POLITIK

Schmerzhafter Griff in die Rücklagen wird nötig

lw; 03.11.2022, 14:37 Uhr
Symbolfoto: Louis auf Pixabay
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Schmerzhafter Griff in die Rücklagen wird nötig

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lw; 03.11.2022, 14:37 Uhr
Waldbröl – Haushaltsentwurf in den Rat eingebracht – Krisen machen Marktstadt zu schaffen – Steuersenkungen werden nicht zurückgenommen.

Von Lars Weber

 

Bis zuletzt konnten Waldbröler Verwaltung und Rat zufrieden mit den Haushaltsergebnissen der vergangenen Jahre sein. Besonders die Gewerbesteuereinnahmen fingen zuletzt an zu sprudeln und werden dieses Jahr voraussichtlich elf Millionen Euro betragen. So konnte es sich die Marktstadt zum aktuellen Haushaltsjahr sogar leisten, die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer zu senken. Gleichzeitig wurden stetig Überschüsse erwirtschaftet und die Ausgleichsrücklage wuchs auf 6,8 Millionen Euro. „Wir hatten eigentlich gedacht, dass wir einige Jahre damit hinkommen“, sagte nun gestern Stadtkämmerin Anja Brauer bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs in den Rat. Stattdessen zeigen die Krisen – von Corona über den Krieg in der Ukraine, der damit zusammenhängenden Explosion der Energiepreise bis hin zu Baupreissteigerungen und Zinserhöhungen - nun Wirkung: „Der vorliegende Entwurf ist zahlenmäßig der schlechteste seit der Finanzkrise in den Jahren 2008 bis 2011“, so Brauer.   

 

Die Krisen machen Sorgen. Schwarzsehen wollte die Kämmerin aber trotzdem nicht. „Das Prinzip Hoffnung ist in das Zahlenwerk eingeflossen.“ So plant sie bei den Erträgen (insgesamt 50,4 Millionen Euro) mit wenig gravierenden Verschlechterungen. Bei der Gewerbesteuer geht Brauer davon aus, dass sich die Krisen vor allem in den Folgejahren deutlicher zeigen. Durch die zuletzt guten Ergebnisse sinken allerdings die Schlüsselzuweisungen um mehr als eine Million Euro.

 

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Der Knackpunkt im Haushaltsentwurf liegt auf der Seite der Aufwendungen. Diese steigen weit über die erzielten Erträge hinaus (insgesamt 51,8 Millionen Euro). Allein die Kreisumlage steigt um mehr als zwei Millionen Euro auf 24,1 Millionen Euro. „Das ist eine Hausnummer“, so Brauer. Weiter steigt die Zinsbelastung ordentlich an. Fallen dafür in diesem Jahr noch rund 259.000 Euro an, werden es 2023 rund 666.000 Euro sein. Setzt sich die Entwicklung fort, so müssten 2026 mehr als 1,8 Millionen Euro Zinsen gezahlt werden.

 

Aktuell gehen besonders die Bewirtschaftungskosten durch die Decke (Ansatz 2022: 1,9 Millionen Euro; Ansatz 2023: 3 Millionen Euro). „Es gibt eine Verdreifachung bei den Strom- und Gaspreisen.“ Auch die Versicherungsbeiträge steigen um neun Prozent. Die kriegsbedingten Mehrkosten müssen laut Land aber isoliert werden. Auch wenn dies ähnlich wie die Isolierung der Coronakosten die Haushaltslage auf dem Papier verbessert, empfindet Brauer diesen Weg nicht als große Hilfe. „Es ist nur ein Verschieben in die Zukunft.“

 

Allein in den Jahren 2023 und 2024 plant die Kämmerin mit einem isolierten Betrag von jeweils mehr als 1,5 Millionen Euro. Das Minus bleibt auch nach diesem Abzug „tiefrot“ und ist nur mit dem erwähnten Griff in die Ausgleichsrücklage zu korrigieren. Was bleibt, ist ein Anzeigehaushalt, der immerhin die Handlungsfähigkeit der Stadt sicherstellt, auch wenn unplanmäßige Ausgaben vermieden werden sollten.

 

Bürgermeisterin Larissa Weber machte in ihrer Rede aber deutlich, dass sie die Stadt in den nächsten Jahren weiter gestalten und noch attraktiver machen möchte. Für die Rathauschefin war die Sitzung ein besonderer Tag. Genau vor zwei Jahren hatte ihre Zusammenarbeit mit dem Rat begonnen, bei dem sie sich mit einem Rückblick auf das Erreichte bedankte. In den kommenden Jahren bis 2026 sollen 50 Millionen Euro in die Stadt fließen. Aufgrund der Finanzlage gelinge dies nur durch Fördermittel von Bund und Land oder über Kredite.

 

[Fotos: Lars Weber --- Ganz oben auf der Agenda der Verwaltung steht der Umbau der Markthalle.]

 

Ein Schwerpunkt bildet die Umsetzung des Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzepts (IEHK), bei dem die Bebauung des Merkur-Areals nun ansteht. Es fließen in den nächsten vier Jahren 13,1 Millionen Euro, rund vier Millionen davon muss die Stadt selbst aufbringen. Ein großes Projekt wird auch der Umbau der Markthalle zu einer Multifunktionshalle und die Sanierung des Marktplatzes. Brauer hat dafür 8,5 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt und geht – vorsichtig – von einer 60-prozentigen Förderung aus. Die hohen, aber wichtigen Investitionen in den Feuerschutz (14 Millionen Euro bis 2026) – es entstehen allein drei neue Feuerwehrhäuser – müssen indes fast vollständig aus Steuern und durch Kredite finanziert werden. „Dafür gibt es kaum Fördermittel“, so Weber.

 

Risikofaktoren

Als künftige Risiken für den städtischen Haushalt gab Kämmerin Brauer die weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die hohen Inflationsraten und die Energiekosten an. Auch die Erhöhung der Zuschüsse an den Badbetreiber von Balneo sei ein Risiko. Trotzdem beschloss der Rat gestern in nichtöffentlicher Sitzung "weitere Schritte und Lösungen", sodass das Schwimmbad Balneo trotz der hohen Energiekosten auch weiterhin der Allgemeinheit zur Verfügung stehen wird (OA berichtete). Zuvor hatte die Betreibergesellschaft ihre Sparmaßnahmen vorgestellt. Dies teilte Bürgermeisterin Weber auf Nachfrage mit, nannte aber keine weiteren Details. "Wir sind alle sehr froh, dass die gemeinnützige GmbH so viele Stunden auch ehrenamtlich in das Schwimmbad investiert."

 

Weitere Investitionen gibt’s unter anderem im Bildungsbereich (1,8 Millionen Euro für die Ausstattung von Fachräumen und für eine Lehrküche), für Projekte für Kinder und Jugendliche (Rollsportanlage an der Klus, Basketballfeld in Eichen) oder auch für neue Rad-Gehwege, Mobilstationen und den barrierefreien Ausbau von ÖPNV-Haltestellen (insgesamt 6,5 Millionen Euro). Geschoben werden hingegen mit der Hoffnung auf eine bessere Marktlage einige Straßenbaumaßnahmen und Anschaffungen für den Bauhof.  

 

Der Haushalt soll bei der Sitzung des Stadtrats am 7. Dezember verabschiedet werden.

 

Der Haushaltsentwurf in Zahlen (Euro)

              

Erträge: 50,4 Millionen

Aufwendungen: 51,75 Millionen

Steuern: Grundsteuer A: 320 v.H., Grundsteuer B: 755 v.H., Gewerbesteuer: 565 v.H.

 

Einnahmen:

Gewerbesteuer: 10 Millionen

Einkommenssteueranteil: 7,6 Millionen

Schlüsselzuweisungen: 13,5 Millionen

Grundsteuer B: 4,72 Millionen

 

Ausgaben:

Personal/Versorgung: 7,97 Millionen

Investitionen: 14 Millionen

Kreisumlage: 24,14 Millionen

 

Entnahme Ausgleichsrücklage: 1,36 Millionen

Kreditaufnahme: 5 Millionen

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