POLITIK

"Integration statt Isolation": Bürger protestieren gegen Erstaufnahmeeinrichtung

lw; 18.12.2023, 20:00 Uhr
Foto: Lars Weber --- Die Interessengemeinschaft aus Marienberghausen hat mehr als 200 Mitglieder. Thomas Terberger (v.li.), Bianca Vogler, Melanie Lipps und Tom Strehle sprechen für die Menschen.
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"Integration statt Isolation": Bürger protestieren gegen Erstaufnahmeeinrichtung

lw; 18.12.2023, 20:00 Uhr
Nümbrecht – Gestartete Petition zählt schon mehr als 1.100 Unterschriften – Sorge vor allem aufgrund der Größe der Einrichtung und der fehlenden Infrastruktur - Demonstration am Donnerstag.

Von Lars Weber

 

In Aufruhr befinden sich seit vergangener Woche viele Menschen in Marienberghausen. Am Dienstag informierte Nümbrechts Bürgermeister Hilko Redenius im Rat darüber, dass das Land NRW über ein Grundstück etwa 400 Meter von Marienberghausen entfernt Richtung Elsenroth mit den Eigentümern verhandelt. Das Ziel: An der Landstraße eine Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 500 Flüchtlinge innerhalb kürzester Zeit zu errichten (OA berichtete). Die Marienberghausener und andere Nümbrechter fühlen sich von der Nachricht überrumpelt. Eine von einer Interessengemeinschaft gestartete Petition hat bereits mehr als 1.100 Unterzeichner. Am Donnerstag möchten sie in Nümbrecht demonstrieren. Ihre Hoffnung: Eine Unterbringung in dieser Größe verhindern. „Sowohl die Bedürfnisse der Flüchtlinge als auch der lokalen Bevölkerung sollten beachtet werden“, sagen die Organisatoren. "Wir wollen Integration statt Isolation."

 

Zu der IG gehören inzwischen mehr als 200 Menschen, für sie sprechen die Marienberghausener Melanie Lipps (41), Tom Strehle (23), Thomas Terberger (42) und Bianca Vogler (43). „Wir haben ein Recht darauf, unsere Sorgen und Ängste zu äußern.“ Sie wären gerne noch früher informiert und eingebunden worden. Mit der Antwort des Bürgermeisters sind sie nicht zufrieden (siehe Kasten). "Wir finden, dass sich die Gemeinde dadurch aus der Verantwortung stiehlt, die Menschen hier zu integrieren", sagt Terberger. "Wir wären dazu bereit", sagt der Kirchmeister der evangelischen Kirchengemeinde vor Ort. Die geäußerten Pläne geben den geflüchteten Menschen jedoch keine Perspektive.

 

Sie können nicht verstehen, dass noch vor wenigen Wochen ein Areal im Gewerbegebiet Elsenroths aufgrund der fehlenden Infrastruktur für ungeeignet befunden wurde, nun aber ein Gewerbeareal wenige Meter von einem Dorf infrage kommt, in dem es keine Läden oder anderen Angebote gibt und auch kaum Busse fahren. „Bisher wurden Erstaufnahmeeinrichtungen in Städten eingerichtet, warum will man jetzt plötzlich aufs Dorf?“, fragt Vogler. In Marienberghausen würde die mögliche Gesamtzahl an Flüchtlinge der Einwohnerzahl im Dorf entsprechen.

 

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Diese Verteilung empfinden die Bürgerinnen und Bürger als nicht gerecht. Diese Einschätzung gelte sowohl für die Marienberghausener, aber auch für die Menschen, die in der Unterkunft aufgenommen werden würden, sagen sie deutlich. Die Lokalen machten sich dabei Sorgen, die vor allem mit der Größe der Unterkunft zusammenhängen. Dabei ginge es natürlich auch um Sicherheitsbedenken, die sich quer durch die Bevölkerung zögen. Pauschal Angst wollen sie dabei keine schüren, sie möchten die Geflücheten  keinesfalls kriminalisieren.

 

„Damit so eine Unterbringung jedoch funktioniert, müssen die Menschen zufrieden sein“. Dass dies vor den Toren des kleinen Nümbrechter Ortes der Fall sein wird, dafür fehlt den Organisatoren unter den gegebenen Umständen aber die Fantasie. Auch wenn es Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Gelände geben soll, würden die Menschen raus wollen, sind sie überzeugt. „Aber wohin soll sie gehen?“ Den Geflüchteten würde man damit keinen Gefallen tun, so die Marienberghausener.

 

Durchaus Verständnis hätten sie dabei für die Probleme der Kommune bei der Unterbringung der Flüchtlinge. Die nun angedachte Lösung sei aber der „falsche Weg“, so Vogler. Da nicht nur Nümbrecht als Kommune am Limit angekommen sei, bestehe weiter die Sorge, dass die traumatisierten Menschen nicht wie sonst üblich nur wenige Wochen in der Erstaufnahmeeinrichtung verbringen würden, sondern sie zu Hunderten über Monate hinweg dort hinter Zäunen leben müssten, weil andere Kommunen die weitere Aufnahme verweigerten. „Nur um das Haushaltsloch der Gemeinde zu stärken, kann man nicht bei 17.000 Einwohnern und knapp 91 Dörfern das Problem auf ein kleines Dorf abwälzen.“

 

„Wie sollen diese Menschen versorgt werden? Wie können sie sich integrieren und ein neues Leben aufbauen?“ Es gebe Alternativen zur Unterbringung einer so großen Anzahl von Menschen an einem Ort - zum Beispiel die Aufteilung auf mehrere kleinere Einrichtungen. „Wir bitten daher um einen Stopp des Bauvorhabens und um eine Überprüfung der Pläne unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Flüchtlinge und der lokalen Bevölkerung“, heißt es im Petitionstext.

 

Eine streng befristete, mobile Lösung auf diesem Gelände mit proportional zur Dorfbevölkerung angemessenen Kapazitäten, wie es zum Beispiel heute in Berkenroth steht, könnten die Mitglieder der IG besser akzeptieren, auch wenn die Probleme der Infrastruktur blieben. "Die dezentrale Unterbringung hat sich in Nümbrecht bewährt", sagt Tom Strehle. Es gehe auch darum, den sozialen Frieden und die soziale Ausgewogenheit zu wahren.

 

Ganz deutlich abgrenzen möchte sich der Protest von jeglichem rechtspopulistischen Gedankengut. „Für politische Parolen und Hetze gibt es bei uns keinen Platz.“ Ihnen ist wichtig, dass auch die Demonstration in Nümbrecht eine friedliche Veranstaltung werden soll. Beginn ist um 15:30 Uhr, voraussichtlich am Rathaus. Für die IG sprechen wird Tom Strehle. Auch Bürgermeister Hilko Redenius möchte anwesend sein, wie heute aus dem Rathaus zu hören war. Er will als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. 

 

Sichtweise des Rathauses

Bereits am Tag nach der Information im Gemeinderat hat Bürgermeister Hilko Redenius auf der Homepage der Gemeinde Nümbrecht seine Sichtweise dargelegt. Dabei nimmt er – wie auch schon in OA – ausführlich Stellung zu einigen Kritikpunkten und Sorgen, so zum Beispiel zu der Informationspolitik der Verwaltung, der Sicherheit oder auch dem sozialen Anschluss der Flüchtlinge. Das volle Statement ist hier nachzulesen.

 

Dort kündigt Redenius auch bereits eine erste Informations- und Diskussionsveranstaltung in Marienberghausen an, voraussichtlich in der zweiten Januarwoche. Organisiert und moderiert werden soll diese von der evangelischen Kirchengemeinde Marienberghausen. 

 

Einen neuen Stand, was den Planungsprozess des Landes angeht, gebe es derweil nicht, wie es auf Nachfrage aus dem Rathaus heißt. Das Land befinde sich weiterhin in Gesprächen mit den Grundstückseigentümern. 

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