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Haarscharf an sofortiger Gewerbesteuererhöhung vorbei

lw; 14.12.2022, 14:51 Uhr
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Symbolfoto: Bruno /Germany auf Pixabay
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Haarscharf an sofortiger Gewerbesteuererhöhung vorbei

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lw; 14.12.2022, 14:51 Uhr
Wiehl – SPD hatte die Veränderung vor der Haushaltsverabschiedung beantragt – Abstimmung endete mit Stimmgleichheit – Das Zahlenwerk wurde anschließend mehrheitlich, aber nicht ohne Kritik abgesegnet.

Von Lars Weber

 

Viel am Rechnen war die Wiehler Kämmerei in den vergangenen Wochen und Tagen. Immer wieder gab es Entscheidungen anderorts, die Einfluss auf den eigenen Haushaltsentwurf nahmen. Vor allem die Kreisverwaltung aus Gummersbach sorgte mit der wiederholten Senkung der Kreisumlage dafür, dass Kämmerer Peter Madel und Alf Karsten ihre Taschenrechner kaum weglegen brauchten. Dafür hatte die Arbeit aber immerhin positive Auswirkungen auf den Haushaltsentwurf. Gerade in den Jahren ab 2024 verbesserten sich die Planergebnisse deutlich, 2026 sogar um mehr als zwei Millionen Euro. Bei der gestrigen Ratssitzung dürften Madel, Karsten und auch Bürgermeister Ulrich Stücker einmal kurz den Atem angehalten und gedanklich schon wieder den Rechner gezückt haben. Denn beinahe wäre auf den letzten Metern vor der Verabschiedung noch die Gewerbesteuer erhöht worden. Nur einer Pattsituation bei der Abstimmung über den SPD-Antrag hatte die Verwaltung es zu verdanken, dass die Taschenrechner in den Schubladen bleiben durften.

 

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SPD-Fraktionschef Carlo Riegert hatte die Erhöhung der Gewerbesteuer während seiner Haushaltsrede gefordert und auch gleich beantragt. Zur Konsolidierung des Haushalts sei es notwendig, mit der Anhebung der Gewerbesteuer nicht zu warten, sondern sie bereits jetzt um 13 Punkte beziehungsweise 2,9 Prozent zu erhöhen. Die Grundsteuer B müsse aufgrund der Anpassung an den Fiktiv-Hebesatz des Landes schließlich auch um 2,9 Prozent steigen. „Wir erwarten, dass Bürger und Wirtschaft sich gleichermaßen an der Entwicklung Wiehls beteiligen“, so Riegert. CDU-Fraktionsvorsitzende Larissa Gebser hatte zuvor ihre Position deutlich gemacht: „Dass dieser Haushalt keine Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer oder Elternbeiträge vorsieht, finden wir gerade in diesen unsicheren Zeiten sehr richtig.“ Bei der Abstimmung über den Antrag kam es schließlich zu einer seltenen Pattsituation: 20 Stadtverordnete (SPD, Grüne, Linke, BfgW) stimmten dafür, 19 (CDU, FDP, AfD, UWG) und der Bürgermeister stimmten dagegen. Zwei grüne Ratsmitglieder enthielten sich. Damit war der Antrag abgelehnt, da für eine Annahme zwingend eine Mehrheit benötigt wird.

 

Das Thema Gewerbesteuer war nicht das Einzige, was die Stadtverordneten bei ihren Haushaltsreden umtrieb. Zwar wurde die Arbeit der Verwaltung ausnahmslos gewürdigt, doch fast immer kam ein großes „Aber“. Die CDU erneuerte gestern die Forderung, „die unbezahlbaren Pläne für das Gymnasium“ zu stoppen. „Wir wissen, dass wir noch nicht einmal mehr die Zinslast eines Investitionsprojektes dieser Größenordnung tragen könnten“, so Larissa Gebser. Es sei nicht gerecht, dass nur eine Million Euro für alle Grundschulen im Haushalt eingeplant sei und eine weitere Million für die Sekundarschule – aber allein sechs Millionen Euro an Planungskosten für das Gymnasium. „Wir müssen jetzt alle gemeinsam nach alternativen, guten und bezahlbaren Lösungen suchen.“ Diese sollten – wie alle Entscheidungen, die getroffen werden müssen - nachhaltig und zukunftssichernd sein.

 

Neben den gestellten Anträgen (siehe auch Kasten) erneuerten die Sozialdemokraten während der Haushaltsrede ihr Ziel der Beitragsfreiheit für Kitas und den Offenen Ganztag oder zumindest eine klare soziale Staffelung zu erreichen. Die Teilhabe sei wichtig, um soziale Verwerfungen zu vermeiden. Riegert regte zudem an, in Sachen Mobilität der Zukunft – von Car-Sharing bis zur Lade-Infrastruktur von E-Fahrzeugen – stärker über die Gemeindegrenzen hinweg zusammenzuarbeiten.

 

Zustimmung in letzter Minute
 

Mehr Erfolg bei der Abstimmung hatte die SPD bei zwei weiteren Anträgen, die Riegert während der Rede stellte. So wird zum einen der städtische Beitrag für die Arbeit der Tafel in Wiehl von momentan 5.000 auf 12.000 Euro erhöht. Zum anderen wurde die Stadt damit beauftragt, einen Vertrag mit dem Verein Lebensfarben zu schließen, um dessen Arbeit weiter zu unterstützen, damit das Angebot fortgeführt werden kann.

 

Das „Aber“ der Grünen: „Wir müssen den Verzicht lernen, um wichtiges zu ermöglichen“, so Jürgen Körber. Was aber sei in der vorhandenen Krise das Unverzichtbare: der Betrieb einer Eishalle, kulturelle Veranstaltungen oder die Förderung des Ausbaus regenerativer Energien? Die Stadt müsse angesichts der finanziellen Situation entscheiden, was erhaltenswert, und was gegebenenfalls alternativ finanzierbar sei. „Welches Wiehl wollen wir unseren Enkeln hinterlassen?“ Diesbezüglich finde der Leitfaden „Wiehl Klima 2035“ keinen ausreichenden Widerhall im Haushalt. Außerdem erneuerte Körber auch die Kritik an dem Bilanzmittel der Isolierung der Folgekosten von Pandemie und Ukrainekrieg.  

 

Diesen „Taschenspielertrick“ bezeichnete AfD-Fraktionschef Daniel Schwach als unverantwortlich gegenüber dem Steuerzahler. Er vermisst die „Demut“ im Haushalt und nannte als Beispiel die Gymnasium-Pläne. „Andere Kommunen haben in der Zeit, in der wir darüber gesprochen haben, neue Schulkomplexe gebaut.“ Beim ganzen Prozess habe auch der Stadtrat keine gute Figur abgegeben. Die FDP wies in diesem Zusammenhang auf ihren Antrag hin, den Gymnasium-Umbau als Public-Private-Partnership-Projekt zu prüfen. „Bildung kostet Geld, ist aber eine nachhaltige Investition“, so Dominik Seitz. Straßenbauprojekte dürften nicht zulasten der Bildung durchgeführt werden. „Hier sehen wir zukünftig großes Einsparpotenzial.“ Vor allem, wenn es gegen den Willen der Bürger durchgedrückt werden solle, wie in der Mühlenstraße, so das Beispiel.

 

Matthias Lammerich (Die Linke) verknüpfte die Zustimmung für den Haushalt mit der Erwartung, dass die Wiehler Baumaßnahmen stärker hinterfragt und Konzepte erarbeitet werden, mit denen mehr sozialer Wohnraum geschaffen wird. Wiehl habe sich in der Krise bislang „wacker geschlagen“, so Manuela Thiemig (BfgW), der Blick in die Zukunft sei aber wenig beruhigend. Gerade um die Belastungen, die von der FSW verursacht würden, zu reduzieren, sollten endlich Lösungen gefunden werden, forderte sie. Hans-Peter Stinner (UWG) warf der Verwaltung vor, dass sich der Haushalt nicht ausreichend mit den drängenden Fragen der Zeit beschäftigt. Zudem müssten konsequenterweise die Ausgaben gesenkt werden, wenn keine Steuern und Beiträge angehoben werden. „Davon sehen wir bei der Stadt aber nichts.“

 

Die Haushaltssatzung wurde mit 22 Ja-Stimmen (CDU, FDP, BfgW, Linke) verabschiedet. UWG und ein Teil der Grünen stimmten dagegen, es gab sechs Nein-Stimmen. Die SPD, die AfD und die anderen Grünen-Stadtverordneten enthielten sich. Mehrheitlich verabschiedet wurde zudem der Stellenplan, der Wirtschaftsplan des Abwasserwerkes und der Wirtschaftsplan der FSW.

 

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KOMMENTARE

1

6 Millionen Euro an Planungskosten für das Gymnasium???
Wann kommt man in Wiehl denn endlich zur Vernunft und investiert das Geld lieber in eine nachhaltige Sanierung?
So ist man im Rathaus auf dem besten Weg Planungsweltmeister zu werden … sehr, sehr schade!!!

, 15.12.2022, 18:21 Uhr
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