jahrelang passiert. Wenn man sich die Schule anguckt dann bestehen auch große bauliche Probleme in den Übergängen verschiedener Bau und Renovierungsabschnitte. Das ist ein verstecktes "weiter so". Bei dem Zustand der Schule geht das einfach nicht mehr. Die nächste Ratssitzung kann ja im schimmeligen Klassenzimmer stattfinden. Vielleicht fällte dann die Entscheidung leichter.
Eine ehemalige Schülerin , 20.12.2023, 21:28 Uhr2
75 Millionen Euro? Da hat wohl die Maßlosigkeit der Regierung übergegriffen.
Dagobert D., 21.12.2023, 10:14 Uhr3
Ohne die Blockade der CDU mit ihren wahnwitzigen Ideen ( Neubau im Stadion mit Soortanlage auf den Dachflächen im Hochwasserschutzgebiet), an denen sie heute immer noch festhält, wären die Baumaßnahmen Neubau/Sanierung/Modernisierung längst für rd. 50 Mio. € längst erledigt. Weiter so.
Südkreisler , 22.12.2023, 09:42 Uhr4
Für die Verzögerungen und damit verbundenen, gestiegenen Baukosten darf sich die Stadt bei der CDU bedanken.
5
Die CDU hat vor über 10 Jahren kurz vor Finalisierung Stopp gerufen und wollte zwingend den Neubau geprüft haben. Damals kostete die Variante keine 40 Millionen Euro. Dann war es der Bürgermeister und die Union, die das Thema immer unnötiger Weise in die Länge zogen. Dann kam die Kommunalwahl und die CDU kam auf die Idee mit dem Neubau im Stadion. Und der Bürgermeister sprang auf diesen Zug auf. Dann kam das Hochwasser und man einigte sich auf einen Weg. Der war - oh wunder - der selbe wie 10 Jahre vorher. Und als sich alle einig waren, kam WIEDER die CDU mit dem Vorschlag alles zu streichen - im wahrsten Sinne des Wortes. Der Bürgermeister fand das so gut, dass er sich sogar über einen Ratsbeschluss hinweg setzte. Wer will nun kein Gymnasium mehr? Die Entscheidungen bisher sind deutlich.
Wiehler, 22.12.2023, 17:37 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
ARTIKEL TEILEN