POLITIK
Geplanter Ausstieg aus der Kreis- und Stadtbücherei: Gummersbach muss alleine planen
Gummersbach – Fehlende Räumlichkeiten für ein Medienzentrum werden von der Kreisverwaltung für den Rückzug aus der Gummersbacher Bücherei genannt – Im Rathaus spricht man von Kirchturmdenken bei den Nachbarkommunen.
Von Lars Weber und Peter Notbohm
Es rumort zwischen der Stadt Gummersbach und dem Kreis. Grund dafür ist die Zukunft des Büchereistandorts in der Kreisstadt. Nachdem das gemeinsame Projekt Bergisches Forum für Wissen und Kultur vor zwei Jahren aufgrund der Rahmenbedingungen nicht weiterverfolgt wurde, schaute sich Gummersbach nach einem neuen Standort für die in die Jahre gekommene Kreis- und Stadtbücherei um, die seit 1975 auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung finanziell anteilig vom Kreis unterstützt wird.
Die Stadt wurde bekanntlich fündig. Die Bücherei soll mit modernem Konzept im Einkaufszentrum Bergischer Hof ganz neu starten (OA berichtete und OA berichtete). Aber wie es aktuell aussieht, wird dies ohne die Beteiligung des Kreises geschehen müssen. Der Kreiskulturausschuss hat bei seiner Sitzung am Donnerstag auf Schloss Homburg durchblicken lassen, die von der Verwaltung vorgeschlagene Kündigung der Vereinbarung mitzutragen. Zu wenig Mehrwert für die Kreiskommunen sehen die Mitglieder. Ganz anderer Meinung ist die Gummersbacher Politik und Stadtspitze, die fast zeitgleich im Rathaus zusammengekommen war.
Wie Kreisbaudezernent Felix Ammann vortrug, seien die von der Stadt angemieteten Örtlichkeiten nicht dafür geeignet, das Kreisarchiv oder auch die Kreislehrerbücherei passend unterzubringen. Stattdessen möchte der Kreis diese Angebote in ein kreiseigenes Medienzentrum überführen, zu dem es aber noch keine weiteren Informationen gab. Die Vereinbarung mit der Stadt habe eine einjährige Kündigungsfrist, sodass der Kreis noch in diesem Jahr aktiv werden müsse. Dabei geht es laut Kreis um einen Betrag von aktuell jährlich 280.000 Euro, die der Kreis für Personal- und Sachkosten in die Kreisstadt überweise.
Die Ausschussmitglieder standen hinter der Vorgehensweise, jetzt zu kündigen. „Wir Hückeswagener haben nichts von der Kreis- und Stadtbücherei in Gummersbach“, sagte Karin Wroblowski (FDP). Werner Becker-Blonigen (FDP) sprach von einer „rüden Vorgehensweise“ Gummersbachs und dass dem Kreis der Stuhl vor die Tür gestellt worden sei. Ammann wollte in Sachen Kommunikation keinen Schuldigen benennen. „Entscheidend ist, dass das Thema Kreisbücherei inhaltlich seit Jahren nicht mehr gefüllt wird.“
[So stellen sich die Planer den Jugendbereich in der neuen Bücherei im Bergischen Hof vor.]
Überraschend für die Mitglieder und ohne Tischvorlage brachte die CDU den Antrag ein, die 280.000 Euro auch bei einer Kündigung im Haushaltsplan für 2026 zu belassen. Bis dahin solle der Kreis ein Konzept erstellen, wie es weitergehen könnte – auch eine neue Zusammenarbeit mit Gummersbach könnte überprüft werden, solange die Interessen des Kreises und der Kommunen stärker berücksichtigt würden, so Gisa Hauschildt. Christoph Hastenrath (SPD), der die Art und Weise der Antrageinbringung kritisierte, wies darauf hin, dass es auch im Bergischen Hof noch weitere Platzkapazitäten gebe. Man sollte sich mit Gummersbach zusammensetzen. Gerd Radermacher (UWG) sprach sich gegen den Vorschlag der CDU aus. Ein neues Budget für ein etwaiges Medienzentrum könne dann immer noch neu eingestellt werden.
Über den kurzfristig eingebrachten Antrag abgestimmt wurde aber nicht. Stattdessen wurde das Thema mitsamt der Frage, wie mit dem Budget über 280.000 Euro im übernächsten Jahr umgegangen werden soll, einstimmig in den Kreisfinanzausschuss verwiesen.
Im Gummersbacher Ausschuss für Kultur und Ehrenamt zeigte sich Bürgermeister Frank Helmenstein (CDU) enttäuscht von den aktuellen Entwicklungen. „Das ist eins der schönsten und spannendsten Projekte der vergangenen Jahre. Das sollten wir uns nicht kaputtreden lassen.“ Die Kreis- und Stadtbücherei nannte er ein Sinnbild „einer 50-jährigen sehr guten Zusammenarbeit von Stadt und Kreis zum Wohl der Menschen im Oberbergischen“.
Das Stadtoberhaupt warb gegenüber den Ausschussmitgliedern eindringlich dafür, die entstandene Diskussion zu versachlichen. Ihn stört, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden sei, der Kreis müsse sich an Gebäude- bzw. Mietkosten beteiligen, was aber nur von der Stadt Gummersbach getragen werde. „Wir reden im laufenden Jahr über 260.000 Euro für Medien und Personal für den Kreis. Ein Betrag, der tarifbedient stetig ansteigt“, so Helmenstein.
[Das Impfzentrum ist längst Geschichte. Anfang 2025 sollen die Bauarbeiten für die Bibliothek beginnen.]
Das Projekt, mit dem Umzug in den Bergischen Hof, habe man dem Partner im Kreiskulturausschuss im November 2023 vorstellen wollen. Kurzfristig sei man aber ohne Angabe von Gründen ausgeladen worden. Die längst fertige Präsentation verschwand wieder in der Schublade. Bei Landrat Jochen Hagt habe er im Anschluss akuten Handlungsbedarf hinterlegt und nochmals betont, dass man nicht mehr Geld vom Kreis wolle, aber weiterplanen müsse: „Hier wird nichts bezuschusst. Keine kreisangehörige Kommune zahlt auch nur einen Cent für das, was dort neu entsteht.“
Von Plänen für ein Medienzentrum und eine Weiterbildungsakademie des Kreises sei man im Rathaus ebenfalls überrascht worden. Der Technische Beigeordnete Jürgen Hefner sprach von einem „zarten Pflänzchen“, über das kaum etwas bekannt sei. Entsprechende Pläne habe man aber nicht in die Räumlichkeiten integrieren können. „Wenn man es ernst gemeint hätte, hätte es aber räumliche Möglichkeiten gegeben.“ So gebe es laut Hefner genug Leerstand in direkter Nachbarschaft. Auch Helmenstein sei verwundert gewesen, als der Kreis angekündigt habe, den bestehenden Vertrag kündigen zu wollen: „Uns wurde nie gespielt, dass jemand aussteigen würde, wenn wir diese Dinge nicht integrieren können.“
Den Vertretern aus den oberbergischen Nachbarkommunen warf der Bürgermeister Kirchturmdenken vor. Vor allem das Argument, dass niemand nach Gummersbach fahre, sei aus seiner Sicht schlicht falsch. Aus der Kreis- und Stadtbücherei würden die 6.100 Nutzer jährlich etwa 192.000 Medien (Stand: 2023) ausleihen. Etwa 33 Prozent dieser Nutzer wohnen demnach nicht in der Kreisstadt. Sowohl die Zahlen der Nutzer als auch der Ausleihen habe man dank des Bücherei-Teams seit 2016 verdoppeln können.
„Ich habe in meiner gesamten Amtszeit nie ein Projekt in Frage gestellt, wenn es in einer der anderen zwölf Kommunen funktioniert“, so Helmenstein. Gummersbach zahle insgesamt 39 Millionen Euro Kreisumlage und finanziere damit auch Projekte in anderen Kommunen mit. Als Beispiel nannte er den monti On-Demand-Service der OVAG, dessen Finanzierung nun auslaufe und nun durch die Kreisumlage finanziert werden müsse: „Wir zahlen 280.000 Euro für einen Dienst, den kein einziger Bürger in unserem Stadtgebiet nutzen kann. Aber wenn monti in anderen Kommunen angenommen wird, mache ich da einen Haken dran!“
Für den Bürgermeister ist die geplante Bücherei auch mehr als nur eine Bibliothek: „Wir wollen hier ein kreisweites, nicht-kommerzielles Freizeitangebot zum Verweilen und für Begegnungen für mehrere Generationen schaffen.“ Man könne im Bergischen Hof auf 1.500 Quadratmeter mit vergleichsweise wenig Aufwand viel bewirken. Daher wolle er auch weiter das Gespräch suchen: „Vielleicht braucht ein neuer Standort auch einfach nur eine neue Lösung.“ Das dürfe aber keine Frage der politischen Couleur sein, „denn hier geht es um Menschen“, so das Stadtoberhaupt.
Zeitgleich bekräftigte er, dass die Stadt auch ohne den Kreis an den Plänen festhalten werde. Die fehlenden 280.000 Euro müsste dann der Gummersbacher Haushalt auffangen. Auf Nachfrage von Kathrin Grüttgen (SPD) kündigte Helmenstein allerdings auch an, dass die Jahresgebühr (aktuell 10 Euro, für Familien 25 Euro) für Nicht-Gummersbacher dann „moderat“ steigen müsse.
[Die Büroräume sind bereits weitgehend fertiggestellt und sollen schon im Januar bezogen werden.]
Planungen im Zeitplan
Die Planungen für die Bücherei im Bergischen Hof sind im Zeitplan, sagt Jürgen Hefner. Der Funktionstrakt sei kurz vor der Fertigstellung. Die Büros und Seminarräume sollen ab Januar genutzt werden können. Auch die Volkshochschule soll ihre Aktivitäten mit Beginn des kommenden Semesters im Februar aufnehmen können. Auch die eigentliche Bibliothek habe einen großen Schritt genommen. Hier habe man inzwischen ein Innenarchitekturbüro beauftragt. Es laufe die Phase der Ausführungsplanung, in der es um die Umsetzung der Farbkonzepte und die Planung der individuellen Möbel gehe. Noch im Januar soll mit dem Ausbau begonnen werden. Eine Fertigstellung bis Ende 2025 ist aus Hefners Sicht „sehr realistisch“.
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