POLITIK

Gülle-Katastrophe: Politik wirft dem Märkischen Kreis Versagen vor

lw; 17.09.2024, 13:50 Uhr
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Foto: Wupperverband --- Die Gülle ist über einen Bachlauf in die Neyetalsperre gelangt.
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Gülle-Katastrophe: Politik wirft dem Märkischen Kreis Versagen vor

lw; 17.09.2024, 13:50 Uhr
Oberberg – Nach der Verunreinigung des Neyegebiets schauen die Mitglieder des Umweltausschusses auf die Nachbarbehörde – Ergebnisse der Beprobungen voraussichtlich Ende der Woche.

Von Lars Weber

 

Von einem landwirtschaftlichen Betrieb in Halver-Kotten (Märkischer Kreis) flossen vor rund anderthalb Wochen mehrere 100.000 Liter Gülle in einen Nebenarm der Neye und haben die Neyetalsperre kontaminiert. Die Umweltkatastrophe beschäftigt seitdem sowohl die Polizei als auch die Umweltbehörden des Oberbergischen und des Märkischen Kreises, sie ermittelten gemeinsam mit dem Wupperverband das Ausmaß des Schadens (OA berichtete). Nun hat sich bei der Sitzung des Kreisumweltausschusses auch die oberbergische Kreispolitik mit dem Thema befasst. Deutlich wurde dabei Kritik an den Nachbarn im Märkischen Kreis geübt. Der Tenor: eine mangelnde Überprüfung des Betriebs, der bereits 2014 und 2015 in die damaligen Umweltskandale verwickelt gewesen sein soll, auch wenn weder Polizei noch Staatsanwaltschaft dem Landwirt eine Verursachung des Gülleaustritts nachweisen konnten (siehe Kasten). Die Politik möchte einen Vertreter aus Lüdenscheid nun zum Kreisausschuss einladen. Auf OA-Nachfrage reagiert der Märkische Kreis schon jetzt.

 

Frank Herhaus, beim Oberbergischen Kreis Dezernent für Planung, Regionalentwicklung und Umwelt, gab zum Einstieg ins Thema einen aktuellen Stand der Lage, die sich im Vergleich zum Ende der vergangenen Woche wenig verändert hat (OA berichtete). Nachdem das Umweltamt des Märkischen Kreises die Reinigung von betroffenen Flächen und des Neyebach-Ufers durch ein Spezialunternehmen veranlasst hatte, seien knapp 220 Kubikmeter stark mit Gülle verunreinigtes Wasser in die Kläranlage Hückeswagen gefahren worden. Dazu kommen noch circa 100 bis 200 weitere Kubikmeter mit geringerer Belastung hinzu, die teilweise noch auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht werden können.

 

„Der Bachbereich bis zur Talsperre ist biologisch tot“, sagte Herhaus. Die Auswirkungen auf die Talsperre seien aktuell noch nicht abzusehen. Die Ergebnisse der Analysen von diversen Probenentnahmen zur Talsperre sollen voraussichtlich Ende der Woche vorliegen.

 

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„Traurig“ macht die Situation Reinhold Müller (FDP). „Ich bin enttäuscht, dass der Märkische Kreis nicht in der Lage ist, solche Betriebe ordentlich zu überprüfen.“ Dies sei nach den Ereignissen vor zehn Jahren eingefordert worden. Von dem betroffenen Gebiet „sind nur 100 Meter“ beim Nachbarkreis, „der Rest ist bei uns“. Ähnlich formulierten es auch Lukas Miebach (CDU), Egbert Sabelek, Sebastian Schäfer (beide Grüne) oder auch Tobias Schneider (SPD). Letzterer sprach von „Behördenversagen“. Schäfer bezeichnete den Betrieb als bekanntes schwarzes Schaf, das nichts gelernt habe. Der Märkische Kreis müsse nun zumindest verhindern, dass solch eine Katastrophe auch ein viertes Mal geschehen könne, so Schäfer.

 

Woher kam die Gülle?

Die Untere Wasserbehörde des Märkischen Kreises stellte laut Mitteilung ein nicht mehr funktionsfähiges Regenrückhaltebecken auf dem betreffenden Betrieb fest. In einem der in Betrieb befindlichen Güllebehälter befand sich ein nicht verschlossenes und "von den Behörden nicht genehmigtes" Loch. Dem Landwirt wurden umgehende Maßnahmen auferlegt, das Regenrückhaltebecken wieder funktionsfähig zu machen und zu sichern, um einen erneuten Gülleeintrag in das Gewässer zu verhindern.

Nach dem Wasserhaushaltsgesetz gibt es direkt eine mündliche Ordnungsverfügung, die den Eigentümer verpflichtet, unter anderem die entstandenen Verschmutzungen zu beseitigen. Dieser Ordnungsverfügung kommt der Verursacher – in Bezug auf die Verunreinigungen des Baches – nicht nach. Im Rahmen der Ersatzvornahme werden gemeinsam mit der Wasserbehörde, dem Wupperverband sowie einem Dienstleister Lösungen ermittelt, um den Bach schnellstmöglich zu säubern.

Das Loch im Güllebehälter musste provisorisch verschlossen werden, der Füllstand des Behälters war dafür zuvor abzusenken. Diesen Vorgaben sei der Eigentümer umgehend nachgekommen, heißt es.

 

Andre Steiniger, Leiter des Oberbergischen Umweltamts, warb um etwas Verständnis für seine Kollegen in Lüdenscheid. Die Personalsituation sei dort ähnlich angespannt wie auch in Gummersbach, für Sachverständigenprüfungen müssten zudem deutliche Probleme vorliegen. Er erinnerte daran, dass es nicht nur Behördenpflichten gebe, sondern „vor allem auch Betreiberpflichten“.

 

Im Oberbergischen Kreis würden gemäß eines Überwachungskonzepts Kontrollen in landwirtschaftlichen Betrieben grundsätzlich anlassbezogen durchgeführt, auch was beispielsweise Güllelagerstätten angeht. Zusätzlich alle fünf Jahre gebe es Betriebskontrollen, wenn Biogasanlagen betrieben werden oder der Betrieb in einer Trinkwasserschutzzone liegt. „Durch diese Kontrollen können allerdings Vorfälle wie im Märkischen Kreis nicht verhindert werden, sodass auch im Oberbergischen Kreis eine solche Gefahr nicht ausgeschlossen werden kann“, schreibt der Kreis in einer schriftlichen Beantwortung einer SPD-Anfrage zum Thema.

 

Einstimmig beschloss der Umweltausschuss einen Antrag von Lukas Miebach, zur nächsten Sitzung des Kreisausschusses am 10. Oktober einen Vertreter des Märkischen Kreises einzuladen, der zu der Umweltkatastrophe Stellung nehmen soll.

 

Auf Nachfrage von OA gab der Märkische Kreis Auskunft darüber, wie der mutmaßlich verantwortliche Betrieb in den vergangenen rund zehn Jahren kontrolliert wurde. „In den Monaten nach dem Gülleaustritt 2015 wurde der Hof vom Märkischen Kreis engmaschig kontrolliert, ohne dass es zu Beanstandungen im Zusammenhang mit dem Lagern von Gülle gekommen war“, heißt es aus Lüdenscheid. Im Laufe der Jahre seien die Kontrollabstände im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben gewählt worden. Es habe bei der letzten Kontrolle keine feststellbare Beanstandung gegeben. „Auf dem Hof haben seit 2015 insgesamt mehr als 50 anlasslose Kontrollen stattgefunden. Sie gaben keinen Anlass zu ordnungsbehördlichen Verfahren.“ Die letzte anlasslose Kontrolle der Bauaufsichtsbehörde sei sieben Jahre nach dem Güllevorfall aus 2015 im November 2022 erfolgt.

 

Die Verfahren gegen den Betreiber

 

Ausführlich nahm der Märkische Kreis zudem Stellung zu den Verfahren gegen den Betreiber nach den Vorfällen 2014 und 2015. Strafrechtlich habe der Landwirt damals nicht belangt werden können. Der betreffende Landwirt hätte seinerzeit als Schadensverursacher und damit als Adressat der Betriebsuntersagung feststehen müssen. Allerdings konnten weder Polizei noch Staatsanwaltschaft dem Landwirt eine Verursachung des Gülleaustritts nachweisen. Das Landgericht Hagen sprach ihn im Herbst 2017 aus Mangel an Beweisen frei. Ein Täter beziehungsweise Schadenverursacher konnte somit nicht festgestellt werden.

 

Im nachfolgenden Zivilprozess wurde der Landwirt als Betreiber einer Anlage mit wassergefährdenden Stoffen (Güllebehälter) zu Schadenersatzzahlungen verurteilt, die insbesondere für das Abpumpen der Gülle aus den Gewässern fällig wurden, heißt es weiter. Hierzu war es jedoch nicht erforderlich, dem Landwirt die Verursachung des Gülleaustritts nachzuweisen. Der bloße Betrieb einer solchen Anlage ist für zivilrechtlichen Schadenersatz ausreichend (sogenannte Gefährdungshaftung), erklärt der Kreis.

 

Für den Güllebehälter, aus dem 2015 die Gülle ausgetreten ist, wurde eine Beseitigungsverfügung erlassen, die jedoch vom Landwirt vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg beklagt wird. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

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