POLITIK
"Es gibt nichts Asozialeres als eine hohe Inflation"
Bergneustadt – Podiumsdiskussion beim CDU-Kreisparteitag – Thema: „Wie sicher ist unser Wohlstand in der Zeitenwende?“
Von Lars Weber
Große Wahlen stehen im kommenden Jahr nicht an. Die wichtigsten Posten im Vorstand sind momentan alle vergeben. Die oberbergische CDU hat diesen Umstand angesichts der aktuellen Krisen genutzt, um bei ihrem Kreisparteitag im mit 111 Delegierten und vielen Gästen prall gefüllten Bergneustädter Krawinkelsaal einen anderen Schwerpunkt zu setzen. „Wie sicher ist unser Wohlstand in der Zeitenwende?“ überschrieb die Partei eine Podiumsdiskussion am Freitag, zu der sie Vertreter aus unterschiedlichsten Bereichen geladen hatte. Gemeinsam mit dem Bundestagsabgeordneten, Kreisvorsitzenden und – in diesem Falle – Moderator Dr. Carsten Brodesser analysierten Frank Grebe, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Gummersbach, Haydar Tokmak, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Gummersbach, Peter Rothausen, Chef des oberbergischen Caritasverbands, und Michael Sallmann, Geschäftsführer der IHK Gummersbach, die aktuelle Situation, in der sich Bürger und Unternehmen befinden.
Schon bei seiner Eröffnungsrede – nachdem er die vielen Gäste begrüßt und besonders die Leistungen von Bodo Löttgen und Peter Biesenbach in der letzten Landesregierung gewürdigt hatte - leitete der Kreisvorsitzende Dr. Brodesser zum Diskussionsthema hin. „Die Ursache der Energiepreiskrise muss bekämpft werden.“ Und das bedeute, dass das Energieangebot erhöht werden müsse, damit Preise fallen. Für viele Menschen sei die Lage Existenzbedrohend, sei es für Alleinerziehende, für das Rentnerpaar oder junge Familien, die gerade gebaut haben. Es gebe nichts „Asozialeres als hohe Inflation“, da besonders kleinere Unternehmen, Sparer und Geringverdiener die Leidtragenden seien.
Viele Einblicke in die sozialen Folgen der Krise hat Peter Rothausen, der von dem Zulauf bei der Caritas-Schuldnerberatung berichtete. Ein Beispiel: Ein Mann bekommt Krankengeld über 1.000 Euro. Seine Energiekosten allein betragen aber nun 800 Euro. „Er und viele andere wissen nicht, wo sie noch sparen sollen.“ Und die Politik der Ampelregierung werde da wenig gegen ausrichten, meint er. „Wenn der Strompreis bei 40 Cent gedeckelt wird, ist das immer noch doppelt so hoch wie das, was die Menschen gewohnt waren.“ Aufgrund der Inflation befänden sich viele Menschen in einem „dauerhaften Lockdown“ – denn Geld fürs Kino, für den Zoo oder andere Dinge ist nicht mehr da. Angesicht des Tarifabschlusses bei der IG Metall mit einer Lohnerhöhung um 8,5 Prozent hat Rothausen Sorge, dass dies nur weitere Preissteigerungen zur Folge haben wird, eine soziale Abwärtsspirale. „Wir haben noch keine Vorstellung davon, was da noch auf uns zu kommt!“
Verständlicherweise zufriedener mit dem Abschluss der IG-Metall-Kollegen in Baden-Württemberg (OA berichtete) zeigte sich Haydar Tokmak. Er berichtete von vielen Gesprächen mit den Arbeitnehmern während der Warnstreiks, in denen klar geworden sei: „Das Geld reicht für viele nicht mehr.“ Dabei seien jene Arbeitnehmer in einem Tarifvertrag noch besser dran als jene ohne ein solches Papier. Angesichts des Fachkräftemangels kämen sogar verstärkt Unternehmen auf sie zu, um sich über die Bildung eines Betriebsrats zu informieren. Der gute Abschluss der Tarifverhandlungen könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hilfe des Staates nötig bleibe, um den Kaufkraftverlust auszugleichen und die Binnenwirtschaft zu stärken, so Tokmak.
Wie Land und Bund helfen sollen, davon hatten Grebe und Sallmann eine Vorstellung. „Regionale Banken brauchen Beinfreiheit, um individuelle Lösungen zu finden“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Gummersbach. Dies gelte für alle Kunden, für Bürger wie Unternehmen. „Die Menschen müssen in ihren Häusern bleiben können“, so Grebe. Aber die Energiekosten sorgten dafür, dass beispielsweise älteren Menschen mit einem abbezahlten Haus die Nebenkosten über die Köpfe steigen. Es fehle eine ganzheitliche Lösung. Wenn nun schnell viele Windräder gebaut würden, wäre das schön und gut, aber: „Dann fehlen ja die Trassen.“ Was ebenso fehlt, sei Sicherheit, die gerade die Firmen für unternehmerische Entscheidungen aber benötigten.
Dies bestätigte und bekräftigte Sallmann. „Firmen müssen wissen, was sie in zehn Jahren für Energie bezahlen, das tun sie momentan aber nicht.“ Auch deshalb betätigen viele Unternehmer gerade die Pause-Taste. Und da in anderen Ländern viel weniger für Energie gezahlt werden muss, macht sich Sallmann Sorgen um den Wirtschaftsstandort Deutschland – und natürlich Oberberg. Da habe der frühe Kohleausstieg nicht geholfen. Um nun die Energiewende zu schaffen, griff Sallmann die bereits genannte „Beinfreiheit“ auf. Unternehmen bräuchten weniger Bürokratie und mehr Flexibilität, um ihre Innovationskraft auch nutzen zu dürfen, zum Beispiel, um ihre eigene Energie zu produzieren. „Auf der Angebotsseite für Energie muss etwas getan werden“, stimmte er Dr. Brodessers Ausgangsstatement zu.
Das war zugleich ein Fazit der Diskussion. „Die Preise werden sinken, wenn das Angebot steigt“, sagte der Bundestagsangeordnete deutlich. Weiter müssten die Hilfen von Bund, Land und Kommunen gezielt verwendet werden – „und nicht mehr mit der Gießkanne“, so Brodessers Kritik Richtung Ampel-Koalition. Um die aktuelle finanzielle Situation zu entschärfen, konnte Sallmann sogar einer zeitlich klar begrenzten Vermögenssteuer etwas abgewinnen und Grebe einem höheren Spitzensteuersatz. „Ich glaube, viele Spitzenverdiener wären dafür bereit“, stimmte auch Dr. Brodesser zu.
Passend zur Diskussion verabschiedete der Kreisparteitag einstimmig bei einer Enthaltung einen Antrag der Senioren-Union. Darin fordert die CDU Oberberg die Bundesregierung auf, dass ähnlich wie für Gaskunden auch bei anderen Energieträgern den Abschlag für den Dezember als Soforthilfe vom Bund übernehmen zu lassen. Weiter sollten die Strompreise deutlich unter 40 Cent gedeckelt werden und die Bremse rückwirkend für November und Dezember gelten.
KOMMENTARE
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Herr Dr. Brodesser und seine Partei haben 16 Jahre Stillstand zelebriert. Aus der Opposition heraus kritisieren sie nun! Was? Ihr eigenes Versagen: Verhinderung von Maßnahmen zum Klimaschutz, Augen-zu-Außenpolitik und eine erbärmliche Sozialpolitik. Aktuell: Stichwort Bürgergeld! Die Bereitschaft (!) der Spitzenverdiener zu einem begrenzt (!) höheren Spitzensteuersatz....dieser Ausspruch führt zu Klarheit: Normalverdiener, also die meisten Menschen, sollten einmal gefragt werden, ob sie bereit sind, so hohe Steuern zu zahlen, wie sie zahlen. Zur bemühten Gießkanne: Es gibt immens große Felder, wo sie immer und immer wieder gießen müsste, so dass die schwächsten Pflänzchen nicht immer schwach bleiben, sondern stark werden und bleiben dürfen! Nehmen Sie die Gießkanne in die Hand, CDU!
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Da passt es ja sehr gut ,dass die Grundsteuer B in Bergneustadt wieder steigen soll.
Heiko Lange, 22.11.2022, 07:43 Uhr3
Aus all den Beiträgen der Redner*innen geht keine Einsicht hervor, dass sich etwas ändern MUSS. Was nützt uns eine florierende Wirtschaft, wenn wir nicht mehr atmen können, entweder wegen der Hitze oder weil alles unter Wasser steht. Was soll der Blick in die Vergangenheit? Fossile Energie bleibt bei der Partei hoch im Kurs und erneuerbare wird wegen "..fehlender Trassen.." gar nicht erst in Betracht gezogen. Konzepte aus dem vorigen Jahrhundert sind untauglich für die Zukunft. Modern ist das alles nicht.
F Lothar Winkelhoch, 22.11.2022, 08:48 Uhr4
Bilder sagen mehr als tausend Worte. Die CDU ist die Partei der alten deutschen Männer. Und so macht diese Partei auch Politik. Stillstand ist Programm.
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