POLITIK

„Nicht jeder Kompromiss ist ein Verrat“

lw; 31.05.2024, 08:00 Uhr
Fotos: Lars Weber --- Politischer Austausch unter Liberalen (v.li.): Reinhold Müller, Ina Albowitz-Freytag, Johannes Vogel, Annette Pizzato, Dominik Trautmann, Sebastian Diener und Christian Hoene.
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„Nicht jeder Kompromiss ist ein Verrat“

lw; 31.05.2024, 08:00 Uhr
Bergneustadt – Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Johannes Vogel besuchte seine oberbergischen Parteikollegen und sprach über die Europawahl und die Stimmung in Berlin.

Von Lars Weber

 

Eigentlich dreht Johannes Vogel an den großen politischen Schrauben in Berlin. Dort ist der 42-Jährige als stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP der starke Mann neben Christian Lindner, außerdem ist er Erster parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Vogel kennt aber auch den ländlichen Raum. In Wermelskirchen geboren nennt er Olpe sein Zuhause, wo sich auch sein Wahlkreis befindet. Dort ist er auch Vorsitzender des Kreisverbands. Am Mittwoch war Vogel erst bei einer Podiumsdiskussion in der Bergneustädter Realschule zu Gast, bevor er sich zum Gespräch mit den oberbergischen Parteifreunden im Altstadtcafé traf. Mit dabei waren unter anderem der Kreisvorstand um den Vorsitzenden Dominik Trautmann, aber auch Kreisfraktionschef Reinhold Müller, die Ehrenvorsitzende Ina Albowitz-Freytag oder Vertreterinnen der Jungen Liberalen. Tags zuvor hatte man sich schon in Olpe getroffen, man war also schon aufgewärmt. Thema war natürlich die bevorstehende Europawahl, aber nicht nur die.

 

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Vogel über die Podiumsdiskussion

 

Die Schüler seien sehr interessiert und gut vorbereitet gewesen, was ihn darin bestärkt, dass es richtig war, das Wahlalter zu senken. Wählen ab 16 Jahren befürwortet er auch für Bundestagswahlen. „In dem Alter können die Jugendlichen in Parteien eintreten und Wahlprogramme selbst mitgestalten“, so Vogel. Um politisches Engagement sei es tatsächlich auch gegangen bei der Veranstaltung, an der auch Vertreter der anderen Parteien teilgenommen hatten. Die Themen der Jugendlichen hätten sich kaum von jenen der Erwachsenen unterschieden, „bloß übersetzt in ihre Welt“. Beispiel war das Verbrennerverbot, das für die Schüler vor allem bei der Benutzung von Mopeds interessant sei. Sein Standpunkt: Die EU muss Rahmenbedingungen für Klimaneutralität setzen. Auch die Wehrpflicht sei diskutiert worden. Aus Vogels Sicht sei diese ohnehin nur ausgesetzt, nicht abgeschafft. Deutschland müsse mit Blick auf die Putins und Xis in dieser Welt auch bei der Verteidigung Verantwortung für den Kontinent übernehmen, und da gehöre die Bundeswehr gestärkt, die Reserve gestärkt und die Nachwuchsgewinnung verbessert. „Frieden braucht Verteidigung.“

 

Vogel über eine „Demokratie unter Druck“

 

Der Politiker hat das Gefühl, dass sich der Kontinent und das Land in einer Phase des „notwendigen Erwachsenwerdens“ befindet. „Jeder kennt das Gefühl am eigenen 18. Geburtstag.“ Da ist einerseits das Gefühl von Freiheit, andererseits das Gefühl, nun selbst Verantwortung übernehmen zu müssen und für sich einzustehen. Dies ist übertragbar auf Themen wie Sicherheit (die lange über den Atlantik wegdelegiert wurde) oder Energieversorgung (Die Politik der früheren Regierungen, dass 56 Prozent Gasabhängigkeit von Russland „schon gutgehen“ werde). Für jede Entwicklung und Herausforderung, der sich Deutschland gegenüber sehe, bedarf es laut Vogel aber witschaftliche Stärke, dies gilt bis in den Sozialbereich hinein. Es seien aber auch über die EU „immer mehr Fesseln“ angelegt worden. „Da müssen wir ran“, damit Deutschland wieder ein wettbewerbsfähiges Land werde. Er hofft, dass nach der Europawahl mehr Binnenmarkt zugelassen und Bürokratie reduziert werde.

 

 

Vogel über die Ampel-Koalition

 

„Nicht jeder Kompromiss ist ein Verrat“, sage er manchmal zu seinen Parteikollegen. Generell habe die Koalition mit Sozialdemokraten und Grünen zu Beginn ein gutes Krisenmanagement unter anderem im Schatten des Ukrainekriegs an den Tag gelegt, er erinnert unter anderem an die Möglichmachung von Flüssiggasterminals. Um aber eine Wirtschaftswende herbeizuführen, reichten die Abmachungen im aktuellen Koalitionsvertrag nicht aus. „Demokratie ist nicht immer perfekt“, räumt er ein, auch er ärgere sich über so manche vielleicht nicht so nötige Diskussion, wo es nicht um die Sache an sich geht. Dennoch sei er froh darüber, dass in dieser Koalition sehr unterschiedliche Meinungen und Standpunkte vertreten seien.

 

Vogel über die Wichtigkeit der Europawahl

 

„Die Wahl muss ernst genommen werden.“ Dass die FDP dies tue, zeige sich an den Wahlplakaten mit einer „starken Kandidatin“ für Europa (Marie-Agnes Strack-Zimmermann), wo andere Parteien mit den Gesichtern der Bundespolitiker werben. Es sei eine „fatale Abwertung dieser Wahl“, wenn man sie nur als Stimmungstest für die Bundestagswahl im kommenden Jahr begreife. „Die Ampel steht bei der Europawahl nicht zur Wahl!“ Man müsse den Wählern begreifbar machen, wofür die Mehrheiten im Europäischen Parlament stehen, „das muss zum Gegenstand der Debatten gemacht werden“. Debatten um die Wahlprogramme seien auch wichtig für die Wahlbeteiligung und die Mobilmachung der Parteien an den Rändern links und rechts. Gemünzt auf die AfD sagte Vogel. „Die EU und den Euro abzuschaffen sei das Dümmste, was man machen könne.“ Das wäre das Gegenteil von dringend notwendiger Wirtschaftsförderung.

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