POLITIK

Der schwierige Kampf um ein wichtiges Angebot

lw; 25.11.2022, 13:00 Uhr
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Symbolfoto: Jeff Kingma auf Pixabay
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Der schwierige Kampf um ein wichtiges Angebot

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lw; 25.11.2022, 13:00 Uhr
Oberberg – Der Verein Lebensfarben setzt sich für Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen ein – Förderungen laufen aus – Existenz ist bedroht – Springt der Kreis ein? – Es geht um 400.000 Euro jährlich.

Von Lars Weber

 

Die Wichtigkeit des Angebots des Vereins Lebensfarben stand bei der jüngsten Sitzung des Gesundheitsausschusses nicht zur Debatte. Der Verein unterstützt Kinder und Jugendliche, deren Eltern sich in existenziellen Belastungssituationen wie psychische Erkrankungen und Suchterkrankungen befinden (Hier stellte OA das Angebot ausführlich vor). Seit 2017 existiert er und in Kooperation mit den Jugendämtern des Kreises und des Kreisgesundheitsamts sollte das Angebot mit LVR-Förderung eigentlich auf ganz Oberberg ausgeweitet werden. Doch diese und andere Förderungen laufen nun unwiederbringlich aus. Springt der Kreis nicht in irgendeiner Form ein, steht der Verein und das Angebot vor dem Aus. Dabei ist der Bedarf hoch: 56 Patenschaften laufen. Allein 59 Kinder befinden sich gerade auf der Warteliste. Die Diskussion im Ausschuss zeigte, dass es eine ziemliche Hängepartie für Lebensfarben werden wird, doch es geht auch um viel Geld, immerhin bis zu 400.000 Euro jährlich.

 

Kreisdezernent Ralf Schmallenbach machte aus seinem Ärger keinen Hehl. „Ich bin enttäuscht vom Bund.“ Dieser habe gemeinsam das Thema initiiert, dass sich intensiver um diese Familien gekümmert werden solle. Doch nach der Anschubfinanzierung kam nichts mehr. Dabei greifen sowohl die neue Bundesregierung als auch die neue Landesregierung das Thema in den jeweiligen Koalitionsverträgen auf. Bis heute sei aber nichts beschlossen worden, was dem Kreis und dem Verein bei der Regelfinanzierung für das Angebot weiterhelfe.

 

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„Die Zuständigkeit ist unklar, das wurde vom Gesetzgeber nicht angepackt“, sagte Schmallenbach. Bund, Land, LVR, Landeszentrum Gesundheit: Bei allen sei der Kreis vorstellig geworden, um Möglichkeiten für den Verein abzuklopfen. Damit war er im Juni vom Kreistag beauftragt worden (OA berichtete). Erfolgreich waren die Bemühungen letztlich nicht. Mal gab es Absagen, mal Verweise auf Förderprogramme, die aber nicht passten, mal die Aussage, dass man sich selbst noch mit dem Thema beschäftige. Von den umtriebigen Bemühungen zeugte auch eine sehr umfassende Beschlussvorlage, die zugleich bewies: Die Kreisverwaltung weiß um die Arbeit, die der Verein leistet.

 

Der Kreis hat daraufhin zwei mögliche Lösungen entwickelt. Die eine: Der Kreis springt ein, zumindest für die kommenden zwei Jahre. Um das Angebot kreisweit sicherzustellen, fielen laut Kalkulation des Vereins rund 400.000 Euro pro Jahr an. Die Krux: Bei einer solchen Summe und dem Zeitraum müsste zwangsläufig eine europaweite Ausschreibung erfolgen – dass Lebensfarben dabei am Ende den Zuschlag erhält, ist nicht sicher. Selbst bei kürzerer Laufzeit eines Vertrags müsste mindestens national ausgeschrieben werden. Unrealistisch sei zudem, dass ein Vergabeverfahren noch bis Ende des Jahres abgeschlossen ist.

 

Die andere Lösung: Die hauptamtlichen Personalstrukturen schlüpfen unter das Dach des Kreisgesundheitsamts. Zwei der Stellen ließen sich dabei sogar vermutlich fördern. Träger wäre dann der Kreis, der Verein bliebe aber erhalten. Schon allein, um die ehrenamtliche Struktur des Angebots zu stärken. Diese Lösung lehnt aber der Vereinsvorstand ab. Er glaubt, dass viele Betroffene das Angebot nicht mehr annehmen würden, wenn es sich um ein Programm des Kreises handelte.

 

Und nun? Schmallenbach berichtete, dass er noch in Gesprächen mit einem Landespolitiker sei, um vielleicht doch noch einen Fördertopf für ein Jahr anzuzapfen – in der Hoffnung, dass Bund und Land in dieser Zeit nochmal in ihre Koalitionsverträge geschaut haben. Dr. Ralph Krolewski (Grüne) sagte, dass für die Kinder und Familien viel auf dem Spiel stehe. Aus der Praxis wisse er, dass teils lebenslange psychische Beeinträchtigungen eine Folge sein könnten, wenn die stärkenden Maßnahmen wegfielen. Krolewskis Hoffnung, sich bei dem Projekt noch stärker auf die Ehrenamtler zu stützen und gegebenenfalls bei den hauptamtlichen Kräften zu sparen, erteilte Sandra Karsten, Geschäftsführerin von Lebensfarben, aber eine Absage. Diese seien für die fachliche Betreuung der Familien und Ehrenamtler essenziell.

 

Rudi Nurk (SPD) verurteilte, dass man die Beteiligten erst für das Projekt ermutigt habe und sie nun im Regen stehengelassen werden sollen. „Wir müssen hier Mut beweisen.“ Fachlich sei man auf dem richtigen Weg. Regine Gembler (SPD) und Michael Naudorf (CDU) wiesen auf die Kosten hin, die entstehen, wenn die Kinder und auch die Familien nicht betreut würden, zum Beispiel bei einer Inobhutnahme der Kinder. Ina Albowitz (FDP) machte deutlich, dass ihre Fraktion einer Ausschreibung der Leistung nicht zustimmen wird. „Es ist eine ehrenwerte Initiative“, räumte sie ein. Letztlich sei der Kreis in dieser Sache aber schlicht nicht zuständig, sondern das Land. „Solch eine Summe können wir nicht einfach rausschütteln.“ Auch mit Blick auf die Kreisumlage.

 

Zu einer Entscheidung konnten sich die Ausschussmitglieder noch nicht durchringen. Letztlich stimmten sie für einen Antrag, der die fachliche Arbeit des Vereins hinsichtlich der Kinder und Familien anerkennt und die fehlende Finanzierung von Bund und Land bedauert, verbunden damit, dass man beide zu einer Lösung auffordern möchte. Die Frage, wie es nun mit einer finanziellen Unterstützung von Lebensfarben weitergehen könnte, soll im Kreisausschuss wieder behandelt werden. Der Kreistag muss dann abschließend eine Entscheidung treffen.

 

Informationen über den Verein gibt es auch hier.

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