POLITIK
Nachholbedarf auf fast allen Ebenen
Oberberg – OVAG-Geschäftsführerin Corinna Güllner stellte dem Kreisentwicklungsausschuss ihren Plan zur Angebotsverbesserung und Attraktivitätssteigerung des ÖPNV vor.
Von Lars Weber
Um zusätzliche Mittel über 1,15 Millionen Euro für die OVAG ist es gestern im Kreisentwicklungsausschuss gegangen. Das Geld soll für Angebotsverbesserungen und Attraktivierungsmaßnahmen eingesetzt werden und wurde im Rahmen der Haushaltsberatungen unter Vorbehalt in den Haushalt eingestellt. Vor der Freigabe war es im ehemaligen Kantinengebäude des Kreises an OVAG-Geschäftsführerin Corinna Güllner, zu zeigen, wofür die Mittel eingesetzt werden sollen. Der Vortrag Güllners zeigte: In vielen Bereichen hinkt die OVAG teils „gnadenlos“ hinterher, wie sie selbst sagte. Auch deshalb kam der zielgerichtete und pragmatische Plan der Geschäftsführerin an. Ihr Wunsch: „Einen guten Branchenstandard erreichen und mehr Leute für Nutzung unseres Angebots gewinnen“.
Nicht alles sei schlecht, stieg Güllner, die seit eineinhalb Jahren die Geschäftsführung der OVAG innehat, in ihren Vortrag ein. So liege der Kostendeckungsgrad des Unternehmens weit über Branchendurchschnitt. Das Ergebnis einer über Jahrzehnte stark kostenorientierten Führung. Der Nachteil: „An manchen Stellen hat man vielleicht etwas übertrieben mit der Sparsamkeit“. So gebe es einen umfangreichen Sanierungs- und Investitionsstau bei Anlagen und Systemen. Daneben seien es weitere Faktoren, die der OVAG Mühe machten. Dazu gehören die Pandemie und ihre noch unklaren Auswirkungen auf die Nachfrage. Oder auch das „Saubere Fahrzeuge Beschaffungs-Gesetz“, eine Umsetzung von EU-Vorgaben. Immerhin der eigene Fuhrpark ist auf einem guten Weg, bis Ende 2022 wird die Hälfte der Flotte aus „Mild Hybrid“-Bussen bestehen.
Auf der einen Seite muss die OVAG alte Versäumnisse aufholen, auf der anderen Seite bleiben überschaubare Investitionsmittel. Güllner und ihr Team setzen an fünf Stellen an, die zugleich eine Art Zukunftsstrategie darstellen. Die ersten beiden Punkte, die Systeme und die Fahrgastinformation, hängen dabei direkt zusammen. Denn nur mit der Erneuerung des Planungssystems sind auch Verbesserungen an anderen Stellen möglich. Als Beispiel nannte Güllner den neuen Busbahnhof in Derschlag (siehe Kasten: Licht und Schatten). Zur Verbesserung gehört unter anderem auch die Besetzung der Leitstelle. Wenn dort Feierabend ist, seien die Fahrer bei Problemen auf sich allein gestellt. Dies solle sich noch dieses Jahr ändern.
Nachholbedarf sieht Güllner weiter beim Thema Kommunikation. So wurde der neue Bereich „Marketing und Vertrieb“ geschaffen, in dem alle Themen „rund um den Fahrgast“ gebündelt werden. Dadurch sollen die Kunden und auch einzelne Zielgruppen besser angesprochen und beispielsweise bei Baustellen besser informiert werden. Auch die Sozialen Medien seien im Fokus, die OVAG solle insgesamt präsenter werden.
Zentral seien dazu Verbesserungen des Angebots. Güllner zog dazu eine Studie von der Allianz Pro Schiene heran, die ein Erreichbarkeitsranking von Bus und Bahn in NRW erstellt hat. Das Ergebnis: Der Oberbergische Kreis ist Vorletzter mit einem Abdeckungsgrad von 83,7 Prozent. Kurzfristig möchte Güllner hier zum Beispiel durch die Schließung von Taktlücken punktuelle Verbesserungen erzielen. Mittelfristig soll auch stärker auf Zielgruppen geachtet werden. Beispielsweise die Abstimmung der Linien mit Schichtbeginn und Schichtende bei großen Arbeitgebern in der Region. Im Bereich Freizeit schon umgesetzt sei das größere Angebot mit Fahrten zur Aggertalsperre. Während die neue Linie 380 eher vereinzelt nachgefragt worden sei, hätten die Fahrgastzahlen der 318 angezogen. Dort gab es in der Saison 17 Fahrten mehr als sonst am Wochenende.
Licht und Schatten
Corinna Güllner zeigte am Beispiel Derschlag, dass mit einem neuen Busbahnhof nicht automatisch alles perfekt ist. Pluspunkte dort seien die guten Anschlussbeziehungen (301, 303, 380), die elektronische Fahrgastinformation (DFI), das neue Halteschild und die Umsetzung der neuen Linie 380. Doch tatsächlich findet die 380 nicht auf der DFI-Anzeige statt. Auch sonst gebe es bei der Anzeige Schnittstellenprobleme, so werde die 301 als „Abfahrt sofort“ angezeigt, dabei sei der Bus schon weg. Zudem, so Güllner, kämen die Busse „weder rein noch raus“ in den Bahnhof. Es fehlten Beschleunigungsmaßnahmen für den ÖPNV, an dieser Stelle beispielsweise eine andere Ampelsteuerung. „So ist Derschlag eine Quelle massiver Verspätungen.“
Langfristig sei die Neustrukturierung einiger Linien oder die Schaffung neuer Angebote erstrebenswert. Eher perspektivisch nannte Güllner auch den fünften der Ansatzpunkte für eine neue OVAG, das Thema neue Technologien. „Wichtig dabei ist, dass wir uns diesbezüglich jetzt nichts verbauen.“ Deshalb wäre bei Neuanschaffungen Mitdenken angesagt. Bei allem, was die OVAG selbst anpacken sollte, nahm die Geschäftsführerin aber auch die Kommunen als Straßenbaulastträger vieler Haltestellen oder den VRS mit in die Pflicht, die ebenfalls mit Infrastruktur und Preisgestaltung großen Einfluss auf die Attraktivität eines ÖPNV nehmen.
Das ultimative Ziel aller Bemühungen sei es, die Menschen aus ihren Autos in die Busse zu bekommen. „Und zwar jene, bei denen der ÖPNV auch tatsächlich eine Alternative sein kann“, sagte Güllner mit Verweis auf die ländliche Struktur des Kreises. Wie wichtig dies auch für die Umwelt sei, sagte die OVAG-Geschäftsführerin auch: „Der Wechsel von nur einem Prozent der mit Autos zurückgelegten Fahrten im Oberbergischen Kreis in den ÖPNV hat annähernd den gleichen Effekt auf die Reduzierung von Emissionen wie die Umstellung aller im Kreis eingesetzten Linienbusse auf eine lokal emissionsfreie Antriebstechnologie“.
Der Plan Güllners bekam im Ausschuss lückenlose Zustimmung. Frank Mederlet (SPD) sagte dazu, dass die höheren Ausgaben sich wohl verstetigen werden. „Die 1,15 Millionen Euro werden es noch nicht gewesen sein.“ Ähnlich sah es auch Dr. Friedrich Wilke (FDP/FWO/DU): „Angesichts der Rückstände ist das Geld zunächst ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber es ist ein Anfang.“
KOMMENTARE
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Die Orte untereinander müssen zwingend besser vernetzt werden, wenn auch Leute auf dem Land ihr Auto öfter stehen lassen sollen!
Heiner H., 21.09.2021, 17:28 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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