Wiehl – Fraktionen verabschieden den Haushalt inklusive der Steuererhöhungen – Wohnraum ist ein Fokus bei den Haushaltsreden – Verwaltung soll Einsparpotenziale nutzen.
Von Lars Weber
Jetzt ist es beschlossen. Die Stadt Wiehl hat die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B für das kommende Haushaltsjahr erhöht. Für Unternehmen steigt der Hebesatz von 430 auf 460 v.H., für die Bürger um 36 Prozentpunkte auf 479 (OA berichtete). Die Mehrheit des Stadtrats stimmte der Haushaltssatzung bei der Sitzung gestern in der Wiehltalhalle zu. Im kommunalen Vergleich gehört Wiehl damit trotzdem weiterhin zu den Städten und Gemeinden im Kreis mit den niedrigsten Steuern. Die Erhöhungen wurden von dem Großteil der Fraktionen zwar als alternativlos angesehen. Die anvisierten weiteren Anhebungen der Sätze in kommenden Jahren wollen die Stadträte aber nicht diskussionslos hinnehmen.
An dem Haushalt gab es im Vergleich zum eingebrachten Entwurf nur wenig Änderungen. Unter anderem schrumpfte das Defizit bei leicht angepassten Aufwendungen und Erträgen von geplanten 1,8 Millionen Euro auf 695.600 Euro, wofür die Ausgleichsrücklage bemüht wird. Ein Grund für die Veränderung ist die etwas niedrigere Kreisumlage.
Zusammenhalt und Uneitelkeit forderte CDU-Fraktionsvorsitzende Larissa Gebser in ihrer Haushaltsrede, um aus dem auch von Corona gelähmten Stadium des Abwartens endlich wieder aktiv zu werden für Wiehl. Dabei möchte die CDU besonders Verantwortung übernehmen für die junge Generation. Diese bräuchten – erst recht jetzt nach Lockdowns und Isolation – Treffpunkte, vom Jugendcafé bis zur Disko. Verantwortung müsse aber auch bei den Finanzen übernommen werden. Für Gebser ist die Rechnung einfach: „Wenn Wiehl wächst, dann kommen wir auch ohne Steuererhöhungen aus.“ Deshalb müsse Platz für neue Mitbürger und neue Arbeitsplätze geschaffen werden, gerne in einem gemischten Wohn- und Arbeitsgebiet („Brächen 2.0“). Nicht zuletzt forderte sie kürzere Sitzungsintervalle, um die Vielzahl an Themen schneller angehen zu können.
Eine behutsame Flächenentwicklung an den Dorfrändern und ein Abbau von Bürokratie in Sachen Bauland forderte Carlo Riegert, SPD-Fraktionsvorsitzender. Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum sei eine der zentralen Fragen. „Für neue Quartiere fordern wir eine soziale Durchmischung und die Umsetzung mit Konzeptvergabe.“ Eine weitere Antwort kann die Verdichtung in vorhandenen Wohnlagen sein. Die SPD befürworte, dass der Gestaltungsrahmen durch Aufhebung von alten Bebauungsplänen erweitert werde. „Alle sollen sich Wohnen in Wiehl leisten können.“ Dabei müsse auch der Jugend außerhalb der Vereine mehr geboten werden, weshalb die Sozialdemokraten bereits einen Soccer-Court für Drabenderhöhe forderten. Der später in der Sitzung abgesegnete Antrag soll nur der Anfang gewesen sein.
„Kinder sind unsere Zukunft“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Körber. „Das mag abgedroschen klingen, ist aber so.“ Dahingehend lobte er zwar, dass beispielsweise die Kita-Gebühren nicht angehoben wurden. Gleichzeitig machte er sich aber Sorgen, dass durch das Covid-Isolierungsgesetz und zu vielen Projekten auf einmal die nachfolgenden Generationen finanziell belastet werden und keinen eigenen Spielraum mehr haben werden. „Manchmal reicht es auch eine Nummer kleiner.“ Er kritisierte zudem die hohen Ausgaben für externe Berater (680.000 Euro). Und obwohl sie die jetzigen Steuererhebungen begrüßten, so müssen weitere Anhebungen deutlicher den Bürgern kommuniziert und im Rat vorher diskutiert werden. Positiv bewertete er, dass die 7,5 Millionen Euro für das Gewerbegebiet Kahlhambuche (Drabenderhöhe, Brächen) erst einmal ins Jahr 2023 geschoben wurden.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Daniel Schwach kritisierte die Steuererhöhungen für Bürger und Betriebe und verwies auf Waldbröl, wo die Steuern sogar gesenkt wurden. „Das ist das falsche Signal für die Wiehler!“ Auch das Thema Wohnen griff er auf. Er forderte bei dem Thema endlich „mutige Entscheidungen“. Diese würden sonst zu viel Zeit benötigen. Als Beispiel nannte er das Gymnasium: „Es verging wieder ein Jahr, in dem wir bloß über einen potenziellen Neubau des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums gesprochen haben. Immerhin hat uns das Hochwasser in Wiehl die Entscheidung über die Standortfrage abgenommen“.
Bei dieser Frage müsse nun der Turbo gezündet werden, sagte FDP-Fraktionschef Dominik Seitz. „Sonst hat Wiehl seinen eigenen BER.“ Die Digitalisierung an Schulen sieht er indes auf einem guten Weg. „Aber auch e-Government, Glasfaserausbau oder WiehLAN dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.“ Er mahnte weiter, dass Steuererhöhungen zwar das Defizit minimierten, die strukturellen Probleme aber angegangen werden müssten. Seitz sieht Sparpotenzial beim Personal der Verwaltung. Die Einsparung des Kämmerers (fällt in den Bereich des ersten Beigeordneten Peter Madel) und des zweiten Beigeordneten (nach erfolgloser Ausschreibung fällt der technische Bereich in das Gebiet von Bürgermeister Stücker) seien aber ein Anfang. Besonders durchleuchtet werden müssten aber die Freizeit- und Sportstätten Wiehl (FSW), wo allein die Eishalle 2019 ein Defizit von 443.000 Euro hatte.
Hans-Peter Stinner, nun alleiniger Vertreter der UWG im Rat (OA berichtete), lobte die Idee, die Bau- und Entwicklungsgesellschaft für neue Wohnflächen stärker einzuschalten. „Private Investoren führen nicht zum Bauen von bezahlbaren Wohnflächen. Er forderte weiter, die Gemeindestraßen besser zu pflegen, beim Thema Internet sich nicht nur auf einen Anbieter zu verlassen und bei der Haushaltskonsolidierung endlich voranzukommen. „Diese ist seit Jahren in einem Brachland.“ Auch die einstigen UGW-Wiehl-Mitglieder Manuela Thiemig und Jürgen Poschner meldeten sich als neue Fraktion „Bürger für ganz Wiehl“ zu Wort und stellten sich kurz vor. „Wir wollen nicht das Haar in der Suppe suchen, sondern gemeinsam Kompromisse finden.“ Bei ihrer Politik sollen auch die Außenorte mitgenommen werden.
Die Erhöhung der Gewerbesteuer sieht auch die Linke-Fraktion um Vorsitzenden Matthias Lammerich als richtigen Schritt. „Er war längst überfällig.“ Dass auch die Grundsteuer B angehoben werden musste, sieht er kritisch ob der herrschenden Inflation. Beim Thema Wohnraum forderte er, dass endlich ein Wohnraumkonzept mit vorheriger Bedarfsanalyse erstellt werden sollte. „Wir werden da nicht lockerlassen.“ Die Haushaltssatzung wurde bei Gegenstimmen von AfD und von Die Linke sowie zwei Enthaltungen aus der CDU (Larissa Gebser und Michael Pfeiffer) mit großer Mehrheit verabschiedet.
KOMMENTARE
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Beamte sind Diener des Staates und haben sich politisch NEUTRAL zu verhalten.
Es ist sehr gut, dass jetzt auf einen 2. Beigeordneten verzichtet wird und die Aufgaben des Kämmerers vom 1. Beigeordneten wahrgenommen wird.
Die einzelnen Fachbereichsleiter gut ausgebildet werden die Verwaltungsspitze sicherlich tatkräftig unterstützen.
Vielleicht gibt es noch mehr Möglichkeiten Personal und Kosten einzusparen, wenn die Verwaltung verstärkt nach kaufmännischen und wirtschaftschaftlichen Verhältnissen arbeitet.
Von nicht kostendeckenden Objekten und Angeboten sollte Abstand genommen werden, denn die Zeche zahlt letztendlich der Bürger.
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