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Mit der App zum Lebensretter: Wenn jede Sekunde zählt

lw; 19.05.2025, 15:30 Uhr
Symbolfoto: OA.
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Mit der App zum Lebensretter: Wenn jede Sekunde zählt

lw; 19.05.2025, 15:30 Uhr
Oberberg – Alarmierung von Ersthelfern über das Handy soll im Kreis die Überlebenschancen von Patienten mit außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand erhöhen.

Von Lars Weber

 

Bei einem außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Sekunde. Je schneller dem Patienten in einer solchen Situation geholfen werden kann, desto höher ist die Überlebenschance. Um dies zu erreichen, sind in Teilen Deutschlands bereits sogenannte First-Responder-Apps in Benutzung. Das Prinzip in vereinfachter Form: Ersthelfer können sich per App bei einem Dienst registrieren, um im Notfall zum Einsatzort gerufen zu werden, wenn sie in der Nähe sind und noch vor dem Krankenwagen beim Patienten sein können. Der Oberbergische Kreis möchte solch eine Möglichkeit ebenfalls schaffen. Alexander Höffgen, stellvertretender Leiter des Rettungsdienstes, informierte im Kreisgesundheitsausschuss über die unterschiedlichen Angebote und was es bei dem Thema zu bedenken gilt.

 

Nach Angaben des German Resuscitation Council (GRC) erleiden in Deutschland jährlich mehr als 70.000 Menschen einen außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand. Bezogen auf das Oberbergische schätzt Höffgen die Zahl auf 200 bis 300. Wesentlich für die Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit ist die Reduktion des therapiefreien Intervalls durch frühzeitige Thoraxkompression sowie Frühdefibrillation mittels Automatisierter Externer Defibrillatoren. Hierbei gelte, dass die Zeit vom Kollaps bis zum Beginn der Thoraxkompressionen weniger als vier Minuten betragen soll.

 

Und hier setzt die First-Responder-App an. Denn diese Zielsetzung ist alleine durch den professionellen Rettungsdienst und die Leitstellen nicht zu erreichen, machte der stellvertretende Leiter des Rettungsdienstes klar. Zehn bis zwölf Minuten dauert es, bis ein Krankenwagen beim Patienten ist. Befindet sich zufällig ein verfügbarer Rettungswagen in der Nähe, schaffe man es bestenfalls in bis zu acht Minuten. Wie die Daten bisher verfügbarer First-Responder-Systeme zeigten, schaffen es die Ersthelfer in drei bis fünf Minuten. „Es ist wichtig, schnell Know-How zum Patienten zu bringen.“

 

In den vergangenen Jahren wurden deutschlandweit verschiedene App-basierte Ersthelferalarmierungssysteme in den Kreisen und kreisfreien Städten implementiert. Auch wenn es diverse Unterschiede gebe: Allen ist gemeinsam, dass potenzielle Ersthelferinnen und Ersthelfer nach Durchlaufen eines Registrierungsprozesses über eine Smartphone-App permanent geortet und dann zu Notfällen mit manifestem oder wahrscheinlichem Herz-Kreislauf-Stillstand geschickt werden. Zusätzlich können parallel auch weitere Ersthelferinnen und Ersthelfer entsandt werden, um einen öffentlich zugänglichen Defibrillator zu den Patienten zu bringen. Der gesamte Alarmierungsvorgang sei hierbei durch die Feuer- und Rettungsleitstelle initiiert, mancherorts läuft dies vollautomatisch im Hintergrund ab.

 

Die sofortige Einleitung einer Wiederbelebung könne das Überleben nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand verdoppeln oder verdreifachen. Wenn eine Defibrillation innerhalb von drei bis fünf Minuten nach dem Kollaps hinzukomme, würden Überlebensraten von 50 bis 70 Prozent erreicht. Modellierungen gehen für Deutschland von 10.000 zusätzlich zu rettenden Leben durch eine flächendeckende Nutzung von Ersthelfer-Apps beim außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand aus. Es bestehe zwar keine rechtliche Verpflichtung für die Implementierung. Die Forderung danach finde sich aber in den Überlegungen zur Reform von Notfall- und Akutversorgung Deutschlands als auch im Referentenentwurf zum neuen Landesrettungsdienstgesetz NRW.

 

Vier unterschiedliche Anbieter stellte Höffgen vor. Sie kosten in der Erstanschaffung zwischen 6.000 und 20.000 Euro, die jährlichen Kosten betragen etwa 20.000 bis 40.000 Euro. Um für das Oberbergische wirksam zu sein, benötigte man zum Start etwa 900 Ersthelfer. Diskutiert wurde vom Ausschuss in der Folge vor allem auch darüber, welche Qualifikation Ersthelfer vorweisen müssen (bei den Apps gibt es unterschiedlich hohe Hürden bei der Registrierung, bei einer geht es sogar ohne jeden Nachweis), wie die Menschen nach den auch belastenden Situationen betreut werden können, die Einsatzorte (nicht bei Unfällen oder Tatorten) oder wie es um die Versicherung steht (wenn der Auftrag zum Helfen kommt, werden sie im juristischen Sinn zu Verwaltungshelfern und sind versichert).

 

Einig waren sich die Ausschussmitglieder, dass es Nachweise der Eignung für eine Registrierung benötigt. Hier könnten die Hilfsorganisationen im Kreis Ansprechpartner sein, um geeignete Personen zu finden. Auch begleitende Kurse bei der Agewis wurden von Dr. Roland Adelmann (SPD) ins Spiel gebracht. Christoph Schlüter (CDU) brach eine Lanze für das System. Er selbst arbeitet bei der Leitstelle in Wuppertal, wo solch ein Angebot im Hintergrund arbeitet. „Auf den Protokollen kann ich dann sehen, ob auch Ersthelfer alarmiert wurden. Zwei Minuten früher da zu sein als ein Rettungswagen, das ist eine Wahnsinnszeit.“

 

Entscheiden musste der Ausschuss noch nichts. Der Oberbergische Kreis beabsichtigt mit der Einführung eines neuen Einsatzleitrechners im kommenden Jahr eine Smartphone-basierte App zur Alarmierung von Ersthelferinnen und Ersthelfern zu etablieren. Das Thema wird dementsprechend vorher noch einmal auf die Tagesordnung kommen.

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