POLITIK
Bücherfabrik: Jetzt entscheiden die Bürger
Engelskirchen - Mit 16 zu 14 Stimmen untermauerte der Rat seine Entscheidung, den A-Stempel für die Alte Bücherfabrik nicht zu beantragen – Jetzt folgt automatisch das Votum der Bevölkerung.
Von Leif Schmittgen
Verwaltung und politische Befürworter hatten gestern Abend zur Ratssitzung im Engelskirchener Rathaus noch einmal alles versucht, CDU, Grüne und FDP von ihrem Votum, den A-Stempel der Regionale 2025 nicht zu beantragen, abzubringen. Eine überarbeitete Kostenschätzung, die von Kämmerer Laszlo Kotnyek präsentiert wurde, und auch der Besuch von Regionale-Geschäftsführer Dr. Reimar Molitor konnte die anderen Fraktionen nicht umstimmen: Mit 16 zu 14 Stimmen votierte eine Ratsmehrheit gegen das Vorhaben und hielt damit an dem Beschluss aus dem vergangenen September fest- somit folgt nun automatisch der Bürgerentscheid. Vom Publikum des voll besetzten Zuschauerraums des Ratssaals hatte es mehrmals die eindringliche Bitte gegeben, dass man sich die Chance auf Fördermittel in Millionenhöhe doch offenhalten sollte. Erst später könne man entscheiden, sollten die Kosten für die Sanierung und den Umbau kalkulatorisch aus dem Ruder laufen, das Projekt zu begraben.
Molitor hatte dem Gremium berichtet, dass er selten ein solch ausgearbeitetes Konzept vorgefunden habe. „Die Bedingungen sind ideal und es passt sehr vieles“, so der Geschäftsführer und betonte, dass seine Meinung neutral von allen Seiten zu werten sei, er dem Projekt aber beste Chancen einräumte. In rund dreistündiger Diskussion wurden erneut Standpunkte ausgetauscht, jede Seite hielt an den bereits bekannten Argumenten fest. Auf Gegnerseite machte man sich aber nach wie vor Sorgen über steigende Baukosten und eine nicht kalkulierbare Zinsentwicklung, weshalb man dem Vorhaben einen Riegel vorschieben möchte. „Vielleicht ist es gut, dass nun die Bürger entscheiden“, untermauerte Matthias Haas (CDU) die Haltung seiner Fraktion und baute auf das demokratische Mittel eines Bürgerentscheides.
„Wir haben eine lange Interessentenliste, ohne jemals Werbung für ein Gesundheitszentrum gemacht zu haben“, sagte Bürgermeister Dr. Gero Karthaus und wollte aufzeigen, dass es an möglichen Miet- und Steuereinnahmen beim Projekt nicht mangeln werde.
Eine Formalie wurde gestern Abend einstimmig geklärt. Geschlossen stimmte der Rat einer Satzungsänderung zu, bei der das Verfahren des Bürgerentscheides deutlich erleichtert werden soll. Denn nach derzeitigem Stand hätte die Verwaltung die Bürger zur Beantragung von Stimmzetteln aufrufen müssen. Dieser Schritt entfällt nun, weil die Unterlagen nun auf direktem Weg alle Stimmberechtigten erreichen sollen und man einen Schritt einspart. Eine externe Firma wird mit dem Erstellen und Versenden beauftragt. Auch das koste zwar Geld, die Aufwendungen aber seien überschaubarer als beim alten Verfahren, meinte der Bürgermeister.
Übertragung abgebrochen
Am gestrigen Abend sollte mit der Liveübertragung der Ratssitzung ins Internet eine Premiere gefeiert und für mehr Transparenz beim Bürger gesorgt werden (OA berichtete). Aus Datenschutzgründen hätten die Ratsmitglieder vorab ihre schriftliche Zustimmung geben müssen, das wurde von der CDU allerdings verweigert. „Wir haben aus der Presse von dem Vorhaben erfahren“, haderte Fraktionschef Marcus Dräger ob der Vorgehensweise. Außerdem sei man erst durch eine Tischvorlage unmittelbar vor der Sitzung von der Verwaltung auf die Übertragung aufmerksam gemacht worden. Das war aus CDU-Sicht zu knapp. Die Christdemokraten äußerten rechtliche Bedenken. „Das muss auf sicheren Füßen stehen“, sei man laut Dräger nicht im Taka-Tuka-Land.
Dem widersprach Bürgermeister Karthaus. Man habe in der vergangenen Ausschusssitzung – nach erfolgreicher Generalprobe - über das Filmen fristgerecht informiert. Das war Dräger aber nicht ausreichend, denn er sei nicht sicher, ob jedes Mitglied die Ankündigung mitbekommen habe. Deshalb verweigerte man fraktionsgeschlossen die notwendige Unterschrift und Karthaus brach den Stream noch vor Eintritt in die Tagesordnung ab. Das sorgte wiederum für reichlich Unmut in Sozialen Medien, etliche Bürger beschwerten sich über die Abschaltung.
KOMMENTARE
1
Demokratie zugänglicher machen, die Bürger beteiligen, mehr Basisdemokratie - markige Phrasen, die nur allzu gerne vom Stapel gelassen werden, wenn es gerade passt.
Ein Bürgerbegehren gegen die eigene Position? Nein, also so viel Basisdemokratie und Bürgerwille dann lieber doch nicht. Da entscheiden wir doch lieber drüber hinweg. Wen interessieren schon 2.000 mündige Bürger aus Engelskirchen?
Vielen Dank an CDU und Grüne für diese beeindruckende Vorstellung Ihres Demokratieverständnisses! Die Bürger dürfen Ihnen nun beim folgenden Bürgerbescheid die Quittung dafür schreiben..
2
Eigentlich schade, dass auf die Übertragung (sicher aus schlüssigen Gründen) dieses Mal verzichtet werden musste. Denn dann hätten die Zuschauer das gut einstudierte Schauspiel der Projektbefürworter verfolgen können. Da beantragt die SPD doch in allerletzter Sekunde doch tatsächlich eine geheime Abstimmung. So viel zum Thema Transparenz! Fakt ist und bleibt, diese Projekt wird bei Baubeginn neu kalkuliert. Dann ist es zu spät und man muss weitere Millionen auf den Tisch legen. Beispiele gibt es genug: Kölner Oper, Berliner Flughafen, Wiehlpark, Feuerwehrhaus Loope....
Ursel, Ründeroth, 16.02.2023, 18:10 Uhr3
Gut, dass jetzt der Bürgerentscheid kommt. DAS ist dann wirklich Basisdemokratie. Wo wäre die Basisdemokratie hier gewesen? Die ca. 2000 Unterschriften stellen ja nur die UnterstützerInnen des Projekts dar, aber wo bleiben denn da bitte die Leute, die es genauso sehen wie drei (!) Fraktionen im Gemeinderat? Soll deren Stimme nicht zählen? Das wäre ein fragwürdiges Demokratieverständnis!
Jetzt kann jede BürgerIn direkt mitentscheiden! Gut so!
4
Die Unterschriften von 2000 Bürgern stellen für mich nicht die Legitimation dafür dar, von CDU, Grünen und FDP zu verlangen, ihre Haltung zu ändern. Obwohl der Bürgerentscheid nun einiges an Geld kostet, hat jetzt wirklich jeder wahlberechtigte Einwohner die Möglich, sich zu beteiligen. Ich bin zwar aus Kostengründen gegen das Projekt (erst heute habe ich dazu noch gelesen, dass allein die Entwurfsplanung für die Bewerbung schon fast eine halbe Million Euro kosten würde), aber wenn sich nach dem Bürgerentscheid die Befürworter durchsetzen sollten, ist es für mich selbstverständlich, dies dann auch zu akzeptieren. Vorher sollte jedoch niemand von seiner Meinung abrücken, sondern weiter Überzeugungsarbeit für den eigenen Standpunkt mit den korrekten Zahlen leisten.
C., 17.02.2023, 14:12 Uhr5
Bin sehr gespannt, ob die Engelskirchener CDU jetzt ebenfalls Einfluss nimmt, um das größenwahnsinnige Projekt Kreishausneubau zu stoppen.
Manfred , 17.02.2023, 17:19 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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