POLITIK
Helmenstein mit „kategorischem Nein“ zur möglichen Flüchtlingsunterkunft
Gummersbach – Bürgermeister empfängt Kölner Regierungspräsidenten am Sandberg – Bürger starten Petition, um Bau zu verhindern - Stadt hat laut Helmenstein Kapazitätsgrenzen erreicht.
Von Peter Notbohm
Es sind keine leichten Gespräche gewesen, die Gummersbach Bürgermeister Frank Helmenstein am Donnerstag führen musste. Dr. Thomas Wilk, Regierungspräsident der Bezirksregierung Köln, war auf den Sandberg nach Gummersbach-Reininghausen gekommen, um sich ein Bild von der Örtlichkeit, dem ehemaligen Fachhochschulgelände, zu verschaffen, wo nach dem Willen der Bezirksregierung bald eine Massenunterkunft für 500 Geflüchtete entstehen könnte (OA berichtete).
Die Stadt Gummersbach lehnt die Pläne entschieden ab. Das bekräftige Helmenstein am Donnerstagnachmittag ausdrücklich und betonte, dass er die Bedenken und Ängste, die er aus der Bevölkerung derzeit gespiegelt bekommen, sehr ernst nehme. „Ich habe dem Regierungspräsidenten unmissverständlich kategorisch ‚Nein‘ gesagt, egal wie viele Flüchtlinge kämen und auch egal, woher sie stammen. Mehr kann ich derzeit nicht tun“, verweist das Stadtoberhaupt darauf, dass Gummersbach nicht Herr des Verfahrens ist.
Das Gespräch mit dem Regierungspräsidenten bezeichnet er als „nicht einfach“, spricht aber von einer „sehr sachlichen und konstruktiven Atmosphäre“. Zu genauen Inhalten macht er aufgrund der Vertraulichkeit keine Angaben, man habe aber erfahren, worum es bei den Plänen geht.
Eindringlich habe Helmenstein darauf hingewiesen, dass sich in der Nähe der potenziellen Flüchtlingsunterkunft mit dem Lindengymnasium, der Jakob-Moreno-Schule, der Realschule am Steinberg und der Berufsschule gleich vier Schulen befinden. Noch gravierender aus Sicht des Bürgermeisters: In direkter Nachbarschaft befände sich eine Kita mit zwei Gruppen. „Aus meiner Sicht ein unverträglicher Nutzungskonflikt, der Abwehransprüche auslöst.“ Diese seien allerdings noch nicht im Einzelnen geprüft. Helmenstein wollte noch am Donnerstag das Gespräch mit der Kita suchen.
Doch was passiert nun mit dem Gelände? Dr. Thomas Wilk wird die Eindrücke der Ortsbegehung und aus Gespräch mit Gummersbachs Stadtspitze mit nach Köln nehmen und dort beraten. Sollte die Bezirksregierung die Pläne konkretisieren, müsste sie einen Bauantrag stellen, der von Gummersbach als zuständiger Baugenehmigungsbehörde genehmigt werden müsste. Eine Option wäre es, ein solches Baugesuch zumindest für die Dauer eines Jahres zurückzustellen und innerhalb dieses Jahres eine Veränderungssperre über das Areal zu legen. Auch die Aufstellung eines Bebauungsplans sei möglich. Das könnte zwei Jahre Stillstand bedeuten, zumal auch eine Verlängerung möglich wäre.
Helmenstein macht aber sofort eine Einschränkung: Die Bezirksregierung könnte Zurückstellung und Veränderungssperre durch eine Abänderungsentscheidung aushebeln. Diese ist seit 2015, seit der ersten Flüchtlingskrise, im Baugesetzbuch in Paragraf 246 geregelt, weil das Land argumentieren könnte, dass ein dringender Bedarf bestehe, Flüchtlingsunterkünfte zu schaffen. Am Ende müssten Gerichte entscheiden. Helmenstein weiß: Juristisch sind solche Abänderungsentscheidungen nur sehr schwer auszuhebeln.
Dringenden Bedarf für eine 500 Menschen fassende Unterkunft im 900 Einwohner starken Ortsteil Reininghausen sieht Helmenstein allerdings nicht. „Wir erfüllen seit Jahr und Tag die Quote über. Irgendwann ist Schluss!“ Ein Bau würde aus seiner Sicht auch der Verteilgerechtigkeit widersprechen, da es viele Kommunen der Größe Gummersbachs gebe, die diese Quote bislang nicht erfüllen. Allein 1.100 Menschen aus der Ukraine sind derzeit in der Kreisstadt untergebracht.
Die Stadt versuche mittlerweile seit 16 Jahren das Areal zu kaufen. Man habe allerdings nie die Möglichkeit gehabt, die Fläche zu erwerben, außer man hätte dort sozial geförderten Wohnungsbau betrieben. Ziel der Stadtspitze war es aber immer ein Wohnquartier mit „einer guten sozialen Durchmischung“ zu errichten. Dieses Konzept hat man im Spätsommer 2020 auch Bauministerin Ina Scharrenbach vorgestellt. „Wir wollen eine Durchmischung zur besseren Integration, deshalb haben wir die Menschen hier auch dezentral untergebracht und nicht in einer Massenunterkunft“, so Helmenstein, der sich „mit aller Kraft“ gegen die Pläne stemmen will.
Ebenfalls gegen das Vorhaben des Landes NRW richtet sich eine am 1. November ins Leben gerufene Petition, die am Donnerstagabend bereits 785 Unterschriften hatte.
KOMMENTARE
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Zitat: "Die Stadt versuche mittlerweile seit 16 Jahren das Areal zu kaufen. Man habe allerdings nie die Möglichkeit gehabt, die Fläche zu erwerben, außer man hätte dort sozial geförderten Wohnungsbau betrieben." In Anbetracht der Tatsache, dass es Gummersbach einen großen Mangel an sozial geförderten Wohnungen gibt, ist diese Aussage eigentlich ein Hohn. Und die Situation wird leider nicht besser, sondern schlechter. Eine einigermaßen bezahlbare Wohnung zu finden ist mittlerweile schon fast aussichtslos.
Andre, 03.11.2023, 20:12 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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