POLITIK
Nachverdichtung: Wie viele Bauprojekte verträgt ein Ort?
Wiehl – Unterschiedliche Vorhaben beschäftigten den Stadtentwicklungsausschuss – Baulücken sollen vermieden werden – Nicht jedes Projekt wird befürwortet.
Von Lars Weber
Der Begriff Nachverdichtung bezeichnet im Städtebau das Nutzen freier Flächen im Bereich bereits bestehender Bebauung. Sie erfolgt beispielsweise durch Hinterlandbebauung, Aufstockungen oder dem Andocken von Flächen. Für Städte und Gemeinden ist sie in Zeiten, in denen den Kommunen kaum noch Flächen für neue Wohngebiete zur Verfügung stehen, eine Chance zur Weiterentwicklung und zum Wachsen. Für viele Nachbarn ist sie eher ein Graus. Sie kritisieren oft die Größe der Projekte. Das Thema Nachverdichtung ist auch in Wiehl ein großes. Die Stadt stellte bereits den Trend bei Nachverdichtungsmaßnahmen fest, dass Grundstücke maximal ausgenutzt werden und das zulässige Maß der baulichen Nutzung komplett ausgereizt wird – mit teils erheblichen Konflikten als Folge.
Bei der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses rangen die Stadtverordneten um die richtige Balance. Wie viel Nachverdichtung macht Sinn, wie sehr kommt man den Vorhabenträgern entgegen, was ist dem Ort zuzumuten? Drei Fallbeispiele.
Fall A
Eigentlich geht es hier gleich um drei verschiedene Planungen, die aber alle in Oberbantenberg rund um Otto-Dick-Straße und "Auf der Bitze" realisiert sollen. Mehrere Probleme sprach die Verwaltung vor der Diskussion an: So bestehen Bedenken, was die Verkehrssituation angeht. Vor allem gehe es dabei um die Menge an parkenden Autos, aber, worauf Carlo Riegert (SPD) später auch noch hinwies, sollten auch die Zufahrtswege für Rettung und Feuerwehr überprüft werden. Darüber hinaus sei das Kanalnetz für solch eine Ortsentwicklung unterdimensioniert, zumal bereits einige andere Nachverdichtungsmaßnahmen in Oberbantenberg umgesetzt wurden. An dieser Stelle müsste also etwas geschehen.
Ein Bauvorhaben wollte die Verwaltung dabei nicht befürworten, obwohl es baurechtlich genehmigungsfähig wäre. Der geplante 50 Meter lange und dreigeschossige Bau mit Wohneinheiten an der Otto-Dick-Straße „sprenge“ jedoch den vorhandenen baulichen Rahmen, nicht nur optisch. Deshalb soll mit dem Investor nach einer „einvernehmlichen Lösung“ gesucht werden, beschloss der Ausschuss. Ähnlich soll dies bei einem Vorhaben auf dem angrenzenden Grundstück geschehen.
Ganz anders liegt der Fall wiederum bei einem Vorhaben in der Straße Auf der Bitze. Dort sollen bestehende Mehrfamilienhäuser durch Neubauten ersetzt werden, und dabei noch weiterer Wohnraum geschaffen werden. Das Besondere: Es handelt sich um sozialen Wohnraum. Die Frage, die die Ausschussmitglieder beantworten mussten: Sollen aus den vorhanden 24 Wohnungen 48 in vier neuen Gebäuden oder 36 in dreien werden. Der Zwiespalt war den Stadtverordneten durchaus anzumerken, schließlich ist die Schaffung sozialen Wohnraums fast in jedem Parteiprogramm verankert. Und Investoren, die bereit sind, in sozialen Wohnraum zu investieren, sind rar gesät.
Letztlich entschieden sie sich aber für die Variante mit drei Gebäuden und 36 Wohnungen inklusiver einer Tiefgarage, die jetzt in die Offenlage gehen wird. „Wir sind für sozialen Wohnraum, aber dieser muss auch vor Ort sozial verträglich sein“, sagte Carlo Riegert.
Fall B
Rund 500 Baulücken gibt es im Gebiet der Stadt Wiehl. Damit keine weitere dazu kommt, hat der Ausschuss die Aufhebung des Bebauungsplans „Breidenbrucher Straße“ beschlossen. Ursprünglich wollte eine Familie im Außenbereich von Breidenbruch zwei bis drei Häuser bauen, wie die Verwaltung einleitend beschrieb. Mit einer Bauverpflichtung sei sie auch einverstanden gewesen. Die Pläne hätten sich jedoch geändert. Aus bis zu drei Gebäuden wurde nur noch eines, und dieses sollte an eine Stelle gebaut werden, sodass eine weitere Baulücke entstanden wäre, schilderte die Verwaltung weiter.
Kompromissvorschläge waren nicht erfolgreich. Weder wollte die Familie direkt an das nächstgelegene Nachbargrundstück rücken. Und auch der Vorschlag der Eigentümer, ein Baugrundstück aus ihrem Besitz an einer anderen Stelle im Ort abzugeben, damit dort jemand anderes eine Baulücke schließt, kam bei den Stadtverordneten nicht an. Nur die CDU wollte den Aufhebungsbeschluss verhindern. Die harte Nachricht des Ausschusses: Nachverdichtung ja, aber nicht auf Kosten weiterer Baulücken.
Fall C
In der Ortschaft Damte möchte ein Investor ein Mehrfamilienhaus in zweiter Reihe am Waldrand bauen. Die Nachbarn laufen dagegen Sturm. Sie argumentieren unter anderem damit, dass das geplante Gebäude sich nicht in die Ortsstruktur einfügt, dass es zu hoch sein würde und dass die umliegenden Nachbarn extrem eingeschränkt werden würden. Die Abstimmung über den Satzungsbeschluss wurde einen Tag vor der Sitzung von der Tagesordnung genommen. Der Vorhabenträger wolle nun kleiner planen, hieß es seitens des Ausschussvorsitzenden Sören Teichmann (CDU). Ob diese Änderungen die Anwohner zufriedenstellen werden, wird abzuwarten sein.
„Nachverdichtung ist ein ständiger Spagat“, sagte Bürgermeister Ulrich Stücker im Laufe der vielfältig geführten Diskussionen. Angesichts diverser weiterer Nachverdichtungsprojekte im gesamten Raum Wiehl werden solche Diskussionen wie im Stadtentwicklungsausschuss noch häufig geführt werden in den kommenden Jahren.
KOMMENTARE
1
Wenn man sich anschaut, was aus dem beschaulichen Örtchen Oberbantenberg geworden ist (im negativen Sinne), kann man nur begrüßen, dass nicht jede Baulücke zwingend geschlossen werden muss/soll.
Stattdessen sollte überlegt werden, wie z.B. der Sportplatz am Knippen aufgewertet werden kann, gerodete Flächen wieder aufgeforstet oder wie die oft vernachlässigten Stadtbeete wieder auf Vordermann gebracht werden können. Viele möchten gerne in „Bangmert“ wohnen, einen Beitrag zur Gemeinschaft lassen die meisten Zugezogenen allerdings vermissen…
2
Ich schließe mich dem ersten Kommentar an: Fast jede Wiesenfläche ist inzwischen bebaut. Die Zahl der Insekten und Vögel ist massiv zurück gegangen, die Zahl der Autos enorm gestiegen. Die Parkzustände sind gefühlt schon so wie in in der Kölner Innenstadt. Die Wohnqualität hat in den letzten Jahren stark gelitten.
Anja Kuhn, 29.03.2022, 17:23 Uhr3
Nix bleibt, wie es war. Die Nachverdichtung sorgt immer wieder für Reibungspunkte mit der dort wohnenden Bevölkerung. Diese muss sich aber darauf einstellen, dass Aussicht und Geschmack nicht vertraglich gesichert sind. Es wird immer mehr Bauprojekte ähnlicher Art gebe. Selbstverständlich muss man einen Kompromiss suchen, aber dies wird nicht immer gelingen. 150 Familien stehen aktuell auf eine Warteliste in Wiehl für Bauland/Hauskauf. In vielen Häusern wohnen nur noch 1-2 Menschen, die aber auf Grund mangelnder Alternative das Haus für eine junge Familie nicht freigeben können. Auf der grünen Wiese lässt man aber auch keine Bebauung zu, weil es zur Flächenversiegelung kommt.
Wenn man es nicht schafft in naher Zukunft Alternativen zu errichten, verliert Wiehl eine ganze Generation.
4
Als junge Eigentümerfamilie des Fall B möchten wir an dieser Stelle vehement widersprechen. Wir wollten von Anfang an nur ein Einfamilienhaus bauen. Angefragt haben wir dies bereits Ende 2019, erst später, als bereits ein Bebaungsplan eingereicht wurde. Wurde uns mitgeteilt, dass ein Baugebot, nicht nur auf das angefragte Grundstück A, sondern auch auf das automatisch mit einbezogene, benachbarte, landwirtschaftliche und im familiären Besitz befindende Grundstück B kommen würde. Das Baugebot auf Grundstück A ist kein Problem, da dort ohnehin direkt gebaut werden soll. Im Austausch für das Baugebot des Grundtücks B wurde ein weiteres freies Grundstück C, bereits als Bauland ausgeschriebenes und aktuell ohne Baugebot belegtes Grundstück, angeboten. Leider wurde dies nicht im beschriebenen Planungsausschuss am 24.03.2022 erwähnt. Weiterhin wurden in der Beschlussvorlage des Planungsausschusses falsche Tatsachen zugrunde gelegt, so wurden uns als Eigentümerfamilie mehr Grundstücke zugeschrieben, als im eigentlichen Besitz sind und somit ein falsches Bild gezeichnet. Außerdem wurden uns nicht kommunizierte Varianten dem Planungsausschuss als Option vorgelegt. Ebenfalls wurde die Information, dass auf den Grundstücken A & C Ehrenamtler der freiwilligen Feuerwehr bauen möchten, außen vorgelassen. Da aktuell in der Stadt Wiehl nach Optionen gesucht wird, mehr Wohnraum für freiwillige Feuerwehrleute zu schaffen, ist dies für uns nicht nachvollziehbar. In Zeiten wo bereits nach originellen Ideen für eine leistungsstarke FFW gesucht wird, sollte das bilden von Wohnraum für freiwillige Feuerwehrleute und deren Familien nicht weiter durch bürokratische Schritte und unnötige Diskussionen erschwert werden. Stattdessen sollte eine gemeinsame Lösungsfindung und ein aufeinander zugehen bei Vorschlägen stattfinden.
Kind/Kaltenbach, 03.04.2022, 12:40 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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