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Kein Spielraum mehr: Steuern sollen steigen

pn; 30.10.2023, 20:00 Uhr
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Kein Spielraum mehr: Steuern sollen steigen

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pn; 30.10.2023, 20:00 Uhr
Gummersbach – Haushaltseinbringung im Stadtrat - Grundsteuern A und B sollen steigen - Stadt muss bereits nächstes Jahr fast auf die gesamte Ausgleichsrücklage zurückgreifen.

Von Peter Notbohm

 

Sechs Jahre lang musste Gummersbach nicht an der Steuerschraube drehen. Damit ist es nun definitiv vorbei. Gummersbachs Bürger müssen sich auf Erhöhungen im kommenden Jahr einstellen. Das sieht der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr vor, den Bürgermeister Frank Helmenstein, sein Kämmerer Raoul Halding-Hoppenheit sowie der Technische Beigeordnete Jürgen Hefner am Montagabend der Politik vorstellten. Die Medien hatte man im Rahmen eines Pressegesprächs bereits am Vormittag über die „herausfordernden“ Zahlen informiert.  

 

Mit rund 170,4 Millionen Euro Erträgen plant Halding-Hoppenheit für 2024, dem gegenüber stehen Ausgaben und Aufwendungen in Höhe von 181,7 Millionen Euro – ein sattes Minus von 11,3 Millionen Euro. Und auch in den Jahren bis 2027 rechnet der Kämmerer mit defizitären Haushalten. Ein Grund sei vor allem die strukturelle Unterfinanzierung aller Kommunen in NRW. Die Ausgleichsrücklage in Höhe von 13,2 Millionen Euro wird spätestens im kommenden Jahr aufgebraucht sein. „Die schmelzen wir jetzt weg“, so der Erste Beigeordnete der Stadt. Das Defizit wird vor allem auf das Eigenkapital der Stadt Auswirkungen haben. „Ohne Gegenmaßnahmen werden wir spätestens 2027 kein Eigenkapital mehr haben.“

 

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Eine dieser Gegenmaßnahmen werden Steuererhöhungen sein, die man im Rathaus schon seit Jahren angekündigt hat. Der Grundsteuer A-Hebesatz soll von 440 auf 565 Prozent steigen. Die Grundsteuer B soll in derselben Höhe von 570 auf 695 Prozent klettern. Moderater fällt die Erhöhung bei der Gewerbesteuer aus. Sie wird um zehn Punkte auf 485 Prozent angehoben – allerdings stecken hier deutlich andere Summen dahinter, erklärt der Kämmer: „Bei der Grundsteuer B bedeutet ein Punkt 18.000 Euro, bei der Gewerbesteuer sind es zwischen 85.000 und 97.000 Euro.“

 

Auch Helmenstein warnt eindringlich davor, an dieser Stellschraube massiv zu drehen: „Die Gewerbesteuer ist das scheue Reh, das wir nicht verjagen dürfen. Es ist nur ein Federstreich und man ist weg aus Gummersbach. Wenn uns die Gewerbesteuer massiv einbricht, können wir den Schlüssel umdrehen.“ Ein Dorn im Auge ist ihm dabei die Gewerbesteuer der Stadt Leverkusen mit 250 Prozent. Das Stadtoberhaupt und sein Kämmerer werben dafür, dass die anstehenden Lasten solidarisch verteilt werden müssen. Das Haushaltssicherungskonzept sei keine Lösung, die man im Gummersbacher Rathaus anstrebe.

 

Eine Besserung ist bei den Schlüsselzuweisungen des Landes zu erwarten: Hier soll die Stadt im Vergleich zum Vorjahr wieder über 7 Millionen Euro mehr erhalten. Neueingeführt werden sollen zum 1. September 2024 eine Verpackungssteuer und eine Kulturförderabgabe. Hier rechnet man ab 2025 mit Einnahmen von 350.000 bzw. 240.000 Euro. Wuchern kann die Stadt zudem mit langfristig abgeschlossenen Verträgen mit sehr guten Konditionen. So sinke der Zinsaufwand im kommenden Jahr, obwohl die Zinsen derzeit steigen.

 

Laut Helmenstein sei der Haushalt von drei großen Sonderfaktoren neben der Unterfinanzierung der Kommunen geprägt. Die Unterbringung der rund 1.100 ukrainischen Flüchtlinge und die daraus entstehenden Folgekosten stelle die Stadt genauso vor Herausforderungen wie die allgemeine Migrationskrise, die auf einen neuen Höhepunkt zustrebe: „Mit dem Blick auf die aktuellen Zahlen von heute, müssen wir feststellen, dass die Situation deutlich dynamischer als 2015 und 2016 ist.“ Der Wohnungsmarkt sei erschöpft, die Zahlungen des Landes je Flüchtling zudem nicht kostendeckend.

 

Die dritte Herausforderung sei zudem die anstehende Rezession. Zwar sei die Gummersbacher Wirtschaft robust durch die Corona-Krise gekommen, doch mittlerweile mache sich bemerkbar, dass Deutschland die einzige Industrienation sei, die ein negatives Wirtschaftswachstum zu verzeichnen habe: „Wir spüren bereits die Bremsspuren.“

 

Von drei Kostentreibern, „die wir nicht oder nur rudimentär beeinflussen können“, spricht man im Rathaus im Zusammenhang mit den Ausgaben für das kommende Jahr. Zum einen müsse Gummersbach – genau wie andere Kommunen – ständig neue Aufgaben übernehmen bzw. die Standards werden immer wieder heraufgesetzt, zum anderen sei man an die Ergebnisse der Tariferhöhungen gebunden.

 

Größtes Ärgernis für Halding-Hoppenheit bleibt aber die Kreisumlage, die im kommenden Jahr zwar nur moderat um eine Million Euro steige, aber spätestens 2027 bei 44 Millionen Euro liegen soll: „Wenn der Kreis und die LVR-Verbände sich mäßigen würden, könnten die Steuererhöhungen geringer ausfallen. Was wir erhöhen, geben wir alles ab.“ Auf 20 Cent bezeichnet der Kämmer den Anteil, den Gummersbach an jedem Euro, den der Kreis ausgebe, tragen müsse. Der Oberbergische Kreis, der Rhein-Sieg-Kreis sowie der Rheinisch-Bergische Kreis werden in diesem Jahr eine gemeinsame Forderung an den LVR aufsetzen, „endlich die Schraube zurückzudrehen“.

 

Insgesamt werde der Schuldenstand in 2024 auf etwa 224 Millionen Euro wachsen, was eine Pro-Kopf-Verschuldung von 4.310 Euro bedeutet. „Im Gegensatz zu anderen Kommunen sind wir aber transparent und lagern nichts aus und können uns mit dieser Zahl durchaus sehen lassen“, meint der Kämmerer. Eine Corona- bzw. Ukraine-Krieg-Isolierung ist im kommenden Haushaltsjahr nicht mehr möglich, nachdem die Landesregierung dieses Werkzeug nicht mehr zur Verfügung gestellt (bislang wurden seit 2020 etwa 7,1 Millionen Euro isoliert). In Gummersbach war man von einer Verlängerung ausgegangen und hatte dafür in den vergangenen Jahren jeweils 3,4 Euro pro Jahr einkalkuliert.

 

Trotz der finanziellen Belastungen will man im Gummersbacher Rathaus aber auch im kommenden Jahr investieren. „Das wollen und müssen wir. Wir wollen gestalten“, sagt Halding-Hoppenheit. Den Großteil der Investitionen könne man über Fördermittel refinanzieren. Das wichtigste Ziel aus Helmensteins Sicht: „Wir müssen die Infrastruktur auf den aktuellen Stand bringen.“ Rund 18,6 Millionen Euro (14,5 Mio in 2023) sollen dafür in die Hand genommen werden.

 

Der Haushalt soll am 30. November verabschiedet werden. Die Eckdaten des Haushalt gibt es hier.

KOMMENTARE

1

Ich verstehe, dass die Gelder aus den Grundsteuern in der Stand bleiben und nicht abgeführt werden müssen. Aber aus meiner Sicht muss es andere Möglichkeiten geben als die Grundsteuer zu erhöhen. Andere Städte haben auch niedrige Sätze und da siedelt sich dann gerne das ein oder andere Gewerbe an. Man muss die eigene Stadt attraktiv machen, sonst dreht sich die Spirale immer weiter

Gummersbacher, 31.10.2023, 12:56 Uhr
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Es geht um den Haushalt der Kommunen.Jetzt werden im Kommenden Jahr Die Grundsteuer A und auch ab extrem erhöht .Zudem soll die Gewerbesteuer um 10%angehoben werden.Noch ist der Haushalt nicht verabschiedet ,aber wie soll es sonst gehen.Fakt ist das der Flüchtlingszuzug wieder einmal von der arbeitenden Bevölkerung gestemmt werden muß.Denn das Land unterstützt die Kommunen nicht ausreichend ,also müssen die Bürger wieder tiefer in die Tasche greifen.

Christiane Winter, 31.10.2023, 22:28 Uhr
3

Wir wollen diese riesige Flüchtlingsunterkunft auf dem ehemaligen FH-Gelände nicht!
Das wird in dieser Größe in Gummersbach weiteren Unfrieden auslösen und zum weiteren Wachstum der AfD führen.
Nun kommt hier die nächste Meldung, dass die Stadt mit den Kosten der Flüchtlingsunterbringung und Migrationspolitik überfordert ist. Und was macht man dann? Natürlich die Grundsteuer anheben und den kleinen Bürger bezahlen lassen! Das ist keine Lösung und wird die Menschen weiter verärgern. Nun geht es jedem ans Portemonnaie, sowohl den Hausbesitzern, als auch den Mietern, auf die ja die höhere Grundsteuer umgelegt wird. Vielen Dank!

Klaus , 01.11.2023, 11:46 Uhr
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Ist doch alles kein Problem. Erhöhung der Grundsteuer B von 570 auf 695 Punkte. Solange der arbeitende Bürger auch Lohnerhöhungen von fast 22% bekommt. Das ist aber nicht der Fall. Hier wird der kleine Bürger, der hart für sein Geld arbeitet, mal wieder abgezockt. Unglaublich. Immobilien in Gummersbach lohnen sich überhaupt nicht mehr. Andere Kommunen sind da besser aufgestellt. Bloss weg hier!

H. Witt, 03.11.2023, 12:37 Uhr
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