POLITIK
Moscheeverein erklärt Mediationsgespräche für gescheitert
Bergneustadt - Keine Einigung im Streit um Moscheebau - FDP und Moscheeverein mit schweren Vorwürfen Richtung CDU.
Von Peter Notbohm
Der seit Jahrzehnten schwelende Streit um den Neubau einer Moschee in Bergneustadt ist seit heute um ein Kapitel reicher. Der Moscheeverein erklärte am Donnerstag das Mediationsverfahren für gescheitert. Auch FDP und FWGB kündigten an, aus den Gesprächen auszusteigen. „Wir sehen angesichts nicht verhandelbarer Vorgaben keinen Gesprächsbedarf mehr. Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, sagte der Vorsitzende des Moscheevereins Fetin Karaca (Foto) auf OA-Nachfrage. Besonders gegenüber der CDU erhob er deutliche Vorwürfe.
Seit fast einem halben Jahr liefen die Moderationsgespräche unter Leitung von Uwe Binner, dem Allgemeinen Vertreter des Bürgermeisters, nahezu geräuschlos – kaum etwas drang an die Öffentlichkeit. Kommende Woche hätte die finale Sitzung stattfinden sollen, eingeladen wären auch Vertreter der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion Ditib gewesen. Bis dahin war auch Stillschweigen über Inhalte vereinbart. Alles schien bereit für eine Einigung, zumal alle Beteiligten auch nach dem großen Knall unisono noch betonen, dass der seit beinahe 40 Jahren andauernde Konflikt noch nie so kurz vor einer Lösung gestanden hätte.
Moschee hätte am Dreiort entstehen sollen
Vor allem die größte Frage, wo eine neue Moschee entstehen könnte, schien endlich geklärt zu sein: Auf Vorschlag der SPD und von Bürgermeister Matthias Thul war ein Grundstück am Dreiort ausgeguckt worden. Entsprechende Vorgespräche seien mit den Eigentümern bereits geführt worden, hieß es aus dem Rathaus. Damit war auch eine zentrale Forderung des Moscheevereins erfüllt, dass ein neues Gebäude in Nähe der Bergneustädter Innenstadt entstehen müsse. Die Stadt hätte zudem angrenzend einen Parkplatz für die Allgemeinheit gebaut, der durch die Gläubigen nutzbar gewesen wäre. Auch in anderen Dingen habe man sich deutlich angenähert, sagte Binner. Die beiden umstrittensten Punkte blieben die Größe des Gotteshauses sowie die Zugehörigkeit des Moscheevereins zum Islamverband Ditib.
Woran die Gespräche nun dennoch so abrupt scheiterten? FDP-Ratsherr Wolfgang Lenz (Foto) und Fetin Karaca schieben hierfür der CDU den schwarzen Peter zu. Die Christdemokraten hatten am Mittwochabend als einzige Partei einen detaillierten Kompromissvorschlag vorgelegt, in der auch einige nicht verhandelbare Punkte aufgeführt wurden. Lenz nannte das Papier einen „Verhinderungsvorschlag“, den man fast schon als „unheilig“ bezeichnen müsse: „Für den Moscheeverein waren diese Bedingungen unannehmbar.“ Er schäme sich für Bergneustadt und seine Ratskollegen. Zumal er fürchte, dass der neue moderate Vorstand nun wieder von Hardlinern abgelöst werden könnte. Auch Karaca übte scharfe Kritik: „Wir wurden dermaßen eingegrenzt, dass man uns fast schon vorschreiben wollte, welche Glühbirnen wir in den Deckenlampen einsetzen sollen.“ Dabei wäre der Verein mit einer Lösung am Dreiort mehr als zufrieden gewesen.
CDU legt detaillierten Vorschlag vor
Konkret hatte die CDU vorgeschlagen, dass ein Gebetssaal für 650 Gläubige ausgelegt gewesen wäre, dazu ein Multifunktionssaal für 100 Menschen gebaut werden sollte. Das Grundstück hätte nicht durch Ditib selbst erworben werden dürfen, als bevorzugte Lösung sehe man eine Erbpacht des Moscheevereins, heißt es in dem Papier. Zudem wollten die Christdemokraten weder Schulungszentrum noch Kulturzentrum – und damit keine Räumlichkeiten für Jugend- und Frauenarbeit - zulassen. Außerdem müsse in der Moschee ein in Deutschland ausgebildeter Iman wirken. Man sehe die Gefahr, dass sich ansonsten eine türkische soziale Blase verfestige. „Für die Integration wäre das aus unserer Sicht vollkommen kontraproduktiv“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Reinhard Schulte (Foto). Man wolle keine überregionale Attraktivität generieren.
„Das waren von Anfang an unsere Forderungen und haben wir auch in allen Gesprächen klar so formuliert“, hat Schulte kein Verständnis für den Rückzug des Moscheevereins. Seine Partei sei trotz Ditib im Hintergrund bereit gewesen, nach einer Lösung zu suchen. Für eine Wiederaufnahme der Gespräche stehe man weiterhin offen. Überrascht von den Entwicklungen zeigte sich die SPD. „Wer nicht miteinander redet, kommt in der Sache nicht weiter“, äußerte der Fraktionsvorsitzende Daniel Grütz sein Bedauern über den Abbruch des Mediationsverfahrens. Die Entscheidung bringe die Stadt in keiner Weise weiter. Die Beteiligung von Ditib sehe seine Partei zwar äußerst kritisch, dennoch war man gespannt, wie eine auf Integration ausgerichtete Moschee ausgesehen hätte. Ein solches liberales Konzept hätte seine Fraktion ausdrücklich unterstützt, betonte Grütz.
Moscheeverein will nun aktuellen Standort modernisieren und notfalls vor Gericht gehen
Wie es nun weitergeht? Karaca wirft Teilen der Politik Unehrlichkeit vor und spricht von fehlendem Respekt. Mit jeder neuen Sitzung im Mediationsverfahren seien neuen Forderungen aufgekommen. Der Verein habe lange Zeit alle erfüllt und immer wieder Konzepte vorgestellt, sagt er. Spätestens die Forderung, dass man sich von Ditib abgrenzen solle, habe das Fass aber zum Überlaufen gebracht. „Wir wollen nur in einem würdigen Haus unsere Religion ausleben.“ Dazu gehören auch eine Koranschule und ein Raum für Frauenarbeit. „Dass sich die Politik hierbei einmischt, ist aus meiner Sicht nicht demokratisch“, meint der Vorsitzende.
Der Verein werde am Abend eine Krisensitzung abhalten, in der der Vorstand das weitere Vorgehen abstimmen werde, sagte er am Nachmittag. Man wolle den jetzigen Standort modernisieren und umbauen, einen entsprechenden Bauantrag einreichen und eine renommierte Anwaltskanzlei beauftragen. „Wir haben immer versucht, die Gerichte zu meiden, werden nun aber alle rechtlichen Mittel ausnutzen, um uns zu verteidigen“, so Karaca. Eine weitere Lösung bringt Wolfgang Lenz ins Spiel: „Ziel muss es sein, ein adäquates Grundstück zu finden, wo ein Baurecht besteht und der Moscheeverein sich nicht mit der Politik einigen muss.“ Dass solche Grundstücke in zentraler Lage in Bergneustadt nicht existieren, ist ihm dabei aber durchaus bewusst. Für die über 3.000 Muslime in Bergneustadt müsse aber unbedingt eine Lösung gefunden werden, betont er.
Auch im Bergneustädter Rathaus zeigt man sich enttäuscht, dass der Moscheeverein die Gespräche verlassen hat. „Wir haben alles für eine Einigung getan und sind dem Verein entgegengekommen“, sagt Bürgermeister Matthias Thul (Foto). Die Politik habe immer den Kompromiss gesucht, dieser funktioniere aber nicht, wenn eine Seite auf einer Maximalforderung bestehen bleibe, so das Stadtoberhaupt. Ob man im Rathaus noch Hoffnung auf eine Lösung sieht? Binner zweifelt: „Wenn der Moscheeverein nicht an den Tisch zurückkehrt, fehlt uns der direkte Verhandlungspartner.“
KOMMENTARE
1
In meinen Augen ist die Politik dem Moscheeverein schon sehr weit entgegengekommen. Wenn Herr Karaca der Stadt vorwirft, dass hier nicht demokratisch gehandelt wird und das die Politik sich nicht in solche Sachen einmischen darf, soll er doch nur in sein Heimatland schauen. Da ist so etwas an der Tagesordnung.
Bürger, 04.02.2022, 09:39 Uhr2
Die hochpolitische DITIB als langer Arm Erdogans und ihnen nahestehende Moschee Vereine sind ohnehin keine akzeptablen Verhandlungspartner. Zudem werden Religionen viel zu ernst genommen und werden viel zu stark hofiert (und alimentiert). Das gilt noch viel mehr für die "christlichen" (Staats)Kirchen. Es wird ignoriert, dass die Mehrheit in diesem Land nicht religiös ist, die wirklich Religiösen sind eine Minderheit. Daran ändern auch die Karteileichen der Kirchen nichts. Die Religionen in diesem Land fordern und bekommen zuviel Raum, der ihnen nicht zusteht. Sie sollten nicht anders behandelt werden, als Karnevals-, oder Kaninchenzüchtervereine. Egal wie laut sie schreien. Aber das wird wohl noch eine Weile so weitergehen, die Säkularisierung ist ein langsamer, sehr langsamer Prozess.
Torsten , 04.02.2022, 10:00 Uhr3
Richtig so!Versuchen Sie mal als ev.Kirche in der Türkei eine Baugenehmigung zu bekommen...
Patrick, 04.02.2022, 12:10 Uhr4
Ich finde die Entscheidung gut!Man sollte sich immer vor Augen halten,was Erdogan sagen würde,wenn die ev.Kirche in der Türkei solche Kirchenpaläste wie z.B. in Köln aufstellen wollte..
, 04.02.2022, 12:15 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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