POLITIK

Förderschulen: Klares Bekenntnis zur Solidargemeinschaft

pn; 18.06.2024, 15:30 Uhr
Symbolfoto: svklimkin auf Pixabay
POLITIK

Förderschulen: Klares Bekenntnis zur Solidargemeinschaft

  • 0
pn; 18.06.2024, 15:30 Uhr
Oberberg - Marienheider Vorstoß zur Abkehr vom Solidarprinzip hin zum Verursacherprinzip abgelehnt - Auch Kommunen, die profitiert hätten, lehnen eine entsprechende Satzungänderung ab.

Von Peter Notbohm

 

Die Zerreißprobe ist abgewendet. Die Mitgliederversammlung des Zweckverbandes der Förderschulen (Förderschwerpunkt Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung) hat sich mit klarer Mehrheit gegen die Abkehr vom Solidarprinzip entschieden. Die Gemeinde Marienheide hatte einen Antrag auf Satzungsänderung gestellt, um die Abrechnungsmodalitäten in Richtung des Verursacherprinzips zu verändern.

 

Dem Zweckverband gehören die Kommunen Bergneustadt, Engelskirchen, Gummersbach, Marienheide, Morsbach, Nümbrecht, Reichshof, Wiehl und Waldbröl an. Die Schulen des Zweckverbandes sind die Jakob-Moreno-Schule in Gummersbach und die Roseggerschule in Waldbröl. Für eine Satzungsänderung hätte es einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedurft. Von den 17 stimmberechtigten Mitgliedern stimmten nur die beiden Vertreter aus Marienheide für die Satzungsänderung. Schon im Vorfeld hatten mehrere Kommunen angekündigt, gegen den Antrag zu stimmen (OA berichtete und OA berichtete).

 

WERBUNG

Die Regelung des Zweckverbandes sieht vor, dass für die nicht durch sonstige Erträge gedeckten Aufwendungen eine Verbandsumlage erhoben wird, die zur Hälfte nach der Zahl der Schüler und zur anderen Hälfte nach den Umlagegrundlagen der Kreisumlage auf die Verbandsmitglieder verteilt wird. Der Allgemeine Vertreter des Marienheider Bürgermeisters Thomas Garn nannte die seit den 1980er Jahren bestehende Grundlage der Umlagefinanzierung „nicht mehr zeitgemäß“.

 

Während die Schülerzahlen des gesamten Zweckverbandes seit 2009 um etwa 8,1 Prozent gesunken sind, reduzierte sich der Anteil der Schüler aus Marienheide um 73 Prozent, da die Gemeinde an ihren Regelschulen, insbesondere an ihrer Gesamtschule, seit Jahren Inklusion vorantreibt und ein intensives gemeinsames Lernen betreibt. „Mit sieben Schülern aus Marienheide liegt unser Anteil bei 1,6 Prozent. Unser Umlageanteil beträgt aber 4,6 Prozent und ist damit verhältnismäßig dreimal so hoch“, so Garn.

 

Der Verstoß solle auch nicht das Prinzip der Förderschulen in Frage stellen. Marienheide habe auf der Gesamtschule über 60 Prozent an Einpendlern. Die 8.000 Euro, die man dafür vom Land erhalte, seien „ein Tropfen auf den heißen Stein“, ergänzte Garn: „Wir zahlen für die inklusive Beschulung auswärtiger Kinder große Beträge.“ Die Bedeutung der Förderschulen sei unbestritten, Inklusion könne es aber nicht zum Nulltarif geben. Christa Mertens, die Leiterin der Jakob-Moreno-Schule, erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass 43 der 180 Schüler an ihrer Schule aus gesetzlichen Gründen nicht inklusiv beschult werden können.

 

Die aus Marienheide vorgeschlagene Neuregelung sah gemäß dem Verursacherprinzip als Umlagegrundlage nur die Zahl der beschulten Schüler vor. Als „Schwankungspuffer“ der sich jährlich ändernden Schülerzahlen sollte hierbei die Durchschnittszahl der Schüler der letzten drei Jahre (Stichtag 1. Oktober vor dem jeweiligen Haushaltsjahr) herangezogen werden. Diese sollte zugunsten einer zeitnäheren Periodenaktualität jährlich neu ermittelt werden. Fünf Kommunen hätten von dieser Neuregelung profitiert, auf Morsbach, Nümbrecht, Reichshof und Waldbröl wären höhere Kosten zugekommen. „Uns geht es nicht darum, dass einzelne Kommunen mehr zahlen müssen, sondern sachlich darum, ob die Umlagegrundlagen noch zeitgemäß sind“, erklärte Garn.

 

Bereits vor der Diskussion warb Verbandsvorsteher Raoul Halding-Hoppenheit aus Sicht der Geschäftsführung des Zweckverbandes für die Beibehaltung der Satzung. Es handle sich um einen „bewährten Verteilungsschlüssel“, der sich von selbst ändere, da er im Nachlauf auf Veränderungen bei den Schülerzahlen reagiere. „Das halten wir weiter für angemessen und unter dem Gesichtspunkt der Solidarität auch für erhaltenswert.“

 

Marko Roth (Morsbach) und Claudia Adolfs (Bergneustadt) sahen nicht einmal echtes Diskussionspotential, da sie weisungsgebunden in die Versammlung gegangen waren. „Es ist gut, sich auszutauschen, aber unsere Entscheidung steht durch unsere politischen Gremien bereits fest“, sagte Roth. Thomas Hellbusch (Nümbrecht) warnte davor, das Solidarprinzip zu verlassen. Damit öffne man den Weg, dieses auch bei anderen Themen (OVAG und Sozialumlage) zu verlassen. „Das würde ein Hauen und Stechen, bei dem auf langer Strecke alle verlieren. Wir können uns nicht von jedem solidarischen Prinzip verabschieden und sagen, der Gewinner bestimmt die Regeln.“

 

René Semmler (Reichshof) sprach von einer „Punktaufnahme“: „Die Schülerzahlen können in ein paar Jahren schon wieder ganz anders aussehen.“ Davor warnte auch Monika Güdelhöfer (Engelskirchen) und ergänzte, dass auch Inklusion ihre Grenzen habe: „Sie hat ihre Berechtigung, die hat das Förderschulsystem aber auch.“

 

Waldbröls Kämmerin Anja Brauer sagte, dass ihre Stadt als zweitgrößter Schulträger im Kreis bereits viele auswärtige Schüler beschule und dafür jährlich 1,5 Millionen Euro in die Hand nehme. „Da noch einmal 190.000 Euro draufzulegen, wäre äußerst schwierig.“ Rainer Sülzer (Gummersbach) stellte den Solidarpakt in das Zentrum seiner Argumentation: „Einige müssen vielleicht manchmal mehr zahlen, tragen damit aber zum Gelingen des Ganzen bei.“

 

 

Ausbau der Roseggerschule könnte bis 2029 erfolgen

 

Die Roseggerschule in Waldbröl könnte bis 2029 ausgebaut und saniert werden. Das machte Gummersbachs Fachbereichsleiterin Carina Hilger im Rahmen der Versammlung des Zweckverbandes öffentlich. Aufgrund steigender Schülerzahlen muss die Schule dringend erweitert werden (OA berichtete). Der Zeitplan sieht eine Machbarkeitsstudie für diesen Herbst vor. Die internationale Ausschreibung könnte dann im dritten Quartal 2025 erfolgen, die Auftragsvergabe im Frühjahr 2026. Die Maßnahme könnte im Jahr 2028 abgeschlossen werden „Das ist aktuell realistisch“, schätzte Hilger.

 

Bereits vor zwei Jahren war auf dem Gelände der Schule ein zusätzlicher Pavillon aufgestellt worden. Ursprünglich gab es Pläne, auf diesen eine zweite Etage aufzubauen, dem habe die Bauordnung aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Stattdessen gibt es nun Pläne, einen Anbau in Massivbauweise zu errichten. Hierdurch würde der Schulhof verkleinert werden. Ob eine zusätzliche Pavillon-Lösung oder der Massivanbau kommen wird, soll die Machbarkeitsstudie klären.

 

Zusätzlich muss das Bestandsgebäude in allen Gewerken saniert werden. U.a. waren mehrere Dinge bei der letzten Brandschutzbegehung moniert worden. Auch das Trinkwasser sei ein großes Thema, so Hilger. Schon vor drei Jahren wurden zusätzliche Räume bei der freievangelischen Gemeinde angemietet. „Die Zusammenarbeit läuft hervorragend. Wir sind in einem ständigen Austausch mit dem Gemeindereferenten.“

 

Zudem gibt es seitens der Schulleitung den dringenden Wunsch nach Fachräumen für den naturwissenschaftlichen Bereich. „Werkkoffer und Experimentkoffer reichen nicht mehr. Wir brauchen den Standard einer Haupt- oder Realschule“, sagte Förderschulrektor Hinrich Schipper. Er freute sich darüber, dass nun „Bewegung in die Sache“ komme. Es gebe zwar Schulen in Großstädten, die deutlich schlechter aufgestellt seien, trotzdem müsse die Roseggerschule dem sich ändernden Unterricht und Klientel Rechnung tragen. Vor allem die emotionale und soziale Entwicklung der Schüler stehe immer mehr im Vordergrund. In diesem Schuljahr werden erstmals Schüler der Roseggerschule die Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe erreichen, so Schipper.

 

Gleichzeitig gab Hilger bekannt, dass der Zweckverband plant, zum 1. Januar 2025 zwei neue Sozialpädagogen für beide Förderschulen einzustellen.

KOMMENTARE

0 von 800 Zeichen
Jeder Nutzer dieser Kommentar-Funktion darf seine Meinung frei äußern, solange er niemanden beleidigt oder beschimpft. Sachlichkeit ist das Gebot. Wenn Sie auf Meinungen treffen, die Ihren Ansichten nicht entsprechen, sehen Sie von persönlichen Angriffen ab. Die Einstellung folgender Inhalte ist nicht zulässig: Inhalte, die vorsätzlich unsachlich oder unwahr sind, Urheberrechte oder sonstige Rechte Dritter verletzen oder verletzen könnten, pornographische, sittenwidrige oder sonstige anstößige Elemente sowie Beschimpfungen, Beleidigungen, die illegale und ethisch-moralisch problematische Inhalte enthalten, Jugendliche gefährden, beeinträchtigen oder nachhaltig schädigen könnten, strafbarer oder verleumderischer Art sind, verfassungsfeindlich oder extremistisch sind oder von verbotenen Gruppierungen stammen.
Links zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
WERBUNG