Wiehl – Nach der Abwahl des Zweiten Beigeordneten Maik Adomeit muss sich die Verwaltung neu sortieren – Fraktionen zeigen sich überrascht von der Entwicklung – Vorwürfe untereinander - Vertrauen erschüttert.
Von Lars Weber
Es ist ein historischer Abend gewesen in der Wiehltalhalle. Nichts deutete darauf hin, dass die Wiederwahl des Zweiten Beigeordneten Maik Adomeits für weitere acht Jahre etwas anderes werden würde als eine Formsache. Dann ging die geheime Abstimmung aber 13 zu 12 gegen ihn aus – und dem Großteil der Verwaltung und der Stadtverordneten war der Schock ins Gesicht geschrieben. Allen voran Bürgermeister Ulrich Stücker. Dieser wird nach dem Ausscheiden Adomeits vorerst die alleinige Verwaltungsspitze bilden müssen, denn die Ausschreibung für einen Nachfolger von Michael Schell, bis vor einem Jahr Erster Beigeordneter, wurde gestern erst beschlossen, eine Besetzung wird frühestens im Sommer möglich sein.
Was ist passiert?
Tatsächlich stand auch die Ausschreibung dieser Stelle zunächst auf der Kippe. Die UWG hatte beantragt, die Stelle abzuschaffen. Gerade die steigenden Personalkosten in schwierigen finanziellen Zeiten führte Fraktionsvorsitzender Hans-Peter Stinner als Argument ins Feld. Schon dort wies Bürgermeister Stücker darauf hin, dass eine Abschaffung eine Neuorganisation der Verwaltung zur Folge hätte, da die Aufgabenstruktur Bürgermeister und zwei Beigeordnete vorsehe. Zudem sei unklar, wieviel Geld sich dadurch sparen ließe, da die Amtsleitungen so mehr Kompetenzen übertragen bekämen. Die geheime Abstimmung über den Antrag ging 15 zu 10 aus, die Ausschreibung wurde anschließend beschlossen. Die Stadtverordneten waren aufgrund der Pandemie den Stimmverhältnissen entsprechend in kleinerer Zahl erschienen.
Die Wiederwahl Adomeits sollte als nächstes folgen. Der Antrag von Grünen-Fraktionschef Jürgen Körber, die Personalie zunächst nochmal nicht-öffentlich zu diskutieren, wurde zwar bei 14 Nein-Stimmen abgelehnt – doch der Antrag deutete schon darauf hin, dass die dann ebenso auf Antrag der Grünen geheime Abstimmung vielleicht doch kein Selbstläufer werden würde. Nachdem das Ergebnis feststand, verging viel Zeit, bis es mit der Sitzung weiterging. Bürgermeister Stücker musste sich erst fangen, bevor er seinem Zweiten Beigeordneten die Nachricht überbrachte und ihm freistellte, ob er sich wieder in den Ratssaal begeben möchte. Adomeit zog es vor, dies nicht zu tun.
Was sagt die Verwaltungsspitze?
Eine Nacht nach der Entscheidung des Rats gibt es im Rathaus noch viele Fragezeichen. „Ich muss das erstmal sacken lassen, das wird ein paar Tage dauern. Die Tage brauche ich nicht nur als Bürgermeister, sondern auch als Mensch“, sagt Stadtoberhaupt Ulrich Stücker auf Nachfrage. An den Spekulationen über die Gründe für den Ausgang der Abstimmung möchte er sich nicht beteiligen. Er wolle nun klären, ob es rechtliche Übergangsfristen in solchen Situationen gibt, denn ansonsten würde Adomeit spätestens Ende des Monats aus dem Dienst scheiden. Zudem gelte es, zügig einen Plan B zu entwickeln. „Den hatten wir nicht.“
„Enttäuscht und entsetzt“ ist der Abgewählte selbst. Maik Adomeit hatte ein „gutes und langes“ Gespräch mit Stücker am Morgen. Wie es aber weitergeht für ihn ist aber unklar. Adomeit, selbst vor seinem Engagement bei der Stadt bei der Wiehler SPD politisch aktiv, wusste um das Risiko seines Amts. „Ich hatte allerdings gehofft, dass es bei der Wahl um meine Leistung geht, und nicht um politische Spielchen.“
Was sagt die Politik?
Schwierige persönliche Beziehungen zum Beigeordneten, Kritik an seiner Arbeit, Absprachen unter den Fraktionen – unter der Hand wird einiges zu der Abwahl Adomeits gesagt, die letztlich doch für jede Fraktion überraschend kam. Öffentlich möchte Grünen-Fraktionschef Jürgen Körber seinen Antrag auf die nicht-öffentliche Diskussion der Personalie erklären. Dieser gehe zurück auf ein Sondierungsgespräch mit der CDU im Oktober nach der Kommunalwahl. Dabei habe die CDU die Abwahl des Beigeordneten ins Gespräch gebracht, die Grünen hätten dies aus sachlichen Gründen unterstützt. Im Dezember, als die Ratssitzung aufgrund der Pandemie verschoben wurde, habe es ein weiteres Gespräch gegeben. „Die CDU hatte sich umentschieden, warum, wissen wir nicht“, so Körber. Die Fraktion habe gestern die nicht-öffentliche Aussprache gewollt, um die Diskussion zu entschärfen. Doch dazu kam es nicht.
Larissa Gebser, Fraktionschefin der CDU, möchte das nicht so stehen lassen. „Wir hatten nicht über die Person Adomeit gesprochen im Oktober, sondern um die Verschlankung der Verwaltungsstruktur generell.“ Nach einem Gespräch mit dem Bürgermeister habe die Projektdichte in Wiehl sie aber davon überzeugt, an der Struktur mit zwei Beigeordneten festzuhalten. Dispute oder andere Meinungen sollten nicht in der Öffentlichkeit besprochen werden. Menschlich sei es „verwerflich und eine Unverschämtheit“ gegenüber Adomeit, was gestern passiert ist. Gebser ist überzeugt, dass aus ihrer Partei alle acht Räte für die Wiederwahl gestimmt haben. "Die Einigkeit zwischen schwarz, rot und dem Bürgermeister ist durchbrochen."
Dass alle fünf Sozialdemokraten in der Halle für Adomeit gestimmt haben, das glaubt Carlo Riegert, Fraktionsvorsitzender der SPD. „Es war ein schwarzer Tag für die Stadt.“ Die Stadtverordneten hätten die Verwaltung nicht nur ohne Beigeordneten stehenlassen. „Es ist auch menschlich zutiefst schäbig, aus der Anonymität so ein Theater zu inszenieren.“ Das Vertrauen in den Rat sei erschüttert.
Mit der FDP sei im Vorfeld nicht gesprochen worden über die Personalie, sagt Fraktionschef Dominik Seitz. Von daher gebe es für ihn auch keinen Vertrauensbruch. Das müssten andere Fraktionen unter sich ausmachen. Wichtig sei nun, dass sich die Verwaltungsspitze neu organisiert. UWG-Fraktionsvorsitzender Stinner glaubt, dass das Stimmverhalten ungebunden und „querbeet“ erfolgte. Er hofft, dass die Fraktionen weiter sachlich und vernünftig miteinander umgehen können.
Daniel Schwach (AfD), seit der Kommunalwahl neu im Rat, bedauert die Entwicklung. „Die Stadt und auch der Rat stehen vor schwierigen Herausforderungen“, gerade mit Blick auf viele anstehende Projekte. Eine schwere Zeit sieht auch Manfred Kriegeskorte (Linke) auf die Verwaltung zukommen. Für Adomeit tue es ihm leid, auch wenn dieser die Chance versäumt habe, mit allen Fraktionen zusammenzuarbeiten.
Kommentar: Wenn der einstige Musterschüler eine Sechs schreibt
KOMMENTARE
1
Wow! selten wurde über Kommunalpolitik so emotional und spannend berichtet. House of Cards Wiehl
Lisa, 03.02.2021, 16:42 Uhr2
Die Wiehltalhalle ist so riesen groß, das der gesamte, vollzählige Stadtrat, unter Berücksichtigung des Hygeniekonzept, dort Platz gefunden hat. Eine Verkleinerung der Sitzungsteilnehmer war und ist absolut überflüssig, auch für die Zukunft.
Ich gehe fest davon aus, das die Abstimmung anders verlaufen wäre.
Trotzdem zwei Beigegordnete braucht unser Städtchen nicht. Beschränkung auf die Kernaufaufgaben durch die Gemeindeordnung, dann klappt es auch.
3
Die Stimmung geht anscheinend in Corona Zeiten nicht nur in der Bevölkerung auf Grundeis, sondern auch bei den Politikern.
Methusalem, 03.02.2021, 18:12 Uhr4
Als ehemaliger Wiehler (jetzt Gummersbach) verfolge ich seit meinem Umzug die Entwicklung von Wiehl. Die aktuellen Ereignisse stimmen mich nachdenklich. Was ist da los? Die Wiehler Bürger, auch ich als Ehemaliger, erwarte(n) eine umfassende Aufklärung über das, was zu den aktuellen Geschehnissen geführt hat.
Pe, 03.02.2021, 19:39 Uhr5
Zutreffender Kommentar. Wiehl im Sinkflug. Die Einigkeit im Rat zum Nutzen der Stadt ist dahin.
Wiehler, 03.02.2021, 21:11 Uhr6
Beigeordnete sind kommunale Wahlbeamte und werden durch den Rat gewählt oder eben nicht gewählt. Also ein vollkommen normaler demokratischer Vorgang. Bei einer Wahl spielen wahrscheinlich politische Gesichtspunkte auch ein Rolle. Von daher werden diese Gesichtspunkte auch bei einer Wiederwahl eine Rolle spielen und leider nicht nur die fachlichen Voraussetzungen. Interessant wird es sein wie diese Zeitung über die von Hr.Stücker in Aussicht gestellte zukünftige Verwendung berichtet wird. Eine Neuebesetzung einer Stelle muss öffentlich ausgeschrieben werden und bewerben können sich alle die die Voraussetzungen erfüllen. Wer es dann in einen fairen Verfahren wird bleibt abzuwarten.
Insideobk, 04.02.2021, 09:07 Uhr7
Wie haben wird das in der Schule gelernt: "Beamte sind die Stütze des Staates und haben politisch neutral zusein!"
Fakt ist aber das bei der Besetzung von Beigeordnetenstellen schon immer das Parteibuch eine große Rolle spielte. Also der der Eine CDU und der Andere SPD. Bei der derzeitigen politischen Zusammensetzung im Stadtrat bin ich mal gespannt wie das ausgeht.
Wir werden sehen und staunen!
8
Eine Entscheidung, die für die (nicht eingeweihten?) Wiehler völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar ist. Wenn jetzt auch noch die Kommunalpolitik so undurchschaubar und unberechenbar ist, wie soll der "normale Bürger" denn noch Vertrauen in seine gewählten Vertreter haben. Und das schlimmste ist: es steht noch nicht einmal jeder dazu, sondern jede Fraktion schiebt es auf die andere. Wenn es keiner gewesen ist, wer hat Maik Adomeit denn abgewählt?
Oliver Pack, 04.02.2021, 13:55 Uhr9
Herr Michael Schell hatte wohl seiner Zeit schon "die Flöhe husten hören" und hat sich von Wiehl verabschiedet. Ahnte er etwas? Hatte er Sorge, das Ihm bei der Wiederwahl auch so etwas passieren könnte?
Also, alles richtig gemacht Herr Schell.
10
Der Stadtrat sollte und muss sich schämen; dies nicht nur auf menschlicher Ebene, sondern auch für das was jedes Mitglied des Stadtrates unter EId geschworen hat:
...im Sinne und Wohle der Stadt Wiehl...
Wo ist diese Abstimmung im Sinne und Wohle der Stadt Wiehl? Mit diesem Nein ist die Verwaltung quasi handlungsunfähig, da die Neinsager keinen Plan B haben. Die Arbeit von dreien (Bürgermeister und 2 Abgeordneten) ist schon in letzter Zeit von zweien ausgeführt worden und nun nur noch von einem? Wie soll das gehen und man bedenke die Zeit bis mind. eine der Stellen wieder besetzt ist. Hier vergehen locker mal 10 , 12 Monate.
Vielen Dank an die 13 Neinsager.
11
@Oliver Pack: Das haben geheime Abstimmungen/Wahlen nun mal so an sich das es dann auch offiziell keiner gewesen sein braucht! Wird man wohl mit leben müssen! Für den einen vorteilig, für den anderen nachteilig ...
Rolf Jansen, 05.02.2021, 09:42 Uhr12
@Rolf Jansen: sehe ich genauso, geheime Wahlen machen sogar manchmal Sinn um Einzelne zu schützen. Es ging mir nur darum, dass auf Nachfrage der Presse alle Fraktionen total überrascht tun und keiner will es gewesen sein... aber irgendwer muss ihn ja abgewählt haben!? Das finde ich einfach menschlich nicht in Ordnung, so etwas nicht vorher anzukündigen und nachher geben sich alle ahnungslos.
Oliver Pack, 06.02.2021, 18:14 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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