POLITIK
Regionalplan: Helmenstein wehrt sich gegen Kritik und macht „außergewöhnliches“ Angebot
Gummersbach - Stadt hält an Potenzialflächen in Rospe und Herreshagen fest - Bürger beklagen mangelnde Transparenz und bringen Mediator ins Spiel - Grüne wollen von ihrem Votum zurücktreten.
Von Peter Notbohm
Mit einem „außergewöhnlichen“ und bislang einmaligen Angebot hat Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein am Mittwoch versucht, die Wogen in der Diskussion um den Regionalplan zu glätten. Die Stadt werde zwar aufgrund des einstimmigen Votums aus dem Mai definitiv nicht an den Plänen rütteln – das könne sie rechtlich auch gar nicht, so das Stadtoberhaupt. Um Misstrauen zu beseitigen und Vertrauen zu schaffen, will Helmenstein den Eigentümern der betroffenen Flächen aber eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben, dass die Stadt auf ihr Enteignungsrecht verzichten werde. Das bekräftigte er erneut am Donnerstagmittag auf OA-Nachfrage: „Die Stadt Gummersbach hat noch nie enteignet und wird das auch in Zukunft nicht.“ Das Misstrauen sei ihm daher völlig unverständlich. An der Erklärung werde bereits gearbeitet.
Auf Antrag der Grünen hatte es in der Sitzung des Ausschuss für Stadtentwicklung, Infrastruktur und Digitalisierung eine Aussprache über die im neuen Regionalplan ausgewiesenen Potenzialflächen für Gewerbegebiete in Rospe und Herreshagen gegeben, nachdem es zuletzt zu Protesten und einer viel beachteten Petition gekommen war (OA berichtete). Um auch die zahlreich erschienenen Bürger, die teilweise vor dem Ratssaal die Diskussion über Lautsprecher verfolgen mussten, einzubeziehen, wurde die Sitzung nach einleitenden Statements von Gummersbachs Stadtoberhaupt sowie von Thorsten Konzelmann, SPD-Fraktionsvorsitzender im Regionalrat Köln, extra unterbrochen.
Er habe drei Botschaften für die Bürger, begann Helmenstein: Unter seiner Führung werde es niemals zu Enteignungen kommen, der Regionalplan stelle außerdem nur eine Option dar, dessen endgültiger Beschluss durch den Kölner Regionalrat noch mindestens zwei bis drei Jahre dauern werde. Zudem seien die Eigentümer jederzeit Herr des Verfahrens: „Wenn sie nicht verkaufen, wird nichts passieren.“ Konzelmann stellte indessen klar, dass die Bezirksregierung nichts „von oben aufgedrückt“ habe, sondern alles in Kooperation mit der Stadt geschehen sei.
Warum die Stadt trotzdem die bereits 2015 beschlossenen Planungen vorantrieb, obwohl die Grundstückeigentümer bereits 2018 fehlenden Willen zum Verkauf signalisiert hatten? Das liege an seiner Gesamtverantwortung für die Stadt, so Helmenstein: „Ich weiß selbst nicht, was in 20 bis 25 Jahren sein wird.“ Zur Wahrheit gehöre aus seiner Sicht auch, dass Gummersbach hinsichtlich Gewerbeflächen „blank“ sei. Der Verkauf der letzten 0,7 Hektar soll kommende Woche beschlossen werden. Wenn man im neuen Regionalplan keine neuen Flächen ausweise, könne die Stadt in der Bauleitplanung auch künftig nichts entwickeln und auch keine Flächen gegebenenfalls tauschen. Das wolle er sich von künftigen Generationen nicht vorwerfen lassen.
Vonseiten der Bürger kam neben der Kritik über mangelnde Transparenz, den Sorgen vor Enteignung und vor Wertverlust ihrer Immobilien sowie deutlichen Statements, niemals zu verkaufen, auch der Vorschlag, einen Mediator einzusetzen. Petitionsinitiator Volker Dannenberg schlug hierfür den ehemaligen Karstadt-Filialleiter Heinz Kreiensiek vor.
Von der Politik habe Dannenberg sich während der Sitzung weitgehend abgeholt gefühlt, sagte er am Donnerstag auf OA-Nachfrage. Gefehlt habe ihm lediglich eine Stellungnahme, dass die Stadt vergessen habe, mit den Bürgern zu sprechen: „Es hätte Größe gezeigt, zu sagen, wir hätten früher auf sie zukommen können.“ Gewünscht hätte er sich zudem, dass die Politik sich bei ihrem Urteil nicht nur auf das Kölner Fachbüro Dr. Jansen verlassen, sondern bei der Größe der Fläche auch vor Ort ein Bild gemacht hätte. Am Widerstand gegen die ausgewiesenen Flächen im Regionalplan werde sich jedenfalls nichts ändern: „Wir werden unsere Stellungnahmen abgeben und weiterbohren.“
Auch Gummersbachs Politik diskutierte im Anschluss weiter über das Thema. Die von Diyar Agu (Die Linke) geäußerte Kritik, dass der Ausschuss damals nicht ausführlich genug informiert gewesen sei, worüber er abstimme, wurde allerdings von allen Seiten vehement bestritten. „Wenn sie das damals nicht verstanden haben, ist das nicht das Problem des Ausschusses. Die Stadtverordneten haben sehr genau gewusst, worüber sie abgestimmt haben“, wurde der Ausschussvorsitzende Jörg Jansen (CDU) deutlich. Auch der Bürgermeister sprach im Nachgang von einem „starken Stück“, den Ausschussmitgliedern vorzuwerfen, sich nicht richtig informiert zu haben.
Einen anderen Weg beschritt Grünen-Fraktionschef Konrad Gerards. „Unsere Entscheidung vom 10. Mai war falsch und wir treten davon zurück.“ Die Grünen würden nun mit allen Mitteln versuchen, die beiden Flächen aus dem Plan streichen zu lassen. Mehr als einen symbolischen Charakter wird dieser Schritt vorerst aber nicht haben. „Das nehmen wir zu Protokoll“, so Helmenstein, „unsere Stellungnahme ist aber bereits an die Bezirksregierung übermittelt und bleibt auch draußen.“
KOMMENTARE
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Heutzutage schreibt niemand mehr mit dem Telex. Dampfloks gibt's nur noch im Museum. Kurzum: die Fortschritte aus dem vorigen Jahrhundert sind überholt. Dazu gehört auch das Konzept der "Industrie- und Gewerbeflächen". Angesichts der Klimakatastrophe ist eine weitere Verschwendung von Land und Natur unverantwortlich. Es gibt viel ungenutzte "Gewerbefläche" schon jetzt. Arbeitsplätze? Ein Scheinargument in Zeiten, in denen händeringend nach Arbeitskräften gesucht wird und die demographische Prognose erwartet eine Verschlimmerung der Situation. Sowohl die Politik als auch die Verwaltung(en) sollten endlich neue Ideen entwickeln, die dem Anspruch der Bevölkerung, des Klimas und der Umwelt entsprechen. Konzepte aus dem vorigen Jahrhundert sind da völlig fehl am Platz, sie sind antiquiert.
F Lothar Winkelhoch, 27.08.2022, 16:05 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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